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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (47 page)

BOOK: Faust
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FAUST.

 
Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
2600
Das Frauenbild war gar zu schön!

MEPHISTOPHELES.

 
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
 
Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
 
        (
Leise
.)
 
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
 
Bald Helenen in jedem Weibe.
STRASSE

Faust, Margaret vorübergehend
.

FAUST.

 
Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
 
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?

MARGARET.

 
Bin weder Fräulein, weder schön,
 
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
 
        (
Sie macht sich los und ab
.)

FAUST.

 
Beim Himmel, dieses Kind ist schön!
2610
So etwas hab’ ich nie gesehn.
 
Sie ist so sitt- und tugendreich,
 
Und etwas schnippisch doch zugleich.
 
Der Lippe Rot, der Wange Licht,
 
Die Tage der Welt vergess’ ich’s nicht!
 
Wie sie die Augen niederschlägt,
 
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
 
Wie sie kurz angebunden war,
 
Das ist nun zum Entzücken gar!
 
        (
MEPHISTOPHELES
tritt auf
.)

FAUST.

 
Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!

MEPHISTOPHELES.

 
Nun, welche?

FAUST.

2620
                                   Sie ging just vorbei.

MEPHISTOPHELES.

 
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
 
Der sprach sie aller Sünden frei;
 
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei.
 
Es ist ein gar unschuldig Ding,
 
Das eben für nichts zur Beichte ging;
 
Über die hab’ ich keine Gewalt!

FAUST.

 
Ist über vierzehn Jahr doch alt.

MEPHISTOPHELES.

 
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
 
Der begehrt jede liebe Blum’ für sich,
2630
Und dünkelt ihm, es wär’ kein’ Ehr’
 
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär’;
 
Geht aber doch nicht immer an.

FAUST.

 
Mein Herr Magister Lobesan,
 
Lass’ Er mich mit dem Gesetz in Frieden!
 
Und das sag’ ich Ihm kurz und gut:
 
Wenn nicht das süße junge Blut
 
Heut nacht in meinen Armen ruht,
 
So sind wir um Mitternacht geschieden.

MEPHISTOPHELES.

 
Bedenkt, was gehn und stehen mag!
2640
Ich brauche wenigstens vierzehn Tag’,
 
Nur die Gelegenheit auszuspüren.

FAUST.

 
Hätt’ ich nur sieben Stunden Ruh’,
 
Brauchte den Teufel nicht dazu,
 
So ein Geschöpfchen zu verführen.

MEPHISTOPHELES.

 
Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;
 
Doch bitt’ ich, laßt’s Euch nicht verdrießen:
 
Was hilft’s, nur grade zu genießen?
 
Die Freud’ ist lange nicht so groß,
 
Als wenn Ihr erst herauf, herum,
2650
Durch allerlei Brimborium,
 
Das Püppchen geknetet und zugericht’t,
 
Wie’s lehret manche welsche Geschicht’.

FAUST.

 
Hab’ Appetit auch ohne das.

MEPHISTOPHELES.

 
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.
 
Ich sag’ Euch: mit dem schönen Kind
 
Geht’s ein für allemal nicht geschwind.
 
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;
 
Wir müssen uns zur List bequemen.

FAUST.

 
Schaff mir etwas vom Engelsschatz!
2660
Führ mich an ihren Ruheplatz!
 
Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,
 
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!

MEPHISTOPHELES.

 
Damit Ihr seht, daß ich Eurer Pein
 
Will förderlich und dienstlich sein,
 
Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
 
Will Euch noch heut in ihr Zimmer führen.

FAUST.

 
Und soll sie sehn? sie haben?

MEPHISTOPHELES.

 
                                                  Nein!
 
Sie wird bei einer Nachbarin sein.
 
Indessen könnt Ihr ganz allein
2670
An aller Hoffnung künft’ger Freuden
 
In ihrem Dunstkreis satt Euch weiden.

FAUST.

 
Können wir hin?

MEPHISTOPHELES.

 
                                   Es ist noch zu früh.

FAUST.

 
Sorg du mir für ein Geschenk für sie!
 
(
Ab
.)

MEPHISTOPHELES.

 
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssieren!
 
Ich kenne manchen schönen Platz
 
Und manchen altvergrabnen Schatz;
 
Ich muß ein bißchen revidieren.
 
(
Ab
.)
ABEND

Ein kleines reinliches Zimmer
.

MARGARET
(
ihre Zöpfe flechtend und aufbindend
)
.

 
Ich gäb’ was drum, wenn ich nur wüßt’,
 
Wer heut der Herr gewesen ist!
2680
Er sah gewiß recht wacker aus,
 
Und ist aus einem edlen Haus;
 
Das konnt’ ich ihm an der Stirne lesen
 
Er wär’ auch sonst nicht so keck gewesen.
 
(
Ab
.)
 
        (
MEPHISTOPHELES, FAUST
.)

MEPHISTOPHELES.

 
Herein, ganz leise, nur herein!

FAUST
(
nach einigem Stillschweigen
)
.

 
Ich bitte dich, laß mich allein!

MEPHISTOPHELES
(
herumspürend
)
.

 
Nicht jedes Mädchen hält so rein.
 
(
Ab
.)

FAUST.

 
Willkommen, süßer Dämmerschein,
 
Der du dies Heiligtum durchwebst!
 
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein,
2690
Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!
 
Wie atmet rings Gefühl der Stille,
 
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
 
In dieser Armut welche Fülle!
 
In diesem Kerker welche Seligkeit!
 
        (
Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette
.)
 
O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon
 
Bei Freud’ und Schmerz im offnen Arm empfangen!
 
Wie oft, ach! hat an diesem Väterthron
 
Schon eine Schar von Kindern rings gehangen!
 
Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ,
2700
Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
 
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
 
Ich fühl’, o Mädchen, deinen Geist
 
Der Füll’ und Ordnung um mich säuseln,
 
Der mütterlich dich täglich unterweist,
 
Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt,
 
Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.
 
O liebe Hand! so göttergleich!
 
Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.
 
Und hier!
 
        (
Er hebt einen Bettvorhang auf
.)
 
              Was faßt mich für ein Wonnegraus!
2710
Hier möcht’ ich volle Stunden säumen.
 
Natur! hier bildetest in leichten Träumen
 
Den eingebornen Engel aus!
 
Hier lag das Kind, mit warmem Leben
 
Den zarten Busen angefüllt,
 
Und hier mit heilig reinem Weben
 
Entwirkte sich das Götterbild!
 
Und du! Was hat dich hergeführt?
 
Wie innig fühl’ ich mich gerührt!
 
Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?
2720
Armsel’ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
 
Umgibt mich hier ein Zauberduft?
 
Mich drang’s, so grade zu genießen,
 
Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
 
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
 
Und träte sie den Augenblick herein,
 
Wie würdest du für deinen Frevel büßen!
 
Der große Hans, ach wie so klein!
 
Läg’, hingeschmolzen, ihr zu Füßen.

MEPHISTOPHELES
(
kommt
)
.

 
Geschwind! ich seh’ sie unten kommen.

FAUST.

2730
Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!

MEPHISTOPHELES.

 
Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,
 
Ich hab’s wo anders hergenommen.
 
Stellt’s hier nur immer in den Schrein,
 
Ich schwör’ Euch, ihr vergehn die Sinnen;
 
Ich tat Euch Sächelchen hinein,
 
Um eine andre zu gewinnen.
 
Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel.

FAUST.

 
Ich weiß nicht, soll ich?

MEPHISTOPHELES.

 
                                                  Fragt Ihr viel?
 
Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren?
2740
Dann rat’ ich Eurer Lüsternheit,
 
Die liebe schöne Tageszeit
 
Und mir die weitre Müh’ zu sparen.
 
Ich hoff’ nicht, daß Ihr geizig seid!
 
Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Händen—
 
        (
Er stellt das Kästchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu
.)
 
Nur fort! geschwind!—,
 
Um Euch das süße junge Kind
 
Nach Herzens Wunsch und Will’ zu wenden;
 
Und Ihr seht drein,
 
Als solltet Ihr in den Hörsaal hinein,
2750
Als stünden grau leibhaftig vor Euch da
 
Physik und Metaphysika!
 
Nur fort!
 
(
Ab
.)

MARGARET
(
mit einer Lampe
)
.

 
Es ist so schwül, so dumpfig hie,
 
        (
Sie macht das Fenster auf
.)
 
Und ist doch eben so warm nicht drauß.
 
Es wird mir so, ich weiß nicht wie—
 
Ich wollt’, die Mutter käm’ nach Haus.
 
Mir läuft ein Schauer übern ganzen Leib—
 
Bin doch ein töricht furchtsam Weib!
 
        (
Sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht
.)
 
              Es war ein König in Thule
2760
              Gar treu bis an das Grab,
 
              
Dem sterbend seine Buhle
 
              Einen goldnen Becher gab.
BOOK: Faust
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