Zodiac (28 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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Aufgrund des Gedichts auf dem Schreibtisch wusste die Polizei, dass Zodiac »vor oder nach dem Verbrechen« in der Bibliothek gewesen war. Bestand der grobe Schnitzer des Mörders in der Tatsache, dass die Buchstaben
r
und
h
auf dem Schreibtisch seine Initialen waren? Wer war »r. h.«? Oder standen die Buchstaben für »red herring«, was so viel wie »Ablenkungsmanöver« oder »falsche Spur« bedeutet? Oder vielleicht für Rhesusfaktor (Rh)?

 

Dienstag, 24. November 1970

 

Zwölf Tage zuvor hatte Morrill sieben Handschriftenproben des Mannes erhalten, den die Polizei von Riverside für den Mörder von Cheri Jo Bates hielt. Nachdem er mit der Überprüfung fertig war, stand für ihn fest, dass es keine Übereinstimmung gab.

 

 

 

Freitag, 27. November 1970

 

Morrills Ergebnis bewog die Polizei zu folgender Feststellung: »Ein Experte hat die Handschrift unseres Hauptverdächtigen mit der des Zodiac-Killers verglichen und dabei festgestellt, dass keine Übereinstimmung besteht. Das heißt jedoch nicht, dass der Verdächtige das Mädchen nicht getötet haben kann. Es bedeutet lediglich, dass der Mann aus Riverside nicht der Zodiac-Killer ist.«

 

1

 

Zodiac

 

Montag, 15. März 1971

 

In der Zeit nach Zodiacs Morddrohung an ihn war Paul Avery sogar im lokalen Fernsehen aufgetreten und hatte den Mörder provoziert, wobei ihm die Pistole, die er stets in einem verborgenen Holster unter dem Jackett trug, zusätzliche Sicherheit verlieh. Nachdem er jedoch am 3. Januar 1971 die Waffe erstmals gezogen hatte, um einen Obdachlosen vor einem Messerangriff zu schützen, begann er sich ernsthaft Gedanken zu machen. »Indem ich eine Waffe trug, begab ich mich in eine Position, in der ich früher oder später zwangsläufig von ihr Gebrauch machen würde«, verriet er mir. »Deshalb habe ich mich wieder von dem Ding getrennt.«

Vier Monate nachdem Avery die »Riverside Connection« des Zodiac-Killers enthüllt hatte, bekam die
Los Angeles Times
ihren ersten Brief von dem Serienmörder.

Zum ersten Mal trug der Umschlag nicht den Poststempel von San Francisco. Er war in Pleasanton, einer kleinen Stadt im Alameda County, aufgegeben worden. Auch diesmal war der Brief mit dem doppelten Porto versehen. Auf dem Umschlag stand der Appell »Please Rush to Editor« (Bitte rasch an den Chefredakteur weiterleiten). Die Worte »AIR Mail« nahmen ein Drittel des Umschlags ein. Es war der mittlerweile sechzehnte Brief des Killers. Er hatte diesmal ein Papier verwendet, das in Kalifornien besonders geläufig war.

Wie immer begann der Brief mit den Worten: »Hier spricht der Zodiac.«

 

Wie ich immer schon gesagt habe
ich bin in Sicherheit. Wenn die
blauen Idioten mich jemals
erwischen wollen, dann sollten sie ihre
fetten Ärsche in Bewegung setzen &
etwas tun. Denn je länger sie nur
die Zeit vertrödeln, umso mehr Sklaven
werde ich für mein Leben nach dem Tod
sammeln. Dass sie auf meine Aktivitäten
in Riverside gestoßen sind, ist immerhin
etwas, aber sie finden immer nur das heraus,
was leicht zu erkennen ist, es gäbe noch
viel, viel mehr zu entdecken.
Der Grund, warum ich an die Times schreibe,
ist: sie lassen mich nicht auf den hinteren
Seiten verkümmern wie einige andere.
SFPD - 0 -17+

 

Einige Psychiater der Bay Area, mit denen Avery sprach, vermuteten, dass die Opfer, mit denen Zodiac prahlte, nur auf dem Papier existierten. »Seine immer größere Zahl von ›Sklaven‹, mit denen er sich brüstet«, meinte ein Psychiater, »ist möglicherweise nichts als Prahlerei.«

Egal ob diese Vermutung nun zutraf oder nicht, Toschi und Armstrong mussten dennoch weiter ihren mühsamen Ermittlungen nachgehen.

In der Nähe des Pacific Union College war das Auto eines Mädchens an der White Cottage Road gefunden worden; das tragbare Radio auf dem Autositz war eingeschaltet. Einundzwanzig Studenten des PUC, unter ihnen auch Bryan Hartnell, machten sich zu Fuß auf die Suche nach der Vermissten. Als es zu schneien begann und immer kälter wurde, setzte man einen Spürhund ein. Es dauerte acht Tage, bis man die Leiche in der zerklüfteten Landschaft fand. Sie lag nur rund 75 Meter von dem verlassenen Wagen entfernt in der Nähe der Howell Mountain Road unter einer Schicht von Buschwerk und Ästen und einem zerrissenen Kleidersack. Die Tote war in eine amerikanische Fahne gehüllt. An der linken Seite des Kopfes hatte sie eine blutige Wunde von einem Schlag und um den Hals eine zugezogene Drahtschlinge. Bei der Toten wurde ein Armband gefunden, das sie als Schlüsselring verwendet hatte; der Mörder hatte alle Schlüssel mitgenommen. So wie Cecelia Ann Shepard war auch dieses Mädchen in einer abgelegenen bewaldeten Gegend ermordet worden.

Obwohl mit der zwanzig Jahre alten Lynda Kanes nun schon die zweite Studentin vom PUC innerhalb von zwei Jahren ermordet worden war, versicherte Sheriff Earl Randol den Studentinnen und Studenten, dass sie nicht gefährdeter seien als andere Bürger. Randol betonte, dass es keinerlei Hinweise gäbe, dass Zodiac für dieses Verbrechen verantwortlich sei.

Man fand einen Verdächtigen in St. Helena, ein Durchsuchungsbefehl wurde erlassen, man stellte das Haus des Mannes auf den Kopf und nahm eine Reihe von nicht näher bezeichneten Gegenständen zur Überprüfung mit. Es kam jedoch nichts dabei heraus.

 

Montag, 22. März 1971

 

Nur eine Woche später traf eine gewöhnliche Vier-Cent-Postkarte beim
Chronicle
ein. Sie war wieder an Paul Avery adressiert und enthielt auch diesmal Zeitungsausschnitte mit Bildern sowie einzelnen Sätzen oder Wortgruppen.

Unter anderem fanden sich da Aussagen wie »Suchte Opfer Nr. 12«, »guckt zwischen den Kiefern hindurch«, »vorbei am LAKE TAHOE«, »Sierra Club« und »im Schnee herum«. Zodiac hatte die Ränder der Karte mit Löchern verziert, die mit einer Lochzange halbmondförmig ausgestanzt waren. Auf die Rückseite war eine künstlerische Darstellung aufgeklebt, bei der es sich, wie man später herausfand, um eine Anzeige für »Forrest Pines« handelte, eine Wohnanlage, die gerade bei Incline Village am Nordufer des Lake Tahoe, Nevada, gebaut wurde.

Opfer Nummer zwölf könnte demnach die fünfundzwanzigjährige Donna Lass gewesen sein, eine hübsche blonde Krankenschwester, die seit dem 6. September 1970 als vermisst galt, seitdem sie nach ihrer Arbeit vom Sahara Hotel in Stateline, Nevada, aufgebrochen war. Der Wagen der jungen Frau wurde in der Nähe ihrer kleinen Wohnung gefunden, es gab jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass sie von jemandem angegriffen worden wäre. Alles, was fehlte, waren ihre Handtasche und die Kleider, die sie getragen hatte. Ein unbekannter männlicher Anrufer hatte Donnas Vermieter und Arbeitgeber am Tag ihres Verschwindens telefonisch mitgeteilt, dass sie aufgrund eines Krankheitsfalles in der Familie kurzfristig wegmusste. Die Familie versicherte schließlich der Polizei, dass niemand erkrankt war; der Anrufer hatte offenbar gelogen.

Die Ermittlungsbeamten in San Francisco und Nevada recherchierten telefonisch und versuchten, dahinterzukommen, was mit den rätselhaften Worten »im Schnee herum« gemeint sein konnte. War Donna vielleicht in der Nähe der neuen Wohnanlage ermordet und begraben worden? Die Anzeige für die Wohnungen war erst zwei Tage zuvor im
Chronicle
abgedruckt worden.

Morrill berichtete Toschi, dass alles, was von Hand auf die Karte geschrieben war, »mit allen handgeschriebenen Nachrichten [von Zodiac] übereinstimmt, die ich bisher untersucht habe.«

»Da es keinen anderen Verdächtigen in diesem Fall gibt«, meinte Polizeichef Ray Lauritzen von der South Lake Tahoe Police, »ist die Zodiac-Theorie so gut wie jede andere. Nach der Postkarte an den
Chronicle
werden wir diese Möglichkeit jedenfalls mit Sicherheit prüfen. Wir haben von Anfang an vermutet, dass Miss Lass entführt wurde und nicht mehr am Leben ist. Es wäre nicht ihre Art, einfach abzuhauen - sie war, im besten Sinne des Wortes, ein braves Mädchen.«

 

Freitag, 25. März 1971

 

Die Suche nach der Leiche musste wegen des starken Schneefalls verschoben werden. Es wurde im Grunde nie eine wirklich organisierte Suche gestartet; man hat Donna Lass bis heute nicht gefunden.

Toschi fragte sich, ob die Wendung »guckt zwischen den Kiefern hindurch« eine Aufforderung des Mörders sein mochte, auf der Zeichnung nach der Stelle zu suchen, an der das Mädchen begraben war. Makabrerweise war im Vordergrund ein Mann zu sehen, der mit einer Schaufel in der Erde grub.

»Niemand hat mich je befragt. Es hat mich eigentlich gewundert, dass mir die Polizei überhaupt keine Fragen gestellt hat«, gestand mir Donna Lass’ frühere Mitbewohnerin Jo Anne Jahre später. Ich fragte sie, ob Donna irgendwelche Verbindungen zu Riverside hatte. Sie erzählte mir, dass sie und Donna öfters mit zwei Männern aus Riverside zusammen gewesen seien, als sie in San Francisco gelebt hatten. Die Polizei hatte sich nie mit Donnas Zeit in San Francisco beschäftigt.

»Donna und ich, wir arbeiteten im Letterman General Hospital im Presidio. Donna war bis Juni 1970 dort und kam dann an den Lake Tahoe, wo sie drei Monate später verschwand«, berichtete Jo Anne.

Da war also auch der Bezug zum Presidio. Paul Stine war in der Nähe des Presidio ermordet worden, und Zodiac war dort verschwunden. Wenn Zodiac in nordöstlicher Richtung weitergegangen wäre, so wäre er zum Mallorca Way 225 gekommen, wo Donna und Jo Anne einige Monate später wohnen sollten. Konnte es sein, dass der Mörder 1969 selbst in der Gegend gewohnt hatte? Hatte er Donna vielleicht dort getroffen, um ihr Monate später in einen anderen Bundesstaat zu folgen und sie dort zu töten?

 

Mittwoch, 7. April 1981

 

Ich sah mir im Golden Gate Theater einen billig gemachten Film über Zodiac an. Er lief nur eine Woche und wurde von nicht einmal tausend Leuten gesehen. Ein mürrischer Lastwagenfahrer (Bob Jones) ist in dem Film einer der Verdächtigen, doch am Ende wird ein junger Mann (Hal Reed) als Zodiac entlarvt. Der Film endet mit der Andeutung, dass der Zodiac-Killer auch der Mann sein könnte, der im Kino hinter dir sitzt.

Da Zodiac tatsächlich ein Filmfan und ein absoluter Egomane war und weil der Streifen nur ein sehr begrenztes Publikum erreichte, standen die Chancen gar nicht so schlecht, dass er tatsächlich eines Tages im Kino hinter einem sitzen könnte.

Der
Chronicle
-Reporter Duffy Jennings erzählte mir von einem Preisausschreiben, das sich die Produzenten des Zodiac-Films einfallen hatten lassen. Sie stellten den Kinobesuchern den Gewinn eines Motorrades in Aussicht, wenn sie auf einer Karte in höchstens fünfundzwanzig Worten den folgenden Satz ergänzten: »Ich glaube, dass Zodiac getötet hat, weil …«

»Man nahm an, dass der echte Zodiac neugierig und eitel genug sein könnte, um sich den Film anzusehen - und so stellte man im Foyer eine riesige Schachtel zum Einwerfen der ausgefüllten Karten auf«, berichtete Jennings, »und in der Schachtel hockte ein Mann, der jede einzelne Karte las, die durch den Schlitz kam. Sobald irgendeine verdächtige Karte hereinkam, insbesondere eine von jemandem, der behauptete, der Killer zu sein, so würde der Mann in der Schachtel über eine Sprechanlage das Kino-Management anrufen.«

Auch wenn keine derartige Botschaft hinterlassen wurde, studierte die Polizei doch alle abgegebenen Karten, um eine eventuelle Ähnlichkeit mit der Handschrift der Zodiac-Briefe festzustellen.

Ein wirklich guter Zodiac-Film wurde im Jahr 1971 unter der Regie von Don Siegel produziert. In diesem Streifen mit dem Titel »Dirty Harry« sucht Clint Eastwood in der Art von Inspektor Toschi nach einem vermummten Scharfschützen, der sich »Scorpio« nennt. Der Film basiert auf den Fakten des Zodiac-Falles; sogar Scorpios Briefe an den
Chronicle
zeigen die Handschrift des Zodiac.

 

Sonntag, 11. April 1971

 

Mit Jeans und weißer Bluse bekleidet und mit einem Taschenbuch und einem Feldstecher ausgerüstet, setzte sich die achtzehnjährige Kathy Bilek in das Auto ihrer Eltern und fuhr in den Villa-Montalvo-Park knapp außerhalb der Stadtgrenze von Saratoga. Sie stellte den Wagen auf dem Parkplatz des botanischen Gartens ab und spazierte zu einem kleinen Bach, wo sie ihren Krimi lesen und zwischendurch die Vögel in der dicht bewaldeten Gegend beobachten konnte. Es war dies derselbe Ort, an dem am 3. August 1969 Kathy Snoozy und Deborah Furlong mit insgesamt dreihundert Messerstichen ermordet worden waren.

Während sie las, pirschte sich von hinten jemand im hohen Gras an, bis er in Reichweite war. Der Mann, der mit einem Messer mit kurzer Klinge bewaffnet war, stach von hinten siebzehn Mal zu. Als sie zu Boden sank, versetzte er ihr weitere 32 Messerstiche in Brust und Bauch, ohne aber ihre Brüste zu treffen.

Als das Mädchen vermisst gemeldet wurde, fand die Polizei ihren Wagen, konnte aber aufgrund der Dunkelheit die Suche nicht fortsetzen. Es war schließlich Kathys Vater Charles, der am frühen Morgen des folgenden Tages ihre Leiche fand, während 30 Assistenten des Sheriffs wenige Meter entfernt suchten. Der Mörder hatte sie in einen flachen Graben geworfen. Als am nächsten Tag ein Suchtrupp die Gegend nach irgendwelchen Hinweisen durchkämmte, fand man Überreste ihrer blutigen Kleider.

Die Gerichtsmediziner von Santa Clara sahen eine Verbindung zu den Morden an Kathy Snoozy und Deborah Furlong zwei Jahre zuvor, sie bezeichneten es sogar als exakte Kopie dieser Morde.

Zwei Wochen später erhielt die Polizei die Beschreibung eines verdächtigen Mannes, der öfter in der Gegend des Tatortes gesehen worden war. Die Suche führte zu einem gewissen Karl F. Werner, einem Mann mit kurzem blondem Haar und Hornbrille, der einst zusammen mit Snoozy und Furlong die Oak Grove High School besucht hatte und drei Blocks von den beiden Mädchen entfernt gewohnt hatte. Er hatte auch einmal zu den Verdächtigen im Fall eines Messerangriffs auf eine Frau gezählt.

Mit einem Durchsuchungsbefehl ausgerüstet, überraschten die Ermittlungsbeamten Karl Werner, der am San Jose City College studierte und sich gerade auf eine Physikprüfung vorbereitete. Sie fanden ein Messer bei ihm und nahmen den Achtzehnjährigen zu den Tatorten mit. Im September bekannte er sich in allen drei Fällen schuldig und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

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