Read Faust Online

Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (54 page)

BOOK: Faust
7.2Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

MEPHISTOPHELES.

 
Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.

VALENTIN.

 
Nun soll es an ein Schädelspalten!

MEPHISTOPHELES
(
zu
FAUST
)
.

 
Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch!
 
Hart an mich an, wie ich Euch führe.
 
Heraus mit Eurem Flederwisch!
 
Nur zugestoßen! ich pariere.

VALENTIN.

 
Pariere den!

MEPHISTOPHELES.

 
              Warum denn nicht?

VALENTIN.

 
Auch den!

MEPHISTOPHELES.

 
              Gewiß!

VALENTIN

 
                                   Ich glaub’, der Teufel ficht!
3710
Was ist denn das? Schon wird die Hand mir lahm.

MEPHISTOPHELES
(
zu
FAUST
)
.

 
Stoß zu!

VALENTIN
(
fällt
)
.

 
        O weh!

MEPHISTOPHELES.

 
              Nun ist der Lümmel zahm!
 
Nun aber fort! Wir müssen gleich verschwinden:
 
Denn schon entsteht ein mörderlich Geschrei.
 
Ich weiß mich trefflich mit der Polizei,
 
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.

MARTHE
(
am Fenster
)
.

 
Heraus! Heraus!

GRETCHEN
(
am Fenster
)
.

 
                                   Herbei ein Licht!

MARTHE
(
wie oben
)
.

 
Man schilt und rauft, man schreit und ficht.

VOLK.

 
Da liegt schon einer tot!

MARTHE
(
heraustretend
)
.

 
Die Mörder, sind sie denn entflohn?

GRETCHEN
(
heraustretend
)
.

 
Wer liegt hier?

VOLK.

3720
                                   Deiner Mutter Sohn.

GRETCHEN.

 
Allmächtiger! welche Not!

VALENTIN.

 
Ich sterbe! das ist bald gesagt
 
Und bälder noch getan.
 
Was steht ihr Weiber, heult und klagt?
 
Kommt her und hört mich an!
 
        (
Alle treten um ihn
.)
 
Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung,
 
Bist gar noch nicht gescheit genung,
 
Machst deine Sachen schlecht.
 
Ich sag’ dir’s im Vertrauen nur:
3730
Du bist doch nun einmal eine Hur’;
 
So sei’s auch eben recht.

GRETCHEN.

 
Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?

VALENTIN.

 
Laß unsern Herr Gott aus dem Spaß.
 
Geschehn ist leider nun geschehn,
 
Und wie es gehn kann, so wird’s gehn.
 
Du fingst mit e i n e m heimlich an,
 
Bald kommen ihrer mehre dran,
 
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
 
So hat dich auch die ganze Stadt.
3740
Wenn erst die Schande wird geboren,
 
Wird sie heimlich zur Welt gebracht,
 
Und man zieht den Schleier der Nacht
 
Ihr über Kopf und Ohren;
 
Ja, man möchte sie gern ermorden.
 
Wächst sie aber und macht sich groß,
 
Dann geht sie auch bei Tage bloß,
 
Und ist doch nicht schöner geworden.
 
Je häßlicher wird ihr Gesicht,
 
Je mehr sucht sie des Tages Licht.
3750
Ich seh’ wahrhaftig schon die Zeit,
 
Daß alle brave Bürgersleut’,
 
Wie von einer angesteckten Leichen,
 
Von dir, du Metze! seitab weichen.
 
Dir soll das Herz im Leib verzagen,
 
Wenn sie dir in die Augen sehn!
 
Sollst keine goldne Kette mehr tragen!
 
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn!
 
In einem schönen Spitzenkragen
 
Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!
3760
In eine finstre Jammerecken
 
Unter Bettler und Krüppel dich verstecken
 
Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht,
 
Auf Erden sein vermaledeit!

MARTHE.

 
Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!
 
Wollt Ihr noch Lästrung auf Euch laden?

VALENTIN.

 
Könnt’ ich dir nur an den dürren Leib,
 
Du schändlich kupplerisches Weib!
 
Da hofft’ ich aller meiner Sünden
 
Vergebung reiche Maß zu finden.

GRETCHEN.

3770
Mein Bruder! Welche Höllenpein!

VALENTIN.

 
Ich sage, laß die Tränen sein!
 
Da du dich sprachst der Ehre los,
 
Gabst mir den schwersten Herzensstoß.
 
Ich gehe durch den Todesschlaf
 
Zu Gott ein als Soldat und brav.
 
        (
Stirbt
.)
DOM

Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Böser Geist hinter Gretchen.

BÖSER GEIST.

 
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
 
Als du noch voll Unschuld
 
Hier zum Altar tratst,
 
Aus dem vergriffnen Büchelchen
3780
Gebete lalltest,
 
Halb Kinderspiele,
 
Halb Gott im Herzen!
 
Gretchen!
 
Wo steht dein Kopf?
 
In deinem Herzen
 
Welche Missetat?
 
Betst du für deiner Mutter Seele, die
 
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief?
 
Auf deiner Schwelle wessen Blut?
3790
—Und unter deinem Herzen
 
Regt sich’s nicht quillend schon
 
Und ängstet dich und sich
 
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

GRETCHEN.

 
Weh! Weh!
 
Wär’ ich der Gedanken los,
 
Die mir herüber und hinüber gehen
 
Wider mich!

CHOR.

 
Dies irae, dies illa
 
Solvet saeclum in favilla.
 
        (
Orgelton
.)

BÖSER GEIST.

3800
Grimm faßt dich!
 
Die Posaune tönt!
 
Die Gräber beben!
 
Und dein Herz,
 
Aus Aschenruh
 
Zu Flammenqualen
 
Wieder aufgeschaffen,
 
Bebt auf!

GRETCHEN.

 
Wär’ ich hier weg!
 
Mir ist, also ob die Orgel mir
3810
Den Atem versetzte,
 
Gesang mein Herz
 
Im Tiefsten löste.

CHOR.

 
Judex ergo cum sedebit,
 
Quidquid latet adparebit,
 
Nil inultum remanebit.

GRETCHEN.

 
Mir wird so eng!
 
Die Mauernpfeiler
 
Befangen mich!
 
Das Gewölbe
3820
Drängt mich!—Luft!

BÖSER GEIST.

 
Verbirg dich! Sünd’ und Schande
 
Bleibt nicht verborgen.
 
Luft? Licht?
 
Weh dir!

CHOR.

 
Quid sum miser tunc dicturus?
 
Quem patronum rogaturus?
 
Cum vix justus sit securus.

BÖSER GEIST.

 
Ihr Antlitz wenden
 
Verklärte von dir ab.
3830
Die Hände dir zu reichen,
 
Schauert’s den Reinen.
 
Weh!

CHOR.

 
Quid sum miser tunc dicturus?

GRETCHEN.

 
Nachbarin! Euer Fläschchen!—
 
        (
Sie fällt in Ohnmacht
.)
WALPURGISNACHT

Harzgebirg. Gegend von Schierke und Elend.
Faust, Mephistopheles
.

MEPHISTOPHELES.

 
Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
 
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.
 
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.

FAUST.

 
So lang’ ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,
 
Genügt mir dieser Knotenstock.
3840
Was hilft’s, daß man den Weg verkürzt!—
 
Im Labyrinth der Täler hinzuschleichen,
 
Dann diesen Felsen zu ersteigen,
 
Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt,
 
Das ist die Lust, die solche Pfade würzt!
 
Der Frühling webt schon in den Birken,
 
Und selbst die Fichte fühlt ihn schon;
 
Sollt’ er nicht auch auf unsre Glieder wirken?

MEPHISTOPHELES.

 
Fürwahr, ich spüre nichts davon!
 
Mir ist es winterlich im Leibe,
3850
Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.
 
Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe
 
Des roten Monds mit später Glut heran,
 
Und leuchtet schlecht, daß man bei jedem Schritte
 
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
 
Erlaub’, daß ich ein Irrlicht bitte!
 
Dort seh’ ich eins, das eben lustig brennt.
 
He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
 
Was willst du so vergebens lodern?
 
Sei doch so gut und leucht’ uns da hinauf!

IRRLICHT.

3860
Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, soll es mir gelingen,
 
Mein leichtes Naturell zu zwingen;
 
Nur zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.

MEPHISTOPHELES.

 
Ei! Ei! Er denkt’s den Menschen nachzuahmen.
 
Geh’ Er nur grad’, in ’s Teufels Namen!
 
Sonst blas’ ich Ihm Sein Flackerleben aus.

IRRLICHT.

 
Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,
 
Und will mich gern nach Euch bequemen.
 
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,
 
Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll,
3870
So müßt Ihr’s so genau nicht nehmen.
BOOK: Faust
7.2Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

Other books

Real Vampires Live Large by Gerry Bartlett
Los cuadernos secretos by John Curran
Arctic Bound by Tigris Eden
Of Love and Darkness by Lund, Tami
In the Jungle by J.C. Greenburg
A Whirlwind Vacation by Krulik, Nancy
Fidelity Files by Jessica Brody