»Er hat mir gesagt«, berichtete Pam, »dass ich das Paket unter keinen Umständen öffnen dürfe. Er blieb noch lange, nachdem er das Paket abgeliefert hatte, draußen in seinem Wagen sitzen. Als Darlene nach Hause kam, fragte sie, ob irgendetwas für sie abgegeben worden wäre. Ich gab ihr das Paket, und sie ging damit ins Hinterzimmer. Als ich sie fragte, was denn drin sei, gab sie mir keine Antwort. Von da an kam sie mir völlig verändert vor. Sie war so nervös und ging mit dem Telefon ins Schlafzimmer, um zu telefonieren. Als sie wieder herauskam, hatte sie es sehr eilig, mich nach Hause zu fahren.«
Pam erfuhr schließlich, dass sich in dem ersten Päckchen ein silberner Gürtel und eine Handtasche aus Mexiko befunden hatten, und im zweiten ein blauweißer, mit Blumenmuster bedruckter Stoff. Darlene wollte sich daraus einen Overall nähen.
Bobbie Ramos meinte, dass sich Darlenes Exmann Jim in Mexiko aufhielt und die ersten beiden Pakete über einen Bekannten geschickt hätte. Jim hatte Darlene im Januar 1966 unter dem angenommenen Namen Phillips geheiratet, nachdem er fünf Monate zuvor aus der Army entlassen worden war. »Eines weiß ich genau«, erzählte mir Bobbie später, »Darlene hatte eine Höllenangst vor ihm.«
Bobbie Oxnam, eine Kollegin von Darlene bei der Telefongesellschaft in San Francisco, erinnerte sich ebenfalls an ihren Exmann. »Darlene traute Jim überhaupt nicht mehr. Sie vermied es sogar, mit ihm allein im selben Zimmer zu sein … Einer der Gründe, warum wir sie mal aus unserer Wohnung rausgeschmissen haben, war, dass Jim eine Pistole (eine Zweiundzwanziger) besaß, und das war uns gar nicht recht.«
Freitag, 9. Mai 1969
Darlene und Dean kauften sich für 9 500 Dollar ein kleines Haus in der Virginia Street, direkt neben dem Sheriff’s Office.
Samstag, 24. Mai 1969
Es war die Umzugsparty, die Karen schließlich bewog, den Job als Babysitterin bei Darlene aufzugeben. An jenem Tag hatte Darlene die meisten ihrer neuen Freunde bei sich, damit sie ihr halfen, die Räume des neuen Hauses in der Virginia Street zu streichen. Karen kümmerte sich unterdessen um Dena. Unter anderem kamen auch drei junge Männer, die Karen überhaupt nicht geheuer waren, und deshalb ging sie einfach. Sie hatte ohnehin genug davon, Darlene dabei zu unterstützen, dass sie ständig mit irgendwelchen Männern herumzog, sodass sie schon seit fünf Monaten ein schlechtes Gewissen mit sich herumtrug.
Darlenes jüngerer und ziemlich aufsässiger Bruder Leo Suennen war ebenso gekommen wie die Mageau-Zwillinge Mike und David, beides enge Freunde von Darlene, die um ihre Gunst wetteiferten. Die anderen Gäste waren Jay Eisen, Ron Allen, Rick Crabtree, Paul, der Barkeeper (Name geändert), Richard Hoffman, Steve Baldino und Howard »Buzz« Gordon; die drei letzten waren als Polizisten in Vallejo tätig; der einzige weibliche Gast war Darlenes Freundin Sydne.
Gegen Mittag rief Darlene ihre Schwester Linda Del Buono an und bat sie, ebenfalls zu kommen. Linda war Darlenes wachsende Nervosität und Erschöpfung als Erster aufgefallen. Darlene stritt jedoch ab, irgendwelche Probleme zu haben, und Dean nahm keine Veränderung an seiner Frau wahr.
Während Linda auf dem Weg zu ihrer Schwester war, traf ein weiterer Gast, ein stämmiger Mann, in Darlenes neuem Haus ein.
»An diesem Tag,« erzählte mir Linda später, »hatte Darlene solche Angst, dass sie mich irgendwann bat: ›Geh heim, Linda, geh schnell heim!‹ Der stämmige Kerl war ganz gewiss nicht eingeladen, und sie flehte mich an, mich von ihm fern zu halten. Er war als Einziger ordentlich gekleidet - alle anderen trugen Jeans und Arbeitskleidung.
Ich sehe sein Gesicht immer noch vor mir. Ich habe ihn später noch einmal in Terry’s Restaurant gesehen, aber an jenem Tag in ihrem Haus hatte Darlene eine Höllenangst vor ihm. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er auftauchen würde. Ich erinnere mich noch genau daran, wie er auf seinem Stuhl saß - mit seinem gewellten Haar und so einer Hornbrille, wie Superman sie trägt. Er wirkte älter als die anderen und war ziemlich korpulent, und vielleicht knapp einen Meter fünfundsiebzig groß.
Der Typ saß die meiste Zeit einfach nur da. Ich weiß noch, dass ich einmal mit Darlene allein in einem Zimmer war und sie gefragt habe: ›Darlene, was ist denn los mit dir?‹ Sie war so unglaublich nervös. Der Kerl machte ihr richtig Angst. Sie hat, glaube ich, den ganzen Tag nichts gegessen und nicht ein einziges Mal gelächelt. Das war nicht Darlene, wie ich sie kannte. Irgendetwas machte ihr schwer zu schaffen. Als ich hinkam, war der Kerl schon da. ›Linda‹, flehte mich Darlene an, ›bitte, halt dich von ihm fern! Sprich nicht mit ihm. Wer ist der Typ?‹, wollte ich wissen.
›Du darfst nicht mit ihm sprechen, hörst du?‹, beharrte sie.
Sie bat mich, zu gehen, weil sie nicht wollte, dass er irgendwen von unserer Familie kennen lernt. Es war ziemlich merkwürdig, und es hat mich noch lange beschäftigt.«
Darlenes jüngere Schwester Pam traf ein, kurz nachdem Linda aufgebrochen war. »Ich hatte den Mann schon einmal gesehen, als er ein Paket vor der Haustür in der Wallace Street abgelegt hatte«, erzählte sie mir. »Er unterhielt sich gern mit mir, ich bin ein sehr offener Mensch. Darlene war das gar nicht recht, weil sie dachte, ich würde ihm zu viel erzählen. Na ja, er hat mich ein paar Dinge gefragt. ›Pam‹, sagte Darlene zu mir, ›ich lade dich nie wieder zu mir ein, wenn du nicht aufhörst, mit ihm zu reden!‹< Ich sagte: ›Ich dachte, du wärst gut mit ihm befreundet, nach dem, was er mir alles erzählt hat.‹
Er war gut gekleidet und trug eine Brille. Er hatte dunkles Haar und eine Warze auf dem Daumen. Ich habe den Verdacht, dass Darlene den Kerl auf den Virgin Islands kennen gelernt hat. Sie hat mal irgendwas mit Drogen erwähnt. Einmal machte einer so eine Bemerkung, dass Darlene verfolgt worden wäre, aber sie wechselte schnell das Thema und sagte nur: ›Keine Angst, mir tut bestimmt keiner was.‹ Sie war einer der gutgläubigsten Menschen, die ich je gesehen habe. Ich hätte Todesängste ausgestanden, wenn ich gewusst hätte, dass mich jemand …
›Darlene‹, sagte ich, ›hast du denn gar keine Angst?‹ Aber sie antwortete nur: ›Mir tut schon niemand was.‹«
Als Pam das Haus ihrer Schwester verließ, waren noch vierzehn Leute dort, und es kamen noch weitere dazu. Einige dieser Gäste hörten, wie der gut gekleidete Mann Darlene nach ihren Einkommensquellen ausfragte. Der Fremde hatte einen kurzen, recht geläufigen Spitznamen. Pam glaubte sich zu erinnern, dass er sich »Bob« nannte (Der Name wurde geändert).
Sonntag, 22. Juni 1969
Linda war gerade aus Texas zurückgekehrt und wollte Darlene berichten, wie es ihren Verwandten ging, und so ging sie schon früh am Morgen zusammen mit ihrem Vater Leo in Terry’s Restaurant.
»Als ich an diesem Tag mit meinem Dad in die Gaststätte kam, war der Fremde von der Umzugsparty wieder da, und er ließ Darlene nicht aus den Augen«, erzählte mir Linda mit Schaudern. »Als ich reinkam, hielt er sich die Zeitung vors Gesicht, weil er mich wiedererkannte.«
Wenig später starrte er Linda eiskalt an, wie sie berichtete, ging zu Darlene hinüber, um ihr etwas zu sagen, und verließ dann die Gaststätte. Linda erzählte ihrem Vater von dem Mann. »Mein Dad sagte nur: ›Das hat nichts zu bedeuten.‹ Er nahm die Sache nicht weiter tragisch.«
Pam sah den Mann ebenfalls. »Er saß in Terry’s Restaurant. Ich habe neben ihm gesessen. Ich weiß noch, dass er Erdbeerkuchen gegessen hat. Und Darlene war es gar nicht recht, dass ich mich neben ihn gesetzt habe. Er hat mit mir gesprochen, und das hat meine Schwester ziemlich nervös gemacht. Sie hat mir immer wieder zugeflüstert, dass ich mich von ihm fern halten soll.
Der Typ hat eine Lederjacke getragen. Er hat überhaupt immer nach Leder gerochen, auch an dem Tag, als er das Paket gebracht hat. Und das war auch der Mann, der sich zuvor nach ihrer finanziellen Situation erkundigt hatte. Er fragte mich nach Darlenes kleiner Tochter und nach ihrer Beziehung zu Dean. ›Was macht sie denn mit ihrem Trinkgeld?‹, fragte er einmal, und etwas später: ›Ich habe gehört, dass Dean nie auf das Baby aufpasst.‹
Ich saß zweieinhalb Stunden an der Theke, und er saß neben mir und aß die ganze Zeit Erdbeerkuchen. Darlene forderte mich immer wieder auf, zu gehen, aber ich wollte nicht, weil Harvey, mein Mann, nicht zu Hause war.
Der Typ hatte seine Brille nicht ständig auf. Er setzte sie auf, als er sich die Rechnung ansah. Es war eine dunkle Hornbrille - schwarz, genau gesagt«, fügte Pam hinzu. »Und er fuhr einen schneeweißen Wagen mit diesen alten kalifornischen Nummernschildern.«
»Sie hatte vor irgendjemandem Angst«, erzählte mir Darlenes Freundin Bobbie Oxnam später, »und zwar schon seit längerem. Es fing an, kurz nachdem ihr Baby zur Welt kam.«
»Hat sie jemals den Namen dieses Fremden erwähnt?«, wollte ich wissen.
»Nein. Ich wünschte, sie hätte ihn mir verraten. Sie hat hin und wieder so eine Bemerkung fallen lassen, dass sie Probleme hätte und dass ihr der Kerl Angst machte. Aber mehr hat sie nie gesagt.«
»Anfang Juni«, berichtete Bobbie Ramos, »hat Darlene mir erzählt, dass ihr ein Mann nachspionieren würde. Als wir mit ihr und ihrer Tochter zur Solano County Fair fuhren, sprach sie wieder davon.« Sie wandte sich ihrem Mann zu. »Erinnerst du dich an diesen Kerl in dem weißen Wagen, der Darlene so genervt hat, weil er ständig vor ihrem Haus auf sie gelauert und einmal zu uns gefahren hat?« Ihr Mann konnte sich nicht erinnern. »Er war so zwischen achtundzwanzig und dreißig und nicht besonders schwer. Er trug eine Brille.«
»Als Darlene und Dean heirateten, war es wirklich nett mit den beiden«, erzählte mir Carmela Leigh, die Frau von Deans Chef, später. »Sie war so fröhlich, wir haben die ganze Zeit nur gelacht, aber als dann das Baby da war, arbeitete sie schon bald wieder im Restaurant und ließ sich gar nicht mehr blicken. Sie war immer noch lustig und gut gelaunt, aber sie hatte einfach keine Zeit mehr für irgendwen. Ständig war sie unterwegs - und meistens ließ sie ihren Mann wissen, dass sie nicht daheim sein würde, wenn er nach Hause kam. Irgendwie gefiel es mir nicht besonders, dass sie immer mit einem Haufen Leute herumzog, wo sie doch verheiatet war und ein Baby hatte.« Carmela hatte Darlene oft besucht, als sie schwanger war, und nachdem die Kleine geboren war, blieb sie oft auf eine Tasse Kaffee, wenn sie kam, um die Miete zu kassieren. »Ich kannte sie erst seit ungefähr zwei Jahren,« berichtete Carmela wehmütig, »sie war ein bisschen pummelig, und als das Baby da war, wurde sie sogar noch rundlicher. Und sie war ziemlich nachlässig, was die Kleidung betraf. Aber auf einmal fing sie an, sich wirklich nett anzuziehen, sie nahm ab und achtete auf ihre Frisur, das hat mir gefallen. Aber ihre Beziehung mit ihrem Mann ging den Bach hinunter, weil sie einfach nie zu Hause war. Sie hatte eine Menge neue Freunde, und ich bekam sie kaum noch zu Gesicht. Unsere Freundschaft schlief irgendwie ein, weil wir uns kaum noch sahen. Dean wusste nie, wo sie gerade war, und ich traf sie überhaupt nicht mehr zu Hause an, wenn ich vorbeikam.«
Die Veränderung, die mit Darlene vor sich ging, schien allen aufzufallen, die sie kannten. Sie wirkte oft reizbar und nervös, was manche Leute allerdings darauf zurückführten, dass sie so viel abgenommen hatte. Darlene redete so schnell, dass ihr oft die Wörter durcheinander kamen.
»Dean und sie hatten ganz bestimmt ihre Probleme miteinander«, erzählte Bobbie Oxnam, »aber das geht ja vielen jung verheirateten Paaren mit Kindern so … Sie war ein sehr kontaktfreudiger Mensch und hatte gern viele Leute um sich herum - und Dean war da ganz anders. Ich glaube, das war manchmal eine Belastung für ihre Beziehung. Sie war kein Flittchen; sie war bestimmt kein Engel - aber Flittchen war sie nicht.«
Carmela hatte Darlene oft in schicken Kleidern gesehen und machte eines Tages eine anerkennende Bemerkung über ein rückenfreies Top mit einer Bluse darüber.
»Ach, das habe ich bei James Sears gekauft«, sagte Darlene.
»Oh, Mann«, dachte sich Carmela, »mein Mann und ich haben ein Restaurant, und ich kann es mir nicht leisten, bei James Sears einzukaufen.«
»Nun wusste ich also, wo sie ihre neuen Kleider herhatte«, erzählte mir Carmela später. »Die Frage war nur, woher sie das Geld dafür hatte. Dean hatte keine Ahnung, wie sie sich das alles leisten konnte. Er war schließlich nur Koch, und sie arbeitete als Kellnerin. Sie sagte, dass sie alles im Ausverkauf bekommen hätte, aber ich wusste ja, dass das Zeug von James Sears war - und das ist mit Sicherheit kein billiger Laden.
Ihr Mann dachte sich aber nicht besonders viel dabei. Er kam nie auf die Idee, dass sie vielleicht mit Drogen handeln könnte. »Sie braucht eben ein bisschen Abwechslung«, sagte er manchmal. »Sie ist ja gerade erst einundzwanzig geworden.«
Für ihre Freundinnen war es kein Geheimnis, dass Darlene mit anderen Männern ausging, darunter auch Polizisten vom Sheriff’s Office.
»Sie fuhr ziemlich oft nach San Francisco«, erinnerte sich Bobbie Ramos. »Das hat sie ihrem Mann auch nie verschwiegen. Ist das nicht komisch? Sie kommt heim und erzählt ihm ganz begeistert, mit welchen Jungs sie sich wieder amüsiert hat.«
»Manchmal ist sie aber auch ganz allein gefahren«, erzählte mir Bobbie Oxnam später. »Sie saß einfach gern am Strand, um nachzudenken und den Sonnenaufgang zu genießen.«
»Ich habe gehört, dass sie nicht Auto fahren konnte. Hat sie den Bus genommen?«, fragte ich.
»Doch, sie ist schon Auto gefahren - aber eben ohne Führerschein. Sie war eine geschickte Fahrerin. Oft hat sie sich den Wagen von Freunden ausgeborgt, von Deans Chef«, antwortete Bobbie.
Darlene kam oft erst im Morgengrauen nach Hause, wenn Dean längst schlief. Wenn sie aufstand, war er längst im Restaurant.
Dienstag, 24. Juni 1969
»In den nächsten Tagen wird einiges passieren«, teilte Darlene ihrer Schwester Christina in seltsam geheimnisvollem Ton mit. »Eine wirklich große Sache, das kann ich dir sagen.«
»Worum geht es denn?«, wollte Christina wissen.
»Das kann ich dir nicht sagen, aber du wirst es sogar in der Zeitung lesen können.«
Christina hatte keine Ahnung, wovon ihre Schwester sprach. »Das ist schon merkwürdig«, erzählte sie Carmela Leigh. »Wer weiß, vielleicht geht es um Drogen oder um einen Mord, vielleicht aber auch nur um eine Riesenparty.«
»Wir nahmen damals an«, erzählte Carmela, »dass Darlene vielleicht von einer bevorstehenden Drogenrazzia wusste - oder sonst irgendwas, das sie von ihren Freunden bei der Polizei gehört hatte.«