DeLouise, auch als »Prophet der Einzelheiten« bekannt, sprach in einem Exklusivinterview mit Bud Kressin vom
Vallejo Times-Herald
und teilte ihm mit, was er aus einer Entfernung von über dreitausend Kilometern gesehen habe.
»Ich empfange immer wieder das Wort ›Berkeley‹«, sagte DeLouise am Telefon. »Ich sehe nicht, dass er aus Vallejo stammt oder dort lebt. Vielmehr empfange ich starke Schwingungen, die mir sagen, dass er in Berkeley lebt oder vor kurzem dort gelebt hat. Ich spüre auch, dass er innerlich sehr nervös ist. Er fährt nicht gern mit dem Auto; lieber geht er zu Fuß. Ich weiß auch nicht, warum ich dieses Gefühl habe, dass er sehr verwirrt ist und dass man ihm helfen könnte. Ich spüre auch, dass er eine kleine Schatulle hat, in der er Dinge aufbewahrt. Ich sehe irgendetwas mit Steinen. Er sollte sich von diesen Dingen trennen. Wenn er die Dinge in seiner Schatulle ansieht und berührt, bringt ihn das dazu, schreckliche Dinge zu tun. Ich spüre, dass er sich davon trennen müsste, um sich endlich stellen zu können.
Zodiac tut das alles, weil er nie jemanden hatte, der ihn unterstützte. Als Jugendlicher war er im Erziehungsheim. Es fehlte ihm das Vorbild einer Vaterfigur. Mit dreizehn passierte etwas Einschneidendes in seinem Leben, weil man ihn zu Unrecht irgendeiner Tat beschuldigte. Ich spüre, dass er damals nichts dafür konnte.«
Seit fast einem Monat sah das Medium immer wieder Bilder des Zodiac vor seinem geistigen Auge, die nach kurzer Zeit wieder verschwammen. Das Bild, das ihm am klarsten in Erinnerung blieb, war das eines achtundzwanzig Jahre alten Mannes, der etwa einen Meter dreiundsiebzig groß und zwischen sechzig und fünfundsechzig Kilo schwer war, er wirkte eher schmächtig. Der Mörder hatte dunkelbraunes seidiges Haar, das er normalerweise zu einer Tolle frisierte, als Tarnung aber auch nach vorne gekämmt trug. »Ich glaube nicht, dass Zodiac eine Brille trägt«, stellte DeLouise fest. »Er ist zu eitel dafür, auch wenn er vielleicht eine bräuchte. Die Brille dient ihm nur als Verkleidung.«
Der Hellseher aus Chicago spürte, dass Zodiac Drogen nahm, die sein Gehirn beschädigt und in ihm einen Verfolgungswahn ausgelöst hätten - Drogen, die ihn in Euphorie versetzten, wenngleich er im Fall des Berryessa-Mordes ein Beruhigungsmittel genommen haben dürfte. DeLouise berichtete von »Schwingungen«, die ihm mitgeteilt hätten, dass Zodiac vor seinen Morden »Speed und Goofballs« nahm.
»Der Mann sendet Botschaften«, behauptete das Medium. »Nur Menschen mit einer gewissen Fähigkeit zur übersinnlichen Wahrnehmung können einen solchen Draht zueinander entwickeln. Ich hoffe, ich kann ihm irgendwie klar machen, dass ich ihm helfen will.«
DeLouise war bereit, mit der Polizei von Chicago zusammenzuarbeiten, um ein neues Phantombild auf der Grundlage seiner Vision zu erstellen. Der Seher meinte, dass der Mörder Skorpion oder Wassermann sein könnte, weil er immer wieder die Zahlen »11-2« und »2-11« empfange, was so viel wie 11. Februar oder 2. November bedeuten könne.
Nachdem er weiterhin den Eindruck hatte, dass sich der Killer stellen wollte, beschloss DeLouise, auf eigene Kosten in die Bay Area zu kommen, um dazu beizutragen, dass Zodiac endlich seinen inneren Frieden finden könne.
Dienstag, 20. Januar 1970
DeLouise traf um zwei Uhr nachmittags in Vallejo ein und begab sich geradewegs zum Police Department. Er wurde an den Tatort der Jensen-Faraday-Morde geführt, wobei sich natürlich die Frage stellte, ob es die lange Zeit, die seit dem Verbrechen verstrichen war, nicht unmöglich machte, irgendwelche Schwingungen zu empfangen. DeLouise versicherte den ein wenig skeptischen Polizisten, dass Zeit bei übersinnlicher Wahrnehmung keine Rolle spiele.
Als Nächstes traf DeLouise mit der Polizei von Napa zusammen, die ihm die Einzelheiten des Mordes am Lake Berryessa schilderte. DeLouise empfing Schwingungen, die den Mörder umgeben von Pferden und einem weißen Hund zeigten; er spürte große Einsamkeit, eine Liebe zu Blumen und einen grenzenlosen Hass auf die Polizei. Der Seher äußerte die Vermutung, dass sich der Mörder möglicherweise irgendwann bei der Polizei beworben hatte und nicht genommen wurde oder dass er einmal ambulanter Patient einer Nervenheilanstalt gewesen sein könnte. Die Worte »roth« und »field« blitzten vor dem geistigen Auge des Hellsehers auf, und dazu sah er das Bild einer kleinen Brücke 15 Kilometer südlich der Stadt. Er konnte jedoch nicht sagen, welche Bedeutung diese Einzelheiten für die Lösung des Rätsels rund um die Identität des Zodiac-Killers hatten.
»Ich bleibe bis zum Wochenende«, teilte er der Polizei mit, »aber ich werde in San Francisco wohnen. Ich spüre, dass es für mich gefährlich werden könnte, wenn ich hier in Vallejo bliebe. Ich kann nicht erklären, warum das so ist - ich spüre es ganz einfach.«
In San Francisco erlaubte man DeLouise nicht, irgendwelche Beweisstücke vom Mordfall Stine zu berühren, und so konnte er keinerlei Schwingungen empfangen. »Manchmal sehe ich etwas, wenn ich einfach nur Dinge berühre, die mit der Sache zu tun haben«, versicherte er. »Man nennt dieses Phänomen Psychometrie.« Die Polizei ließ sich jedoch nicht umstimmen.
Drei Tage lang redete der Mann im Radio und Fernsehen dem Mörder zu, sich zu stellen, doch es kam keine Reaktion - und DeLouise kehrte schließlich wieder nach Chicago zurück.
9
Kathleen Johns
Sonntag, 15. März 1970
In Santa Rosa wurden zwischen drei und vier Uhr nachts drei Autofahrerinnen unabhängig voneinander von einem Mann erschreckt. Zehn Minuten nach fünf Uhr hielt die Polizei einen Mann an, dessen Wagen und Kennzeichen den Angaben der Frauen entsprachen.
Er wurde als Bewohner von Vallejo identifiziert, der einen weißen Chevrolet fuhr. Der Mann, »ungefähr dreiundzwanzig Jahre alt«, wurde in der Fourth Street angehalten, nachdem er einer Frau bis auf den Parkplatz des Postamts gefolgt war. Er behauptete, dass er sich verfahren habe und eine Straße suche, die aus der Stadt führte.
Die Polizei ließ den Mann laufen und geleitete ihn aus der Stadt.
Dienstag, 17. März 1970
Eine Frau aus Vallejo war gerade unterwegs zum Luftstützpunkt Travis, als sie merkte, dass ein weißer Chevrolet ganz dicht hinter ihr herfuhr. Der Fahrer sah sie unentwegt an und begann schließlich, »Lichtsignale zu geben und zu hupen«, um sie zum Anhalten zu bewegen.
Sie trat jedoch aufs Gas und konnte den Wagen schließlich auch abschütteln.
Sonntag, 22. März 1970
Mrs. Kathleen Johns zog ihre zehn Monate alte Tochter Jennifer an und verließ um 19 Uhr ihr Haus in San Bernardino, um nach Petaluma zu fahren, einem kleinen Dorf, in dem die meisten Einwohner von der Milchwirtschaft lebten. Kathleen wollte ihre kranke Mutter besuchen, die dort lebte. Sie fuhr die Strecke lieber am Abend, wenn das Baby schlief.
Sie fuhr auf dem staubigen Interstate Highway 5 zum Highway 99, durchquerte Fresno, Merced und Modesto, wo sie nach links zum Highway 132, einer relativ schwach befahrenen Straße, abbog. Im Rückspiegel fiel ihr ein Auto auf, das schon seit Modesto hinter ihr herzufahren schien. »Es war ganz bestimmt kein neuer Wagen«, erzählte sie mir später.
Es war kurz vor Mitternacht, als Kathleen schließlich langsamer wurde, um das Auto vorbeizulassen. Der Fahrer hinter ihr gab plötzlich Lichtsignale und hupte. Kathleen fuhr jedoch weiter, worauf der Fremde beschleunigte, die Fahrspur wechselte und neben ihrem dreizehn Jahre alten braun-weißen Chevrolet-Kombi herfuhr. Er rief ihr durch das offene Fenster auf der Beifahrerseite zu, dass ihr linkes Hinterrad eiern würde.
Kathleen, die im siebten Monat schwanger war, hatte wenig Lust, auf einer so schwach befahrenen Straße, noch dazu in Gegenwart eines Fremden, stehen zu bleiben.
»Es war eine zweispurige Straße«, schilderte sie mir später. »Der Mann gab ununterbrochen Lichtsignale. Mein Wagen war eine echte Klapperkiste, dass ich schon befürchtete, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ich blieb aber trotzdem nicht stehen, weil es mir hier draußen zu gefährlich erschien. Und so fuhr ich noch ein Stück weiter und hielt erst beim Interstate 5 an.«
Kathleen fuhr in der Maze Road an den Straßenrand, und der helle Wagen hielt direkt hinter ihr.
»Ein glatt rasierter und gut gekleideter Mann« stieg mit einem Radmutternschlüssel in der Hand aus, kam auf sie zu und zeigte dabei auf ihr Hinterrad. »Er war um die dreißig«, berichtete sie.
»Er wirkte auf mich recht vertrauenswürdig«, erzählte Kathleen. »Ja, ich dachte mir sogar, dass er vielleicht ein Service-Techniker sein könnte. Er machte einen so anständigen Eindruck. Außerdem kam er auch gleich mit dem Werkzeug in der Hand aus dem Wagen.«
»Ihr linkes Hinterrad eiert«, sagte er mit ruhiger Stimme und lehnte sich an ihre Wagentür, während er zu ihr hereinblickte. »Ich ziehe die Muttern an, wenn Sie möchten.«
Kathleen wandte sich ihrem schlafenden Baby zu und zog die Decke etwas höher, ehe sie aus dem Fenster blickte und in der Dunkelheit etwas zu erkennen versuchte.
»Keine Sorge«, sagte der Mann und ging zum Heck ihres Kombis. »Ich bringe das gern für Sie in Ordnung.« Kathleen hörte, wie er an dem Rad arbeitete, konnte ihn jedoch nicht sehen.
Nach einer Weile stand er auf und trat wieder zu ihr ans Fenster. »Okay, das müsste reichen«, sagte er, winkte ihr zu und ging zu seinem Wagen zurück.
»Er stieg in den Wagen und fuhr los«, berichtete Kathleen später.
Sie war gerade ein paar Meter gefahren, als sich ihr linkes Hinterrad löste und in die Büsche neben der Straße rollte.
Kathleen stellte den Motor ab, ließ den Schlüssel im Zündschloss stecken und stieg aus, um nachzusehen, was passiert war. Unterdessen war der Fremde zurückgekommen und hielt vor ihrem Wagen an. Er stieg aus und lief auf sie zu. Zum ersten Mal konnte sie den Mann gut erkennen, als er in das Licht ihrer Scheinwerfer trat.
»O nein, es ist schlimmer, als ich dachte!«, sagte er. »Ich fahre Sie zur nächsten Tankstelle.«
Kathleen blickte die Straße hinunter und sah wenige hundert Meter entfernt das Licht einer hell beleuchteten ARCO-Tankstelle.
»Kommen Sie«, forderte er sie freundlich auf. »Ich fahre Sie hin, das ist schon okay.«
»Ich wäre nie zu ihm in den Wagen gestiegen, wenn ich ein ungutes Gefühl dabei gehabt hätte«, erzählte sie mir später. »Ich weiß noch, dass ich ihm erzählt habe, wohin ich unterwegs war, und ich glaube, er wollte auch dahin.«
Kathleen nahm die kleine Jennifer und stieg in den Wagen des Mannes ein. Als sie losfuhren, sah sie, dass das Licht an ihrem Wagen noch eingeschaltet war, und ihr fiel ein, dass sie auch den Autoschlüssel hatte stecken lassen. Der Mann lächelte, als sie es erwähnte, und ging zu ihrem Wagen zurück, wo er das Licht ausschaltete und den Schlüssel abzog. Dann fuhr er los - doch er hielt nicht bei der ARCO-Tankstelle an.
»Als er an der Tankstelle vorbeifuhr, dachte ich mir nicht viel dabei. Ich habe auch nichts gesagt«, berichtete Kathleen. »Als er auch an der nächsten Ausfahrt vorbeifuhr, dämmerte mir allmählich, dass irgendetwas nicht stimmte. Solange er nichts sagte, schwieg ich auch. Wir kamen noch an einigen Ausfahrten vorbei, bis er schließlich von der Straße abfuhr - aber ich sagte auch jetzt noch nichts. Er war es ja, der am Lenkrad saß.«
Der Mann bog in eine staubige verlassene Landstraße ein. Immer noch sprach keiner von ihnen ein Wort. Die Windjacke des Mannes war offen, und sein weißes Hemd leuchtete im Mondlicht. Der Mann bremste ab und fuhr an den Straßenrand, um aber gleich wieder zu beschleunigen. Dieses Manöver wiederholte er mehrere Male. Kathleen dachte, dass er einen Annäherungsversuch starten wollte.
Schließlich brach sie das Schweigen: »Fahren Sie oft durch die Gegend, um den Leuten auf diese Art zu helfen?«, fragte sie sarkastisch.
»Wenn ich mit ihnen fertig bin, brauchen sie keine Hilfe mehr«, entgegnete der Mann in verändertem Ton, während er zu dem dunklen Wald in der Ferne hinüberblickte.
Kathleen sah die bedrohlichen dunklen Formen der Bäume und gelegentlich ein Bauernhaus draußen vorbeihuschen. Nach einer halben Stunde wandte sich der Fremde plötzlich ihr zu. »Wissen Sie«, begann er, »Sie werden sterben. Ich werde Sie töten.«
»Dann sagte er: ›Ich werde das Baby hinauswerfen‹«, schilderte Kathleen weiter. »Ich war eigentlich schon über den Punkt hinaus, wo man sich vor Angst in die Hosen macht. Ich dachte einfach nur nach, was ich tun sollte. Am besten, so überlegte ich, war es wohl, ihm fürs Erste nicht zu widersprechen, um ihn nicht zu reizen. Insgesamt waren wir wohl zwei bis drei Stunden auf diesen einsamen Landstraßen unterwegs.«
Der Mann fuhr mit der verängstigten Frau durch die Nacht, ohne viel zu sprechen. Nur hin und wieder wandte er sich ihr zu und sagte: »Wissen Sie, ich werde Sie töten«, oder, »Sie werden sterben.«
Kathleen wusste, dass er es ernst meinte. »Seine Augen waren so völlig ausdruckslos«, sagte sie.
Obwohl sich alles in ihrem Kopf drehte, als sie neben dem Mann im Wagen saß, konnte sie sich später doch an viele Details erinnern. Als Erstes fiel ihr auf, dass seine Schuhe so blank poliert waren, dass sich das gelbe Licht im Wageninneren in ihnen spiegelte. »Sie sahen irgendwie aus wie Navy-Schuhe. Sein ganzes Äußeres hat mich an die Navy erinnert.«
Er trug eine blauschwarze Windjacke und eine Schlaghose aus schwarzer Wolle. Seine schwarze Brille mit dem dicken Rahmen war mit einem dünnen elastischen Band am Kopf fixiert. An seinem Kinn hatte er Narben, die von Akne stammten.
»Seine Nase war nicht besonders klein«, berichtete sie, »und sein Kinn war recht ausgeprägt. Sein braunes Haar trug er in einem Bürstenschnitt - das war wahrscheinlich der Grund, warum ich annahm, dass er etwas mit dem Militär zu tun haben musste. Er war durchschnittlich gebaut und so um die fünfundsiebzig Kilo schwer.
Ich hatte das Gefühl, dass ihm gar nicht bewusst war, was er tat. So als wäre er tagsüber ein ganz normaler Mensch, der keine Ahnung hatte, was er nachts manchmal trieb. Der Mann war offenbar krank.«
Es war eine Vollmondnacht und Kathleen versuchte, möglichst viele Einzelheiten aufzunehmen. Sein Wagen war ein amerikanisches Fabrikat mit den alten schwarzgelben kalifornischen Nummernschildern. Im Inneren des hellen Wagens herrschte eine ziemliche Unordnung. Auf den Sitzen lagen Bücher, Papiere und sogar Kleider herum, und selbst das Armaturenbrett war voll mit irgendwelchem Kram. Es handelte sich größtenteils um Männerkleider, doch es waren auch einige kleine T-Shirts dabei, wie zehn- bis zwölfjährige Kinder sie trugen.