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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (53 page)

BOOK: Faust
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FAUST.

 
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!

MEPHISTOPHELES.

 
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich:
 
In meiner Gegenwart wird’s ihr, sie weiß nicht wie,
 
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn;
3540
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
 
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.
 
Nun, heute nacht—?

FAUST.

 
                                   Was geht dich’s an?

MEPHISTOPHELES.

 
Hab’ ich doch meine Freude dran!
AM BRUNNEN

Gretchen und Lieschen mit Krügen
.

LIESCHEN.

 
Hast nichts von Bärbelchen gehört?

GRETCHEN.

 
Kein Wort. Ich komm’ gar wenig unter Leute.

LIESCHEN.

 
Gewiß, Sibylle sagt’ mir’s heute!
 
Die hat sich endlich auch betört.
 
Das ist das Vornehmtun!

GRETCHEN.

 
                                   Wieso?

LIESCHEN.

 
                                                  Es stinkt!
 
Sie füttert zwei, wenn sie nun ißt und trinkt.

GRETCHEN.

3550
Ach!

LIESCHEN.

 
So ist’s ihr endlich recht ergangen.
 
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
 
Das war ein Spazieren,
 
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
 
Mußt’ überall die Erste sein,
 
Kurtesiert’ ihr immer mit Pastetchen und Wein;
 
Bild’t sich was auf ihre Schönheit ein,
 
War doch so ehrlos, sich nicht zu schämen,
 
Geschenke von ihm anzunehmen.
3560
War ein Gekos’ und ein Geschleck’;
 
Da ist denn auch das Blümchen weg!

GRETCHEN.

 
Das arme Ding!

LIESCHEN.

 
                                   Bedauerst sie noch gar!
 
Wenn unsereins am Spinnen war,
 
Uns nachts die Mutter nicht hinunterließ,
 
Stand sie bei ihrem Buhlen süß,
 
Auf der Türbank und im dunkeln Gang
 
Ward ihnen keine Stunde zu lang.
 
Da mag sie denn sich ducken nun,
 
Im Sünderhemdchen Kirchbuß’ tun!

GRETCHEN.

3570
Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau.

LIESCHEN.

 
Er wär’ ein Narr! Ein flinker Jung’
 
Hat anderwärts noch Luft genung.
 
Er ist auch fort.

GRETCHEN.

 
                                   Das ist nicht schön!

LIESCHEN.

 
Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn.
 
Das Kränzel reißen die Buben ihr,
 
Und Häckerling streuen wir vor die Tür!
 
(
Ab
.)

GRETCHEN
(
nach Hause gehend
)
.

 
Wie konnt’ ich sonst so tapfer schmälen,
 
Wenn tät ein armes Mägdlein fehlen!
 
Wie konnt’ ich über andrer Sünden
3580
Nicht Worte gnug der Zunge finden!
 
Wie schien mir’s schwarz, und schwärzt’s noch gar,
 
Mir’s immer doch nicht schwarz gnug war,
 
Und segnet’ mich und tat so groß,
 
Und bin nun selbst der Sünde bloß!
 
Doch—alles, was dazu mich trieb,
 
Gott! war so gut! ach war so lieb!
ZWINGER

In der Mauerhöhle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkrüge davor.

GRETCHEN
(
steckt frische Blumen in die Krüge
)
.

 
              Ach neige,
 
              Du Schmerzenreiche,
 
              Dein Antlitz gnädig meiner Not!
3590
              Das Schwert im Herzen,
 
              Mit tausend Schmerzen
 
              Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
 
              Zum Vater blickst du,
 
              Und Seufzer schickst du
 
              Hinauf um sein’ und deine Not.
 
              Wer fühlet,
 
              Wie wühlet
 
              Der Schmerz mir im Gebein?
 
              Was mein armes Herz hier banget,
3600
              Was es zittert, was verlanget,
 
              Weißt nur du, nur du allein!
 
              Wohin ich immer gehe,
 
              Wie weh, wie weh, wie wehe
 
              Wird mir im Busen hier!
 
              Ich bin, ach, kaum alleine,
 
              Ich wein’, ich wein’, ich weine,
 
              Das Herz zerbricht in mir.
 
              Die Scherben vor meinem Fenster
 
              Betaut’ ich mit Tränen, ach,
3610
              Als ich am frühen Morgen
 
              Dir diese Blumen brach.
 
              Schien hell in meine Kammer
 
              Die Sonne früh herauf,
 
              Saß ich in allem Jammer
 
              In meinem Bett schon auf.
 
              Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
 
              Ach neige,
 
              Du Schmerzenreiche,
 
              Dein Antlitz gnädig meiner Not!
NACHT

Straße vor Gretchens Türe.

VALENTIN
(
Soldat
,
GRETCHENS
Bruder
)
.

3620
Wenn ich so saß bei einem Gelag,
 
Wo mancher sich berühmen mag,
 
Und die Gesellen mir den Flor
 
Der Mägdlein laut gepriesen vor,
 
Mit vollem Glas das Lob verschwemmt—
 
Den Ellenbogen aufgestemmt
 
Saß ich in meiner sichern Ruh’,
 
Hört’ all dem Schwadronieren zu,
 
Und streiche lächelnd meinen Bart,
 
Und kriege das volle Glas zur Hand
3630
Und sage: Alles nach seiner Art!
 
Aber ist eine im ganzen Land,
 
Die meiner trauten Gretel gleicht,
 
Die meiner Schwester das Wasser reicht?
 
Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum;
 
Die einen schrieen: Er hat recht,
 
Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht!
 
Da saßen alle die Lober stumm.
 
Und nun!—um’s Haar sich auszuraufen
 
Und an den Wänden hinaufzulaufen!—
3640
Mit Stichelreden, Naserümpfen
 
Soll jeder Schurke mich beschimpfen!
 
Soll wie ein böser Schuldner sitzen,
 
Bei jedem Zufallswörtchen schwitzen!
 
Und möcht’ ich sie zusammenschmeißen,
 
Könnt’ ich sie doch nicht Lügner heißen.
 
Was kommt heran? Was schleicht herbei?
 
Irr’ ich nicht, es sind ihrer zwei.
 
Ist er’s, gleich pack’ ich ihn beim Felle,
 
Soll nicht lebendig von der Stelle!
 
        (
FAUST, MEPHISTOPHELES
.)

FAUST.

3650
Wie von dem Fenster dort der Sakristei
 
Aufwärts der Schein des ew’gen Lämpchens flämmert
 
Und schwach und schwächer seitwärts dämmert,
 
Und Finsternis drängt ringsum bei!
 
So sieht’s in meinem Busen nächtig.

MEPHISTOPHELES.

 
Und mir ist’s wie dem Kätzlein schmächtig,
 
Das an den Feuerleitern schleicht,
 
Sich leis’ dann um die Mauern streicht;
 
Mir ist’s ganz tugendlich dabei,
 
Ein bißchen Diebsgelüst, ein bißchen Rammelei.
3660
So spukt mir schon durch alle Glieder
 
Die herrliche Walpurgisnacht.
 
Die kommt uns übermorgen wieder,
 
Da weiß man doch, warum man wacht.

FAUST.

 
Rückt wohl der Schatz indessen in die Höh’,
 
Den ich dort hinten flimmern seh?

MEPHISTOPHELES.

 
Du kannst die Freude bald erleben,
 
Das Kesselchen herauszuheben.
 
Ich schielte neulich so hinein,
 
Sind herrliche Löwentaler drein.

FAUST.

3670
Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring,
 
Meine liebe Buhle damit zu zieren?

MEPHISTOPHELES.

 
Ich sah dabei wohl so ein Ding,
 
Als wie eine Art von Perlenschnüren.

FAUST.

 
So ist es recht! Mir tut es weh,
 
Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh’.

MEPHISTOPHELES.

 
Es sollt’ Euch eben nicht verdrießen,
 
Umsonst auch etwas zu genießen.
 
Jetzt, da der Himmel voller Sterne glüht,
 
Sollt Ihr ein wahres Kunststück hören:
3680
Ich sing’ ihr ein moralisch Lied,
 
Um sie gewisser zu betören.
 
        (
Singt zur Zither
.)
 
              Was machst du mir
 
              Vor Liebchens Tür,
 
              Kathrinchen, hier
 
              Bei frühem Tagesblicke?
 
              Laß, laß es sein!
 
              Er läßt dich ein,
 
              Als Mädchen ein,
 
              Als Mädchen nicht zurücke.
3690
              Nehmt euch in acht!
 
              Ist es vollbracht,
 
              Dann gute Nacht,
 
              Ihr armen, armen Dinger!
 
              Habt ihr euch lieb,
 
              Tut keinem Dieb
 
              Nur nichts zu Lieb’,
 
              Als mit dem Ring am Finger.

VALENTIN
(
tritt vor
)
.

 
Wen lockst du hier? beim Element!
 
Vermaledeiter Rattenfänger!
3700
Zum Teufel erst das Instrument!
 
Zum Teufel hinterdrein den Sänger!
BOOK: Faust
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