Faust (48 page)

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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

BOOK: Faust
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              Es ging ihm nichts darüber,
 
              Er leert’ ihn jeden Schmaus;
 
              Die Augen gingen ihm über,
 
              So oft er trank daraus.
 
              Und als er kam zu sterben,
 
              Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
 
              Gönnt’ alles seinem Erben,
2770
              Den Becher nicht zugleich.
 
              Er saß beim Königsmahle,
 
              Die Ritter um ihn her,
 
              Auf hohem Vätersaale,
 
              Dort auf dem Schloß am Meer.
 
              Dort stand der alte Zecher,
 
              Trank letzte Lebensglut,
 
              Und warf den heiligen Becher
 
              Hinunter in die Flut.
 
              Er sah ihn stürzen, trinken
2780
              Und sinken tief ins Meer,
 
              Die Augen täten ihm sinken,
 
              Trank nie einen Tropfen mehr.
 
        (
Sie eröffnet den Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt das Schmuck-kästchen.)
 
Wie kommt das schöne Kästchen hier herein?
 
Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein.
 
Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein?
 
Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand,
 
Und meine Mutter lieh darauf.
 
Da hängt ein Schlüsselchen am Band,
 
Ich denke wohl, ich mach’ es auf!
2790
Was ist das? Gott im Himmel! Schau,
 
So was hab’ ich mein’ Tage nicht gesehn!
 
Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau
 
Am höchsten Feiertage gehn.
 
Wie sollte mir die Kette stehn?
 
Wem mag die Herrlichkeit gehören?
 
        (
Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel
.)
 
Wenn nur die Ohrring’ meine wären!
 
Man sieht doch gleich ganz anders drein.
 
Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
 
Das ist wohl alles schön und gut,
2800
Allein man läßt’s auch alles sein;
 
Man lobt euch halb mit Erbarmen.
 
Nach Golde drängt,
 
Am Golde hängt
 
Doch alles. Ach wir Armen!
SPAZIERGANG

Faust in Gedanken auf und ab gehend
.

Zu ihm Mephistopheles
.

MEPHISTOPHELES.

 
Bei aller verschmähten Liebe! Beim höllischen Elemente!
 
Ich wollt’, ich wüßte was Ärgers, daß ich’s fluchen könnte!

FAUST.

 
Was hast? was kneipt dich denn so sehr?
 
So kein Gesicht sah ich in meinem Leben!

MEPHISTOPHELES.

 
Ich möcht’ mich gleich dem Teufel übergeben,
2810
Wenn ich nur selbst kein Teufel wär’!

FAUST.

 
Hat sich dir was im Kopf verschoben?
 
Dich kleidet’s, wie ein Rasender zu toben!

MEPHISTOPHELES.

 
Denkt nur, den Schmuck, für Gretchen angeschafft,
 
Den hat ein Pfaff hinweggerafft!—
 
Die Mutter kriegt das Ding zu schauen,
 
Gleich fängt’s ihr heimlich an zu grauen:
 
Die Frau hat gar einen feinen Geruch,
 
Schnuffelt immer im Gebetbuch,
 
Und riecht’s einem jeden Möbel an,
2820
Ob das Ding heilig ist oder profan;
 
Und an dem Schmuck da spürt’ sie’s klar,
 
Daß dabei nicht viel Segen war.
 
Mein Kind, rief sie, ungerechtes Gut
 
Befängt die Seele, zehrt auf das Blut.
 
Wollen’s der Mutter Gottes weihen,
 
Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen!
 
Margretlein zog ein schiefes Maul,
 
Ist halt, dacht’ sie, ein geschenkter Gaul,
 
Und wahrlich! gottlos ist nicht der,
2830
Der ihn so fein gebracht hierher.
 
Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;
 
Der hatte kaum den Spaß vernommen,
 
Ließ sich den Anblick wohl behagen.
 
Er sprach: So ist man recht gesinnt!
 
Wer überwindet, der gewinnt.
 
Die Kirche hat einen guten Magen,
 
Hat ganze Länder aufgefressen,
 
Und doch noch nie sich übergessen;
 
Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen,
2840
Kann ungerechtes Gut verdauen.

FAUST.

 
Das ist ein allgemeiner Brauch.
 
Ein Jud’ und König kann es auch.

MEPHISTOPHELES.

 
Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’,
 
Als wären’s eben Pfifferling’,
 
Dankt’ nicht weniger und nicht mehr,
 
Als ob’s ein Korb voll Nüsse wär’,
 
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn—
 
Und sie waren sehr erbaut davon.

FAUST.

 
Und Gretchen?

MEPHISTOPHELES.

 
                                   Sitzt nun unruhvoll,
2850
Weiß weder, was sie will noch soll,
 
Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht,
 
Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.

FAUST.

 
Des Liebchens Kummer tut mir leid.
 
Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid’!
 
Am ersten war ja so nicht viel.

MEPHISTOPHELES.

 
O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!

FAUST.

 
Und mach, und richt’s nach meinem Sinn!
 
Häng dich an ihre Nachbarin!
 
Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei,
2860
Und schaff ein neuen Schmuck herbei!

MEPHISTOPHELES.

 
Ja, gnäd’ger Herr, von Herzen gerne.
 
(
FAUST
ab
.)

MEPHISTOPHELES.

 
So ein verliebter Tor verpufft
 
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
 
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.
 
(
Ab
.)
DER NACHBARIN HAUS

MARTHE
(
allein
)
.

 
Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
 
Er hat an mir nicht wohl getan!
 
Geht da stracks in die Welt hinein,
 
Und läßt mich auf dem Stroh allein.
 
Tät ihn, doch wahrlich nicht betrüben,
2870
Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.
 
        (
Sie weint
.)
 
Vielleicht ist er gar tot!—O Pein!——
 
Hätt’ ich nur einen Totenschein!
 
        (
MARGARET
kommt
.)

MARGARET.

 
Frau Marthe!

MARTHE.

 
                                   Gretelchen, was soll’s?

MARGARET.

 
Fast sinken mir die Kniee nieder!
 
Da find’ ich so ein Kästchen wieder
 
In meinem Schrein, von Ebenholz,
 
Und Sachen herrlich ganz und gar,
 
Weit reicher, als das erste war.

MARTHE.

 
Das muß Sie nicht der Mutter sagen;
2880
Tät’s wieder gleich zur Beichte tragen.

MARGARET.

 
Ach seh’ Sie nur! ach schau’ Sie nur!

MARTHE
(
putzt sie auf
)
.

 
O du glücksel’ge Kreatur!

MARGARET.

 
Darf mich, leider, nicht auf der Gassen,
 
Noch in der Kirche mit sehen lassen.

MARTHE.

 
Komm du nur oft zu mir herüber,
 
Und leg den Schmuck hier heimlich an;
 
Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,
 
Wir haben unsre Freude dran;
 
Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest,
2890
Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen läßt.
 
Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;
 
Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor.

MARGARET.

 
Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?
 
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
 
        (
Es klopft
.)
 
Ach Gott! mag das meine Mutter sein?

MARTHE
(
durchs Vorhängel guckend
)
.

 
Es ist ein fremder Herr—Herein!
 
        (
MEPHISTOPHELES
tritt auf
.)

MEPHISTOPHELES.

 
Bin so frei, grad’ hereinzutreten,
 
Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.
 
        (
Tritt ehrerbietig vor
MARGARETEN
zurück
)
 
Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!

MARTHE.

2900
Ich bin’s, was hat der Herr zu sagen?

MEPHISTOPHELES
(
leise zur ihr
)
.

 
Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;
 
Sie hat da gar vornehmen Besuch.
 
Verzeiht die Freiheit, die ich genommen,
 
Will Nachmittage wiederkommen.

MARTHE
(
laut
)
.

 
Denk, Kind, um alles in der Welt!
 
Der Herr dich für ein Fräulein hält.

MARGARET.

 
Ich bin ein armes junges Blut;
 
Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
 
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.

MEPHISTOPHELES.

2910
Ach, es ist nicht der Schmuck allein;
 
Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!
 
Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf.

MARTHE.

 
Was bringt Er denn? Verlange sehr—

MEPHISTOPHELES.

 
Ich wollt’, ich hätt’ eine frohere Mär!
 
Ich hoffe, Sie läßt mich’s drum nicht büßen:
 
Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen.

MARTHE.

 
Ist tot? das treue Herz! O weh!
 
Mein Mann ist tot! Ach, ich vergeh’!

MARGARET.

 
Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!

MEPHISTOPHELES.

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