Drei Teenager - Debra, Roger und Jerry - waren gerade mit ihrem Wagen unterwegs, um einen Freund von Roger zu suchen. Sie waren nach Blue Rock Springs gekommen, nachdem sie zuvor im Zentrum von Vallejo gefeiert hatten. Als sie an dem Parkplatz vorbeikamen, fiel ihnen Darlenes Corvair auf, und sie dachten zuerst, ihren Freund hier zu finden.
Schließlich merkten sie aber, dass das nicht sein Wagen war, und wollten schon weiterfahren, als sie plötzlich einen erstickten Schrei hörten. Debra wendete ihren Wagen und bekam den Corvair ins Licht ihrer Scheinwerfer. Da sahen sie einen Mann, der sich offenbar verletzt am Boden wand.
Debra fuhr etwas näher heran, hielt aber vorsichtshalber in einigem Abstand von dem Fremden an. Die drei jungen Leute sprangen aus dem Wagen und liefen zu dem Mann am Boden hinüber.
»Sind Sie verletzt?«
»Ja«, brachte Mike mühsam hervor, »man hat auf mich geschossen. Und auf sie auch. Holt einen Arzt.«
»Gut«, sagte Jerry, »machen wir sofort.«
»Schnell.«
Roger wollte bei Mike bleiben, doch Debra und Jerry drängten ihn, zu Jerrys Haus mitzukommen, von wo sie die Polizei rufen wollten. Als der braune Kombi den Parkplatz verließ und auf dem Columbus Parkway davonbrauste, glaubten die drei jungen Leute die Rücklichter eines Autos zu erkennen, das sich auf der Lake Herman Road entfernte.
Als sie bei Jerry zu Hause waren, rief Debra die Polizei an und berichtete, was sie gesehen hatten. Sie warteten eine Weile und fuhren dann zu Jerrys Onkel, der selbst Polizist war. Der Mann fragte nach und erfuhr, dass bereits ein Wagen zum Ort des Geschehens unterwegs war. Danach machten sich alle vier auf den Weg zum Polizeihauptquartier.
Nancy Slover, die Frau von der Telefonvermittlung des Polizeireviers in Vallejo, berichtete von einem Anruf um 0.12 Uhr, demzufolge »auf dem Parkplatz von Blue Rock Springs auf zwei Personen geschossen« worden wäre. Detective Sergeant John Lynch und sein Kollege Sergeant Ed Rust saßen gerade in Zivil in ihrem Wagen, als die Meldung hereinkam.
»Ich kann Ihnen genau sagen, was passiert ist«, berichtete Lynch später. »Wir waren gerade auf dem Sonoma Boulevard und in der Tennessee Street unterwegs - da kam die Meldung, dass draußen in Blue Rock Springs geschossen wurde. Ich wende also sofort den Wagen und fahre die Tennessee Street zurück. ›Ach‹, meinte Rust, der neben mir saß, ›heute ist doch der vierte Juli - das waren bestimmt nur ein paar Jungs, die Feuerwerkskörper abgefeuert haben‹, deshalb haben wir uns Zeit gelassen und sind nicht sofort hingefahren. Ungefähr zehn Minuten später, glaube ich, kam die Meldung, dass es tatsächlich Schüsse waren.
Das verursacht mir heute noch Bauchschmerzen, dass wir nicht so schnell wie möglich dahin sind. Wenn wir ordentlich auf die Tube gedrückt hätten, wäre uns dieser Wagen bestimmt noch entgegengekommen. Der Kerl ist ja auf der Tennessee Street abgehauen und dann in die Tuolumne abgebogen … Ich glaube nicht, dass er die Lake Herman Road genommen hat. Wir waren erst eine Viertelstunde, nachdem es passiert ist, am Tatort.«
Rust und Lynch sahen Darlenes Chevrolet auf der Ostseite des Parkplatzes stehen. Die Scheinwerfer und Rücklichter des Wagens waren ebenso eingeschaltet wie der Blinker, und die Tür auf der Beifahrerseite stand offen.
Officer Richard Hoffman und Sergeant Conway waren bereits am Tatort und versuchten Mike zu befragen, der bei dem Wagen lag und aus seinen Wunden an Hals, Brust, im Schulterbereich und am linken Bein stark blutete. Lynch forderte einen Krankenwagen vom Kaiser Hospital an.
»Mageau hatte offensichtlich große Schmerzen«, berichtete Lynch später. »Also, ehrlich gesagt … als wir hinkamen, glaubte ich gar nicht, dass es
sie
so schwer erwischt hatte … Ich dachte eher, dass Mike … na ja, er hatte vor allem große Schmerzen von dem Schuss ins Knie.«
Lynch und Rust beugten sich über Mike und bemerkten beide etwas Merkwürdiges. Der Junge trug drei Hosen übereinander, außerdem drei Sweater, ein langärmeliges Hemd und ein T-Shirt darunter. Und das in einer richtig warmen Julinacht!
Sie sahen auch, dass Darlene einen blauweißen Overall und blaue Schuhe trug. Sie öffnete ganz leicht die Augen, an denen immer noch die falschen Wimpern klebten. Lynch und Rust erkannten sie sofort. »Viele Cops kannten sie, weil sie öfter auf einen Kaffee in das Lokal kamen, wo sie gearbeitet hat. Ich habe sie auch gekannt«, meinte Lynch, »obwohl ich nie mit ihr geredet habe. Außerdem wohnt ihre Familie in derselben Straße wie ich. Sie ging gern an den Strand - da lief sie oft barfuß durch die Brandung.
Sie ist auch oft mit Polizisten ausgegangen. Wir müssen ihr irgendwie sympathisch gewesen sein - na ja, das ist bei Leuten, die in der Nacht arbeiten, oft so.«
Lynch bemerkte, dass Conway die Stelle, an der Mike lag, sorgfältig mit Kreide markiert hatte. Mikes Augen waren geweitet, und er bemühte sich verzweifelt, den Mund zu öffnen, um zu sprechen. Als es ihm endlich gelang, quoll Blut heraus. »Ein weißer Mann …«, brachte er unter Schmerzen hervor, »ist gekommen … ausgestiegen … mit der Taschenlampe angeleuchtet … geschossen. Ich bin … aus dem Wagen … Da sind … Leute gekommen … wieder weggefahren. Und dann war … die Polizei da.«
»Wissen Sie, wer auf euch geschossen hat?«, fragte Conway.
»Nein.«
»Können Sie den Mann beschreiben?«
»Nein.«
»Versuchen Sie’s.«
»Jung … stämmig … mit einem beigen Auto.«
»Hat er irgendwas gesagt?«
»Nein. Einfach geschossen … immer wieder.«
Lynch ging noch einmal zur Fahrerseite hinüber, wo Darlene immer noch über dem Lenkrad lag. Er sah, dass sie Wunden am Oberkörper und am linken Arm hatte und dass sie noch lebte. Sie gab immer wieder ein leises Stöhnen von sich, das wie das Säuseln des Windes klang.
»Wo bleibt bloß der Krankenwagen?«, murmelte Lynch.
»Ich erinnere mich noch«, berichtete Lynch, »dass sie irgendetwas sagen wollte, doch ich verstand sie einfach nicht.« Ihr Puls ging nur noch schwach und ihr Atem war flach. Lynch hob Darlene aus dem Wagen und legte sie auf den Boden.
Rust bemerkte, dass beide Fenster vorne heruntergekurbelt waren und dass das Radio eingeschaltet war. Nicht einmal die Handbremse war angezogen, worüber er sich ziemlich wunderte.
Ein, zwei Meter von den Opfern entfernt wurden sieben Patronenhülsen gefunden. Rust konnte erkennen, dass Darlene auch rechts im Oberkörper und im rechten Oberarm insgesamt drei Einschusslöcher hatte.
Als der Krankenwagen da war, half Lynch dem Sanitäter, Darlene in den Wagen zu heben. Hoffman begleitete die Opfer ins Krankenhaus - für den Fall, dass Darlene doch noch etwas sagen konnte.
Lynch hatte drei Feuerwehrautos angefordert, damit sie den Platz mit Scheinwerfern ausleuchteten, während Rust die Stelle absuchte, an der Mageau gelegen hatte. Dort, wo sich Mikes Rücken befunden hatte, lag eine stark deformierte Kugel vom Kaliber 9 Millimeter oder 38, an der kein Blut und keine Hautreste klebten. Rust steckte die Kugel in ein Säckchen und kennzeichnete sie.
Als Nächstes untersuchte Rust den Bereich um den Fahrersitz, auf dem Darlene gesessen hatte, und fand dort ein Projektil, das demjenigen glich, das er zuvor gefunden hatte, jedoch nicht so stark verformt war. Wenig später entdeckte er am Boden vor dem Rücksitz zwei Patronenhülsen mit der Aufschrift »W-W«, die allem Anschein nach Kaliber 9 Millimeter waren. Lynch selbst war nicht gerade ein Experte, was Schusswaffen betraf.
Im Inneren des Wagens war überall Blut. Rust kniete sich neben den Fahrersitz und entdeckte im Bereich des Türgriffs ein Loch, das etwa zwei Zentimeter lang war. Er notierte sich dieses Detail, damit sich der Kriminaltechniker John Sparks die Tür etwas näher ansah, wenn der Wagen ins Police Department von Vallejo gebracht wurde.
Rust bemerkte eine schwarze Lederbrieftasche, die Hoffman rechts neben die hintere Stoßstange gelegt hatte, und warf einen Blick hinein. Dann sah er im Handschuhfach nach, wo er die Zulassungspapiere fand, die auf den Namen Arthur Ferrin, Deans Vater, ausgestellt waren. Links hinten im Wagen fiel ihm eine blutverschmierte Damenhandtasche auf, die jedoch, abgesehen von 13 Cent, völlig leer war.
Über das Telefon ihres Polizeiwagens kam ein Anruf herein, den Lynch sogleich entgegennahm. Es war Hoffman, der ihnen mitteilte, dass Darlene um 0.38 Uhr verstorben war.
Um zwanzig Minuten vor eins rief ein Mann im Polizeihauptquartier von Vallejo an.
»Ich möchte einen Doppelmord melden«, begann der Anrufer, nachdem sich Nancy Slover gemeldet hatte. Der Mann sprach akzentfrei, und Nancy hatte den Eindruck, als würde er seine Botschaft vorlesen oder hätte sie vorher einstudiert.
»Wenn Sie auf dem Columbus Parkway eine Meile ostwärts zum Park fahren, finden sie auf dem Parkplatz zwei junge Leute in einem braunen Wagen.«
Die Stimme des Mannes klang ruhig, aber bestimmt. Nancy versuchte ihm noch mehr Informationen zu entlocken, doch er ließ sich nicht unterbrechen und sprach mit etwas lauterer Stimme weiter. Der Anrufer machte einen reifen Eindruck auf sie. Er sprach ohne Pause, bis er seine Botschaft übermittelt hatte.
»Sie wurden mit einer 9-Millimeter-Luger erschossen. Ich habe auch die beiden jungen Leute voriges Jahr umgebracht. Auf Wiederhören.«
Die beiden letzten Worte sagte er mit einem höhnischen Unterton. Dann legte er auf, ohne auf eine Antwort zu warten.
Nach dem Gespräch musste der Mörder noch etwa eine Minute in einer beleuchteten Telefonzelle gestanden haben. Plötzlich begann das Telefon zu klingeln; ein Mann im mittleren Alter in schäbigen Kleidern, der gerade vorbeikam, sah den stämmigen Mann in der Telefonzelle. Der Mörder drehte den Kopf zur Seite und öffnete die Tür der Telefonzelle, damit das Licht ausging. Um das Klingeln zu beenden, nahm er den Hörer ab und ließ ihn herunterhängen. Dann ging er raschen Schrittes in die Nacht hinaus.
Um 0.47 Uhr hatte Pacific Telephone herausgefunden, dass der Anruf von Joe’s Union Station an der Ecke Tuolumne und Springs Road gekommen war - direkt vor dem Sheriff’s Office von Vallejo und in Sichtweite von Darlene und Deans kleinem grünen Haus in der Virginia Street. Der stämmige Mann hat vielleicht sogar einen Blick in das Haus geworfen, nachdem er seinen Anruf gemacht hatte. Dean arbeitete noch, sodass zu diesem Zeitpunkt nur die kleine Dena und die beiden Babysitterinnen im Haus waren.
Die Polizei rief zuerst Deans Vater an, weil der Corvair auf seinen Namen zugelassen war. Somit erfuhr sein Vater als Erster von Darlenes Tod.
Danach rief man im Haus der Familie Mageau an, wo jedoch niemand abhob, worauf Officer Shrum und sein Kollege an die Adresse in der Beechwood Avenue geschickt wurden. Die beiden Polizisten stiegen aus dem Streifenwagen und näherten sich dem Haus mit einiger Vorsicht, weil die Haustür offen stand und drinnen alle Lichter eingeschaltet waren. Doch abgesehen vom Fernseher hörten die beiden Polizisten keinerlei Geräusche im Haus. Es stellte sich heraus, dass tatsächlich niemand zu Hause war.
Nachdem die letzten Gäste den Caesar’s Palace verlassen hatten, brachen die Besitzer und Mitarbeiter des Restaurants zum Haus der Ferrins auf, um noch eine kleine Party zu feiern. Bill Leigh und Dean hielten jeder mit seinem Wagen bei Pete’s Liquor Store an, um Getränke zu besorgen.
»Nachdem wir das Restaurant geschlossen hatten«, erinnerte sich Carmela später, »stiegen wir alle in unsere Autos und fuhren zu Deans Haus. Als wir ankamen, waren zwei Babysitterinnen dort - zwei junge Mädchen, die Dean nicht kannte und auch noch nie gesehen hatte. Sie waren die Töchter einer Freundin von Darlene. Dean war das ein bisschen peinlich - schließlich mussten die beiden Mädchen nach Hause, aber Darlene tauchte nicht auf, um sie heimzufahren. Natürlich fragten wir uns, wo sie wohl steckte. Die beiden Babysitterinnen sagten, dass Darlene noch Raketen besorgen wollte.«
Dean fuhr los, um nach ihr zu suchen. Um halb zwei klingelte das Telefon, und Bill Leigh hob ab. Es meldete sich jedoch niemand; vom Anrufer war nichts als schweres Atmen zu hören. »Wahrscheinlich einer von Darlenes beknackten Freunden«, sagte er zu Carmela.
Bill war ziemlich verärgert. »Warum kann sie nicht wenigstens ab und zu mal zu Hause bei ihrem Mann bleiben«, sagte er ins Telefon und legte auf.
Einige Minuten später bekamen Deans Eltern einen ähnlichen Anruf und hörten ebenfalls nur tiefes Atmen.
Es dauerte nicht lange, bis auch Deans Bruder angerufen wurde und nur dieses merkwürdige Atmen zu hören bekam.
Es gingen also, innerhalb von eineinhalb Stunden nach dem Mord an Darlene, drei anonyme Anrufe bei ihren Verwandten ein - lange bevor in irgendeiner Zeitung oder im Radio etwas von dem Verbrechen verlautbart wurde. Darlenes Eltern, die Suennens, bekamen keinen derartigen Anruf; ihre Nummer stand allerdings auch nicht im Telefonbuch.
Konnte es sein, dass der Mörder mit jemand ganz Bestimmtem sprechen wollte? Wollte er Dean vielleicht verhöhnen? Dean und Darlene hatten ihre Telefonnummer behalten, nachdem sie ihr neues Haus bezogen hatten, und im Telefonbuch stand noch die alte Adresse. Wenn der Mörder ein Fremder gewesen wäre, so hätte er wohl angenommen, in einem Haus anzurufen, das relativ weit entfernt stand; doch er ging in eine Telefonzelle, die sich in Sichtweite des neuen Hauses der Ferrins befand.
»Gegen zwei Uhr kam dann Darlenes Mann endlich heim«, erzählte mir Janet, die Babysitterin, später. »›Ich bringe euch jetzt nach Hause‹, sagte er zu uns. Er sah ziemlich besorgt aus und sagte, glaube ich, noch: ›Darlene kommt noch nicht heim.‹ Dann fuhr er uns nach Hause.«
»Ich weiß nicht mehr, wie spät es war, als Dean die beiden Mädchen endlich nach Hause brachte«, berichtete Carmela. »Er war ungefähr zehn Minuten weg. Von dem Mord erfuhren wir, als die Polizei zu Deans Haus kam. Wir fragten uns alle, wo Darlene wohl stecken mochte, und so saßen wir da und plauderten ungefähr eine Stunde, als es plötzlich an der Tür klopfte. Es war die Polizei, und Dean und mein Mann fuhren mit ihnen aufs Revier. Als sie draußen waren, kam einer der Polizisten zurück, um uns ein paar Fragen zu stellen. Er wollte wissen, wo Dean an diesem Abend gewesen sei. Ich nehme an, dass der Ehemann in so einem Fall immer zu den Verdächtigen gehört.
»Wir erzählten ihm, dass er bei uns arbeitete und dass wir hier eine kleine Party feiern wollten und auf Darlene warteten. Und dann fragten wir, was denn passiert sei.«
»Er teilte uns mit, dass man auf sie geschossen hätte und dass sie mit einem anderen Mann zusammen gewesen sei. ›Ist sie gesund?‹, fragte ich. ›Nein‹, antwortete er, ›sie ist tot.‹ Das war vielleicht ein Schock! Wir waren alle völlig fertig. Er berichtete uns, was passiert war, aber Dean erfuhr es erst, als er aufs Revier kam.«