»Das ist von Zodiac«, stellte Toschi seufzend fest. »Dann machen wir uns mal wieder an die Arbeit.«
»Wer waren das neunte und zehnte Opfer?«, fragte er sich. »Wenn der Mörder Kathleen Johns ebenfalls als Opfer mitzählte - wer war dann das andere?«
Am Freitag, dem 13. März 1970, war Marie Antoinette Anstey vom Parkplatz des Coronado Inn in Vallejo entführt worden. Ihre nackte Leiche wurde am 21. März im Lake County in der Nähe einer abgelegenen Landstraße gefunden. Man hatte ihr Meskalin gegeben, ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt und sie dann ertrinken lassen.
Das Verbrechen zeigte einige der üblichen Details der Zodiac-Morde: Es geschah an einem Wochenende in der Nähe eines Gewässers, und es waren keine Spuren von sexuellem Missbrauch zu erkennen. Das Coronado Inn war jenes Lokal, das Darlene Ferrin, das dritte Zodiac-Opfer, gern nach der Arbeit besuchte. Mir fiel auf, dass die Morde bisher stets an Orten verübt worden waren, die schon im Namen irgendeinen Bezug zu Wasser aufwiesen:
Lake
Herman Road, Blue Rock
Springs
,
Lake
Berryessa und Washington Street, die ganz in der Nähe der
Lake
Street lag. War
Lake
County ebenfalls ein Glied in der Kette?
Die Polizei fand besonders einen Hinweis in Zodiacs Brief sehr interessant: »Ich habe bis jetzt zehn Leute erledigt. Es wären schon viel mehr …«, aber »Wir hatten hier leider eine kleine Überflutung durch den starken Regen.« Er selbst war also durch den Regen behindert worden; er sagte nicht, dass der Regen seine jungen Opfer daran gehindert hätte, einen möglichen Tatort aufzusuchen. Hatte vielleicht der Regen den Keller überflutet, in dem er seine Bomben bastelte, wie er behauptete? Konnte es sein, dass er in einer abgelegenen Gegend lebte, die eine Zeit lang von der Außenwelt abgeschnitten gewesen war?
Toschi und Armstrong überprüften nun Verdächtige, die in Gegenden wohnten, die in letzter Zeit überflutet gewesen waren.
Mittwoch, 29. April 1970
Der
Chronicle
erhielt den zehnten Zodiac-Brief, der am Tag zuvor kurz nach Mittag in San Francisco aufgegeben worden war. Die Zeitung verzichtete jedoch zunächst darauf, ihn abzudrucken, weil Chief Al Nelder vorher noch eine wichtige Entscheidung zu treffen hatte.
Seit der Mörder vergangenen November zum ersten Mal seine »Todesmaschine« erwähnt hatte - er tat dies in seinem siebten Brief -, hatten die Zeitungen nie etwas von dieser Bombe erwähnt, um Panik zu vermeiden, wie sie nach der Ermordung von Paul Stine aufgetreten war, als Zodiac drohte, einen ganzen Schulbus voller Kinder auszulöschen. Nun drohte der Killer damit, dass er tatsächlich einen Bus in die Luft sprengen würde, wenn seine Bombendrohung nicht an die Öffentlichkeit gelangte.
Toschi und Armstrong studierten den Brief, der erneut auf eine der dümmlichen Grußkarten geschrieben war, die Zodiac so gern an die Zeitungen schickte.
Die Karte, die übrigens hier zum ersten Mal wiedergegeben ist, zeigte zwei alte Goldsucher. Der erste, der auf einem kleinen Packesel saß, sagte zum zweiten: »Tut mir Leid für dich, dass dein Esel ein Drache ist.« (sinngemäß: »dass du so dumm dastehst«. Der Übersetzer). Der zweite Goldsucher ritt auf einem erschöpften Drachen.
Darüber hatte der Killer geschrieben:
Ich hoffe, ihr
habt auch
so viel Spaß
wie ich
wenn ich
es krachen
lasse.
P.S. auf der
Rückseite
Auf der Rückseite der Karte stand:
Wenn ihr die Explosion verhindern wollt
müsst ihr zwei Dinge tun. 1 Erzählt allen
von meiner Busbombe, in allen Einzelheiten.
2 Ich möchte in der Stadt ein paar schöne
Zodiac-Buttons sehen. Jeder hat heutzutage
schon solche Buttons, zum Beispiel mit dem
Friedenssymbol, Black Power, »Melvin eats
Bluber« etc. Nun, ich fände es lustig
wenn möglichst viele meinen Button
tragen würden. Aber bitte keine boshaften
wie die für Melvin.
Danke
Es sah ganz danach aus, als hätte Zodiac seinen Respekt für Melvin Belli verloren.
Am Ende des Briefes hatte der stämmige Mann noch sein Emblem gemalt, zum zweiten Mal in diesem Brief. Er wollte damit zeigen, wie er sich seinen Button vorstellte.
Chief Nelder war zwar der Meinung, dass der Bombenentwurf im neunten Brief nur ein Bluff war, aber er setzte trotzdem eine Pressekonferenz an. »Ich habe nicht die Absicht, die Öffentlichkeit zu verunsichern, aber dieser Kerl hat nun verlangt, dass wir die Bombe erwähnen - andernfalls würde er einen Schulbus in die Luft sprengen. Ich habe alle Aspekte des Problems abgewogen und bin zu dem Schluss gekommen, dass diese Information an die Öffentlichkeit gelangen sollte.«
Die Zeitungen hatten bisher immer nur Teile der Zodiac-Briefe veröffentlicht und versuchten nun eine allgemeine Panik zu verhindern, indem sie die Bombenpläne als sehr zweifelhaft bezeichneten. Der Entwurf der Bombe, den Zodiac mitgeschickt hatte, wurde nie abgedruckt.
Es wurden auch nie irgendwelche Zodiac-Buttons hergestellt.
Freitag, 8. Mai 1970
In Santa Rosa wurde ein K-Mart-Supermarkt evakuiert, nachdem eine telefonische Bombendrohung von einem Mann, der sich als Zodiac bezeichnete, hereingekommen war. Genau ein Jahr zuvor hatte in derselben Stadt bereits ein Mann, der sich Zodiac nannte, mit einem Bombenanschlag gedroht.
Freitag, 22. Mai 1970
In einer Pressekonferenz in Los Angeles sagte Florence E. Douglas, die Bürgermeisterin von Vallejo und Anwärterin auf die Kandidatur der Demokraten zur bevorstehenden Gouverneurswahl: »Ich glaube, dass man im Mordfall Darlene Ferrin einige Hinweise übersehen hat.« Sie versprach, ihren ganzen Einfluss geltend zu machen, um eine Wiederaufnahme des Falles zu erwirken. Sie war der Ansicht, dass es sich um einen vorsätzlichen Mord handelte.
Darlenes Mutter hatte sich an Christopher Harris, den Agenten des Hellsehers Joseph DeLouise, gewandt und ihm mitgeteilt, dass ihr Darlene noch am Abend ihres Todes gesagt hätte: »Es kann sein, dass du morgen etwas über mich in der Zeitung liest.« Sowohl Harris als auch DeLouise waren überzeugt, dass Darlene ihren Mörder gekannt hatte. Harris nahm an der Pressekonferenz mit Bürgermeisterin Douglas teil und wurde als freier Schriftsteller vorgestellt.
Ich kannte Harris bereits, weil er sich in Vallejo durch neugierige Fragen zum Zodiac-Fall selbst verdächtig gemacht hatte. Die Polizei war jedoch überzeugt, dass er absolut nichts mit den Zodiac-Verbrechen zu tun hatte.
»Die Ermittlungen im Mordfall Darlene Ferrin waren zweifelsohne völlig unzureichend«, betonte Harris auf der Pressekonferenz. »Zu diesem Schluss bin ich gekommen, nachdem ich mit Ermittlungsbeamten und Verantwortlichen der Polizei in der Region Vallejo-Napa sowie mit Darlene Ferrins Mutter und Bürgermeisterin Florence E. Douglas gesprochen habe. Als ich in Vallejo war, fiel mir auf, dass sich die Polizei überhaupt nicht um die scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten kümmerte. Ich bin der festen Überzeugung, dass das gerade bei diesem Mordfall notwendig wäre, weil darin wichtige Hinweise verborgen sind. Die Polizei hätte sich vor allem eingehend mit der Persönlichkeit von Darlene Ferrin beschäftigen müssen.
Es gibt eine Menge Fragen im Zusammenhang mit ihrem Tod, die man völlig außer Acht gelassen hat. So beweist etwa die Tatsache, dass der Mörder eine Taschenlampe benutzt hat, dass er sichergehen wollte, die Richtige zu treffen. Ich kann der Ansicht nicht zustimmen, dass er sich bloß vergewissern wollte, sein Opfer getötet zu haben. Wenn der Mordfall Darlene Ferrin wieder aufgenommen wird, so hätte das gewiss einen starken Einfluss auf die gestörte Psyche des Mörders, und man könnte davon ausgehen, dass ihn das aus der Reserve locken und schließlich zu seiner Überführung führen würde.«
In Vallejo wurden die Ermittlungen im Mordfall Ferrin jedenfalls fortgesetzt. Doch die Tatsache, dass die Suche nach dem Täter bislang ergebnislos verlaufen war, hatte für das Police Department die Konsequenz, dass eine ganze Reihe von personellen Veränderungen vorgenommen wurden.
Montag, 29. Juni 1970
Es dauerte zwei Monate, bis Zodiac einen weiteren Brief an den
Chronicle
schickte. Von diesem Brief wurden übrigens bisher nur kleine Teile veröffentlicht. Er trug den Poststempel von San Francisco und war am 26. Juni aufgegeben worden.
Der elfte Brief hatte folgenden Wortlaut:
Hier spricht der Zodiac
Ich bin wirklich sauer auf die
Leute in der San Fran Bay
Area. Sie sind meinem Wunsch
nicht nachgekommen, schöne
-Buttons zu tragen.
Ich habe versprochen sie zu
bestrafen wenn sie’s nicht tun,
indem ich einen vollen Schulbuss
auslösche. Aber jetzt sind Ferien,
also habe ich sie auf andere
Weise bestraft. Ich habe einen
Mann in einem geparkten Wagen
mit einer Achtunddreißiger erschossen.
-12 SFPD-0
Die Karte, die ich meinem Geheimtext
beigelegt habe, zeigt euch, wo
die Bombe liegt. Ihr habt biss
Herbst Zeit, um draufzukommen.
Officer Richard Radetich, 25 Jahre alt von der San Francisco Police, war mit einer Pistole Kaliber 38 erschossen worden, als er am Freitagmorgen in einem geparkten Wagen gesessen hatte, um einen Strafzettel zu schreiben. Im Morddezernat war man überzeugt, dass Zodiac in diesem Fall nicht als Täter infrage kam. »Wenn er jetzt andeutet, dass er Radetich erschossen hat, dann lügt er. Es wurde sogar schon ein Haftbefehl erlassen«, sagte einer der Detectives.
Zodiacs Karte, eigentlich eine abgeänderte Straßenkarte des Mineralölkonzerns Phillips 66, wies auf den Gipfel des Mount Diablo im Contra Costa County hin. Besonders interessant fand ich, dass Zodiac eine Phillips-Straßenkarte gewählt hatte; Darlenes erster Ehemann hatte Phillips geheißen.
In seinem neuen Brief sprach Zodiac von zwölf Opfern. Die Ermittlungsbeamten erwogen die Möglichkeit, dass die Karte nicht die Stelle anzeigte, an der die Bombe versteckt war, sondern dass er dort sein Opfer Nummer zwölf vergraben haben könnte. In Anlehnung an sein eigenes Kreuz-im-Kreis-Symbol hatte er ein Kompass-Symbol gezeichnet, das von einem kleinen Quadrat in der Mitte der Karte ausging. Die Phillips-Karte war nicht detailliert genug, dass man ihr hätte entnehmen können, was sich an der Stelle des Quadrates befand, also sah ich auf einer größeren Karte nach und stellte fest, dass sich genau in der Mitte von Zodiacs Karte auf dem südlichen Gipfel des Berges die Naval Radio Station befand, eine große Sendeanlage.
Man überlegte schon seit längerem, dass Zodiac der Navy angehören könnte und zwischen seinen Morden auf See war, sodass er unauffindbar war. Vielleicht arbeitete der wahnsinnige Serienmörder ja auch in der Sendeanlage, wenn er an Land war. Wenn es so war, dann stand er vielleicht nachts wie ein König auf dem Gipfel des Berges und blickte auf die Gegend der San Francisco Bay hinunter, die sich zu seinen Füßen erstreckte, während er von einem Nachthimmel umgeben war, an dem all die Symbole der Astrologie in Wirklichkeit zu sehen waren. Nach dem Bürgerkrieg hatte man den Mt. Diablo benutzt, um die geografische Länge und Breite für die Bay Area zu bestimmen.
Die folgende zweizeilige Geheimbotschaft, die zur Karte gehörte, fügte Zodiac seinem Brief bei: