Wir sprachen kein Wort, aber Leo hielt immer noch die Patronenhülse im Handschuh. Wenn ich zauderte, der Nässe und Kälte wegen umkehren wollte, öffnete er die Faust, ließ das Stückchen Metall auf dem Handteller hüpfen, lockte mich so hundert Schritt und noch einmal hundert Schrittchen weiter und gab sich sogar musikalisch, als ich kurz vor dem Stadtgut Saspe einen wirklichen Rückzug beschloß. Auf dem Absatz drehte er, hielt die Patronenhülse mit der offenen Seite nach oben, drückte das Loch wie das Mundstück einer Flöte gegen seine untere, reichlich ausladende Sabberlippe und mischte einen heiseren, bald schrillen, bald wie vom Nebel gedämpften Ton in den immer intensiver einsetzenden Regen. Oskar fror. Nicht nur die Musik auf der Patronenhülse machte ihn frieren, auch das, wie auf Bestellung, der Stimmung wegen hundsmiserable Wetter trug dazu bei, daß ich mir kaum Mühe gab, mein jämmerliches Frieren zu verbergen.
Was lockte mich alles gen Brösen? Gut, jener Rattenfänger Leo, der auf einer Patronenhülse pfiff.
Aber es pfiff mir noch mehr. Von der Reede und von Neufahrwasser her, das hinter novemberlichem Waschküchennebel lag, reichten die Sirenen der Dampfer und das hungrige Geheul eines ein-oder auslaufenden Torpedobootes über Schottland, Schellmühl und Reichskolonie zu uns herüber, so daß Leo leichtes Spiel hatte, einen frierenden Oskar mit Nebelhörnern, Sirenen und pfeifender Patronenhülse nach sich zu ziehen.
Etwa auf der Höhe des gegen Pelonken einschwenkenden Drahtzaunes, der den Flugplatz vom Neuen Exerzierplatz und den Zingelgräben trennte, blieb Schugger Leo stehen, beobachtete eine Zeit lang mit schräg gehaltenem Kopf und über die Patronenhülse fließendem Seiber meinen bibbernd fliegenden Körper. Die Hülse saugte er an, hielt sie mit der Unterlippe, zog sich, einer Eingebung folgend, wild mit den Armen stoßend, den geschwänzten Bratenrock aus und warf mir den schweren, nach feuchter Erde riechenden Stoff über Kopf und Schultern.
Wir machten uns wieder auf den Weg. Ich weiß nicht, ob Oskar weniger fror. Manchmal sprang Leo fünf Schritte voraus, blieb stehen, gab in seinem vielknitterigen, doch erschreckend weißen Hemd eine Figur ab, die auf abenteuerliche Weise mittelalterlichen Verliesen, etwa dem Stockturm entsprungen sein mochte, in grellem Hemd so dem Irrsinn die Mode vorschrieb. Sobald Leo den torkelnden Oskar im Bratenrock erblickte, brach er immer wieder in ein Gelächter aus, das er jedesmal flügelschlagend, einem krächzenden Raben gleich, beendete. Ich muß in der Tat einen komischen Vogel, wenn nicht einen Raben, dann eine Krähe abgegeben haben, zumal mir die Schöße des Rockes ein Stück Weg hinterherhingen, einer Schleppe gleich die Asphaltdecke der Straße aufwischten; ich hinterließ eine breit majestätische Spur, die Oskar schon nach dem zweiten Blick über die Schulter stolz machte und eine in ihm schlummernde, noch nicht ganz ausgetragene Tragik andeutete, wenn nicht versinnbildlichte.
Schon auf dem Max-Halbe-Platz ahnte ich, daß Leo mich nicht nach Brösen oder Neufahrwasser zu führen gedachte. Als Ziel dieses Fußmarsches kamen von Anfang an nur der Friedhof Saspe und die Zingelgräben in Frage, in deren unmittelbarer Nähe sich ein moderner Schießstand der Schutzpolizei befand.
Von Ende September bis Ende April fuhren die Straßenbahnen der Seebäderlinien nur alle fünfunddreißig Minuten. Als wir die letzten Häuser des Vorortes Langfuhr hinter uns ließen, kam uns eine Bahn ohne Anhänger entgegen. Gleich darauf überholte uns jener Straßenbahnwagen, der an der Weiche Magdeburger Straße auf die Gegenbahn hatte warten müssen. Kurz vor dem Friedhof Saspe, neben dem man eine zweite Weiche eingerichtet hatte, wurden wir erst klingelnd überholt, dann kam uns ein Wagen entgegen, den wir schon lange im Dunst hatten warten sehen, weil der, der schlechten Sicht wegen, ein feuchtgelbes Stirnlicht führte.
Noch das flach mürrische Gesicht des Straßenbahnführers der Gegenbahn im Auge bewahrend, wurde Oskar vom Schugger Leo von der Asphaltstraße durch lockeren Sand geführt, der schon den Sand der Stranddünen ahnen ließ. Ein quadratisches Viereck bildend schloß eine Mauer den Friedhof ein. Ein Pförtchen nach Süden hin, mit viel verschnörkeltem Rost, nur andeutungsweise verschlossen, erlaubte uns den Eintritt. Leo ließ mir leider keine Zeit, die verrutschten, zum Sturz geneigten oder schon auf der Nase liegenden Grabsteine, die zumeist aus hinten und an den Seiten grobbossiertem, vorne geschliffenem, schwarzschwedischem Granit oder Diabas geschlagen waren, genauer zu betrachten.
Fünf oder sechs verarmte, auf Umwegen gewachsene Strandkiefern ersetzten den Baumschmuck des Friedhofes. Mama hatte zu Lebzeiten von der Straßenbahn aus diesem verfallenen Plätzchen vor allen anderen stillen Orten den Vorzug gegeben. Nun lag sie auf Brenntau. Der Boden war fettiger dort; es wuchsen Ulmen und Ahorn.
Durch ein offenes, gitterloses Pförtchen in der nördlichen Mauer führte mich Leo vom Friedhof, bevor ich zwischen dem stimmungsvollen Verfall Fuß fassen konnte. Gleich hinter der Mauer standen wir auf planem Sandboden. Ginster, Kiefern, Hagebuttensträucher schwammen gegen die Küste hin überdeutlich in einer dampfenden Brühe. Gegen den Friedhof blickend, fiel mir sofort auf, daß ein Stück der Nordmauer frisch gekalkt war.
Leo tat geschäftig vor der neu wirkenden, wie sein knittriges Hemd schmerzlich grellen Wand.
Angestrengt große Schritte machte er, schien die Schritte zu zählen, zählte laut und, wie Oskar heute noch glaubt, auf lateinisch. Auch sang er den Text, wie er es auf dem Priesterseminar gelernt haben mochte. Etwa zehn Meter von der Mauer entfernt markierte Leo einen Punkt, legte auch kurz vor dem getünchten und, wie ich mir denken konnte, geflickten Putz ein Stück Holz hin, tat das alles mit der linken Hand, denn rechts hielt er die Patronenhülse, und endlich, nach längstem Suchen und Messen, placierte er dicht bei dem entfernten Stück Holz jenes hohle, vorne etwas verengte Metall, welches einen Bleikern so lange beherbergt hatte, bis jemand mit gekrümmtem Zeigefinger, den Druckpunkt gesucht, ohne durchzureißen, dem Blei die Wohnung gekündigt und den todbringenden Umzug befohlen hatte.
Wir standen und standen. Schugger Leo ließ seinen Seiber fließen und Fäden ziehen. Er verschränkte die Handschuhe ineinander, gab anfangs noch etwas gesungenes Latein von sich, schwieg dann, da niemand da war, der sich der Responsorien mächtig erweisen konnte. Auch drehte sich Leo, äugte ärgerlich ungeduldig über die Mauer zur Brösener Landstraße, warf immer dann den Kopf in jene Richtung, wenn die zumeist leeren Straßenbahnen an der Weiche hielten, klingelnd einander auswichen und voneinander Abstand nahmen. Wahrscheinlich erwartete Leo Leidtragende. Aber weder zu Fuß noch mit der Bahn kam jemand, dem er mit seinem Handschuh Beileid reichen konnte.
Einmal brummten über uns zur Landung ansetzende Flugzeuge. Wir blickten nicht auf, erlitten den Motorenlärm und wollten uns nicht überzeugen lassen, daß da mit blinkenden Lichtern an den Flügelspitzen drei Maschinen vom Typ Ju 52 zur Landung ansetzten.
Kurze Zeit nachdem uns die Motoren verlassen hatten — die Stille war ähnlich peinigend, wie die Mauer uns gegenüber weiß war — zog Schugger Leo, in sein Hemd greifend, etwas hervor, stand gleich darauf neben mir, riß sein Krähengewand von Oskars Schultern, sprang in Richtung Ginster, Hagebutten, Strandkiefern, gegen die Küste davon und ließ im Davonspringen mit deutlich abgesetzter Geste, die auf einen Finder baute, etwas fallen.
Erst als Leo endgültig verschwunden war — er geisterte im Vorfeld herum, bis ihn milchige, am Boden klebende Nebelschwaden verschluckten — erst als ich mich ganz allein mit dem Regen fand, griff ich mir das im Sand steckende Stückchen Karton: es war die Skatkarte Pique Sieben.
Wenige Tage nach dem Treffen auf dem Sasper Friedhof traf Oskar seine Großmutter Anna Koljaiczek auf dem Langfuhrer Wochenmarkt. Nachdem es bei Bissau keine Zoll-und Landesgrenze mehr gab, konnte sie wieder ihre Eier, Butter, auch Grünkohl und Winteräpfel auf den Markt bringen.
Die Leute kauften gerne und viel, denn die Bewirtschaftung der Lebensmittel stand kurz bevor und förderte das Anlegen von Vorräten. Im gleichen Moment, da Oskar seine Großmutter hinter ihrer Ware hocken sah, spürte er die Skatkarte auf bloßer Haut unter Mantel, Pullover und Leibchen. Zuerst hatte ich Pique Sieben zerreißen wollen, als ich mit der Straßenbahn, von einem Schaffner zur kostenlosen Heimfahrt aufgefordert, von Saspe zurück zum Max-Halbe-Platz fuhr.
Oskar zerriß die Karte nicht. Er gab sie seiner Großmutter. Sie wollte hinter ihrem Grünkohl erschrecken, als sie ihn sah. Vielleicht dachte sie, der Oskar bringt nichts Gutes. Dann jedoch winkte sieden Dreijährigen, der sich hinter Fischkörben halb versteckt hielt, zu sich heran. Oskar machte Umstände, besichtigte erst einen lebenden Pomuchel, der auf feuchtem Seetang lag und fast einen Meter maß, wollte Taschenkrebsen aus dem Ottominer See zusehen, die zu Dutzenden in einem Körbchen immer noch fleißig den Krebsgang übten; da übte Oskar selbst diese Fortbewegungsart, näherte sich mit der Rückseite seines Matrosenmantels dem Stand seiner Großmutter und zeigte ihr erst die goldenen Ankerknöpfe, als er gegen einen der hölzernen Böcke unter ihren Auslagen stieß und die Äpfel ins Rollen brachte.
Schwerdtfeger kam mit den heißen, in Zeitungspapier gewickelten Ziegeln, schob sie meiner Großmutter unter die Röcke, holte mit dem Schieber wie eh und je die kalten Ziegel hervor, machte einen Strich auf die ihm anhängende Schiefertafel, wechselte zum nächsten Stand, und meine Großmutter reichte mir einen blanken Apfel.
Was konnte Oskar ihr geben, wenn sie ihm einen Apfel gab? Er reichte ihr zuerst die Skatkarte und dann die Patronenhülse, die er gleichfalls auf Saspe nicht hatte liegen lassen wollen. Lange und verständnislos starrte Anna Koljaiczek die beiden so verschiedenen Gegenstände an. Da näherte sich Oskars Mund ihrem knorpeligen Altfrauenohr unter dem Kopftuch, und ich flüsterte, alle Vorsicht beiseite lassend, an Jans rosiges, kleines, aber fleischiges Ohr mit dem langen wohlausgebildeten Läppchen denkend: »Er liegt auf Saspe«, flüsterte Oskar und stürzte, eine Kiepe mit Grünkohl umreißend, davon.
Während die Geschichte lauthals Sondermeldungen verkündend wie ein gutgeschmiertes Gefährt Europas Straßen, Wasserwege und Lüfte befuhr, durchschwamm und fliegend eroberte, liefen meine Geschäfte, die sich ja nur auf das bloße Zertrommeln gelackter Kinderbleche beschränkten, schlecht, zögernd, überhaupt nicht mehr. Während die anderen mit teurem Metall verschwenderisch um sich warfen, ging mir wieder einmal das Blech aus. Zwar war es Oskar gelungen, aus der Polnischen Post ein neues, kaum angekratztes Instrument zu retten und somit der Verteidigung der Post einen Sinn zu geben, aber was konnte mir, der ich in meinen besten Zeiten knappe acht Wochen gebraucht hatte, um Blech in Schrott zu verwandeln, was konnte Oskar also die Blechtrommel des Herrn Naczalnik Junior bedeuten!
Gleich nach der Entlassung aus den Städtischen Krankenanstalten begann ich, den Verlust meiner Krankenschwestern beklagend, heftig wirbelnd zu arbeiten und arbeitend zu wirbeln. Der verregnete Nachmittag auf dem Friedhof Saspe ließ mein Handwerk nicht etwa zur Ruhe kommen, im Gegenteil, Oskar verdoppelte seine Anstrengungen und setzte all seinen Fleiß in die Aufgabe, den letzten Zeugen seiner Schmach angesichts der Heimwehrleute, die Trommel zu vernichten.
Aber die hielt stand, gab mir Antwort, schlug, wenn ich draufschlug, anklagend zurück.
Merkwürdigerweise kam mir während solcher Schlägerei, die ja nur bezweckte, einen bestimmten, zeitlich begrenzten Teil meiner Vergangenheit auszuradieren, immer wieder der Geldbriefträger Viktor Weluhn in den Sinn, obgleich der als Kurzsichtiger kaum gegen mich zeugen konnte. Aber war ihm als Kurzsichtigem nicht die Flucht geglückt? Verhielt es sich etwa so, daß die Kurzsichtigen mehr sehen, daß Weluhn, den ich meistens den armen Viktor nenne, meine Gesten wie einen schwarzweißen Schattenriß abgelesen, meine Judastat erkannt hatte und Oskars Geheimnis und Schande nun auf der Flucht mit sich und in alle Welt trug?
Erst Mitte Dezember verloren die Beschuldigungen des mir anhängenden lackierten und rotgeflammten Gewissens an Überzeugungskraft: Der Lack zeigte Haarrisse, blätterte ab. Das Blech wurde mürbe, dünn und riß, ehe es durchsichtig wurde. Wie immer, wenn etwas leidet und sich dem Ende entgegenmüht, möchte der dem Leid beiwohnende Augenzeuge das Leid verkürzen, ein schnelleres Ende herbeiführen. Oskar beeilte sich während der letzten Adventwochen, arbeitete, daß die Nachbarn und Matzerath sich den Kopf hielten, wollte bis zum Heiligen Abend fertig sein mit seiner Abrechnung; denn für den Heiligen Abend erhoffte ich mir ein neues, unbelastetes Blech.
Ich schaffte es. Am Tage vor dem vierundzwanzigsten Dezember konnte ich mir ein zerknülltes, haltlos schepperndes rostiges, an ein zusammengefahrenes Auto erinnerndes Etwas vom Leib und auch von der Seele nehmen; es war, wie ich hoffte, nun auch für mich die Verteidigung der Polnischen Post endgültig zusammengeschlagen.
Nie hat ein Mensch — wenn Sie bereit sind, in mir einen Menschen zu sehen — ein enttäuschenderes Weihnachtsfest erlebt als Oskar, dem unterm Weihnachtsbaum eine Bescherung zuteil wurde, der es an nichts mangelte, außer an einer Blechtrommel.
Ein Baukasten lag da, den ich nie geöffnet habe. Ein Schwan zum Schaukeln sollte ein ganz besonderes Geschenk darstellen und mich zum Lohengrin machen. Wohl um mich zu ärgern, hatte man drei oder vier Bilderbücher auf den Gabentisch zu legen gewagt. Allein brauchbar wollten mir ein Paar Handschuhe, Schnürstiefel und ein roter Pullover, den Gretchen Scheffler gestrickt hatte, vorkommen. Bestürzt ließ Oskar den Blick vom Baukasten zum Schwan gleiten, starrte den drollig gemeinten Teddybären der Bilderbücher auf die allerlei Instrumente haltenden Pfoten. Da hielt doch solch ein niedlich verlogenes Biest eine Trommel, sah aus, als könnte es trommeln, als finge es sogleich an mit einer Trommeleinlage, als wäre es schon mitten drin in der Trommelei; und ich hatte einen Schwan, aber keine Trommel, hatte wahrscheinlich mehr als tausend Bauklötze, doch keine einzige Trommel, hatte Fausthandschuhe für enorm frostige Winternächte, aber nichts in den Handschuhfäusten, das ich rund, glatt, eiskalt gelackt und blechern in die Winternacht hinaustragen durfte, damit der Frost etwas Heißes zu hören bekam!
Oskar dachte sich: Matzerath hält das Blech noch versteckt. Oder Gretchen Scheffler, die mit ihrem Bäcker zum Vertilgen unserer Weihnachtsgans gekommen ist, sitzt darauf. Sie wollen erst meine Freude an dem Schwan, an Bauklötzen und Bilderbüchern genießen, bevor sie mit dem wahren Schatz herausrücken. Ich gab nach, blätterte wie ein Narr in den Bilderbüchern, schwang mich auf den Rücken des Schwanes und schaukelte, zutiefst Abscheu empfindend, wenigstens eine halbe Stunde lang. Dann ließ ich mir noch den Pullover trotz überheizter Wohnung anpassen, schlüpfte mit Gretchen Schefflers Hilfe in die Schnürstiefel — inzwischen waren noch die Greffs eingetroffen, weil die Gans für sechs Personen gedacht war — und nach dem Verschlingen jener mit Backobst gefüllten, vom Matzerath meisterhaft zubereiteten Gans, während des Nachtisches — Mirabellen und Birnen — verzweifelt ein Bilderbuch haltend, das Greff mir zu den vier anderen Bilderbüchern gelegt hatte, nach Suppe, Gans, Rotkohl, Salzkartoffeln, Mirabellen und Birnen, angeatmet von einem Kachelofen, der es in sich hatte, sangen wir alle — und Oskar sang mit — ein Weihnachtslied und noch eine Strophe, freue Dich, und Ohtannenbaumohtannenbaumwiegrünsinddeineklingglöckchenklinge-lingelingallejahrewieder und wollte nun endlich — draußen bemühten sie schon die Glocken — meine Trommel wollte ich haben — die betrunkene Bläsergemeinschaft, zu der früher auch der Musiker Meyn gehört hatte, blies, daß die Eiszapfen von den Fenstergesimsen... ich aber wollte haben, und sie gaben nicht, rückten nicht raus damit, Oskar: »Ja!« die anderen: »Nein!« — da schrie ich, ich hatte schon lange nicht mehr geschrien, da feilte ich mir nach längerer Pause wieder einmal meine Stimme zu einem spitzen, Glas ritzenden Instrument und tötete nicht etwa Vasen, nicht Biergläser und Glühbirnen, keine Vitrine schnitt ich auf, nahm keiner Brille die Sehkraft — vielmehr hatte meine Stimme etwas gegen alle am Ohtannenbaum prangenden, Feststimmung verbreitenden Kugeln, Glöckchen, leichtzerbrechlichen Silberschaumgebläse, Weihnachtsbaumspitzen: klingklang und klingelingeling machend zerstäubte der Christbaumschmuck. Auch lösten sich überflüssigerweise mehrere Kehrbleche Tannennadeln. Die Kerzen aber brannten still und heilig weiter, und Oskar bekam trotzdem keine Blechtrommel.