Hard Man (29 page)

Read Hard Man Online

Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
11.84Mb size Format: txt, pdf, ePub

Scheiße. Er war hart. Knastgestählt. Wenn ihn einer ein Weichei nannte, dann zeigte er es ihm. Erledigt von einer kleinen Göre? Von seinem Scheißeheweib?

Scheiße, was hatte er bloß mit Federn?

Gottverdammte Scheiße.

Auf keinen Fall würde er es in diesem Zustand bis nach Hause schaffen. Da gab es nur eins zu tun.

Er rammte beide Füße nach unten. Diesmal reagierten sie. Das Auto kam zum Stehen.

Er holte Luft, wendete den Wagen und fuhr zurück zum Friedhof. Wenn er schnell genug war, würde er sie noch erwischen, bevor die Sanitäter sie abtransportierten.

Er würde schmutzig sterben. Sei’s drum.

 

Jesus wollte nichts weiter als die Augen schließen und auf den Wellen aus purem Orange dahintreiben, die durch seine Adern strömten. Er hatte zu große Schmerzen, um sich noch um etwas anderes zu scheren, egal was man ihm sagte. Die Wespe wollte, dass er etwas holte, aber die Wespe konnte ihn mal. Ihm tat alles weh. Echt übel.

Seine Hüfte war am Arsch. Und es fühlte sich an, als würden seine Hände gleich voll durch die Nägel flutschen. Einen Moment lang dachte er, bei der rechten sei es schon so weit, und sein Arm hinge lose und frei. Versuchte, dem Typ auf der Bank zu winken. Und der Schmerz flutete von Neuem durch seine Hand.

Drehte den Kopf zur Seite. Sehr hübsch. Wie er gedacht hatte. Seine Hand war nach vorn gestoßen, der Nagel verschwand irgendwo in den komplizierten Hautfalten seiner Handfläche. Seine Hand war halb draußen.

Der pulsierende Schmerz war fürchterlich.

Ein klarer Gedanke. Ihm von der Wespe in den Kopf projiziert.
Du wirst in ‘nem psychedelischen Dusel enden, wenn du nicht weitermachst.

Mit was?

An die Scheißnagelpistole zu kommen.

Er hatte gedacht, er sei schon halb da, und dabei hatte er’s noch nicht mal versucht. Es war nur das eigene Gewicht vom Dahängen. Das Vorwärtsstoßen, das Ruckeln, das Schleifen des Scheißdings auf seinem Rücken über den Boden. Irgendwie.

Ein ordentlich herzhafter Ruck. Würde der reichen? Wenn er nur einen richtigen Ansatz hätte.

Er schloss die Augen, sah Feuerwerk, öffnete sie wieder. Sah immer noch Feuerwerk.

Ich bin nicht verrückt ich bin nicht verrückt ich bin nicht verrückt.

Aber vermutlich war er es doch. Konnte doch nicht hier sein, oder? Ausgeschlossen. Der Käfig an der Wand gegenüber, der Typ, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte, drüben auf seiner Bank, das Kreuz. Die ganzen an die Wand geklebten Scheißeierkartons. Eine Riesenwespe.

Nee, aber er wusste, was hier abging. Er wusste, dass er Jesus war, wusste, dass er gekreuzigt worden war. Daran gab es wohl keinen Zweifel.

Und er hatte ganz lange nicht klar denken können, doch jetzt dachte er klar, und zwar dachte er, dass er, wenn er Jesus war, Wunder vollbringen konnte, richtig? Nur weil ihm ein Nagel durch die Hand gejagt worden war, hieß das doch nicht, dass der ihn aufhalten konnte. Nicht den Sohn Gottes. Er konnte die Hand da rausziehen. Ganz einfach.

Sein Atem war jetzt flach, und er hätte sich jetzt echt gern den Schweiß abgewischt, der ihm von der Stirn tropfte.

Er würde es also machen. Die Hand vom Kreuz ziehen.

Sich wappnen. Sich innerlich hochputschen.

Und los!

Ziehen.

Es tat weh. Hätte nicht sein dürfen.
Aaargh!
Er war Jesus. Er konnte das. Wenn er nur richtig zog, verdammte Scheiße. Scheiße, Scheiße, Scheiße!

Es brannte und brannte und brannte und brannte und brannte und brannte wie VERDAMMTE SCHEISSE!!!

Kein Reißgeräusch. Aber seine Hand war frei. Er starrte sie an, ein Loch in der Mitte, und brach in Tränen aus.

 

Flash fuhr links ran. Er brauchte eine Minute, um sich zu beruhigen.

Natürlich machte er sich Sorgen um May, und noch mehr um ihr Baby, aber je länger er drüber nachdachte, desto mehr fürchtete er sich vor dem, was er zu Hause vorfinden würde. Er ging noch mal durch, was sein Dad gesagt hatte, als sie zum letzten Mal miteinander gesprochen hatten. Über Norrie. Dass er erschossen worden war und dass es Dad nicht scherte. Dass Norrie auf Rog geschossen hatte. Flash konnte es immer noch nicht glauben, obwohl May es auch gesagt hatte. Es war nicht recht. Nichts an der ganzen Geschichte war recht, und Dad ging nicht ans Telefon. Er konnte weggegangen sein, aber das glaubte Flash nicht. Obwohl er kein Handy hatte.

Aber vielleicht hatte er einen Krankenwagen für Norrie gerufen. Vielleicht war es nur das, und er war mit ihm mitgefahren.

Norrie war sein Freund, Scheiße noch mal.

Na ja, Flash würde die Wahrheit bald kennenlernen, denn es war jetzt nicht mehr weit zu Dad.

Er fädelte sich wieder in den Verkehr ein.

 

Jesus schluchzte herzerweichend und sagte: »Schau dir das an«, aber Pearce konnte nichts sehen, konnte den Kopf nicht hoch genug anheben.

Pearce hatte es satt, >Was? Was soll ich mir anschauen?< zu sagen. Ihm war selbst nach Heulen zumute. Und sein körperlicher Zustand machte die Sache auch nicht besser. Von dem langen Liegen fing er an, sich zu fühlen, als wäre er in Sand gepackt. Seine Arme und Beine waren vom Mangel an Bewegung so schwer, dass allein die Luft sie niederzudrücken schien. Die diversen Riemen über ihm waren schwer wie Blei. Aber im Innern, da war er leichter als Luft.

Sehr seltsam. Es gefiel ihm überhaupt nicht. Jesus regte sich.

Pearce konnte ihn nicht sehen, doch er konnte das Holz des Kreuzes auf dem Boden scharren hören.

»Krieg nicht mehr raus«, sagte Jesus.

Krieg nicht mehr raus. Mehr was?

Aber er bewegte sich schnell. Und dann war er mit einem Mal auf dem Boden unter Pearce, schaute nach oben, streckte eine Hand nach Pearce aus.

»Schau«, sagte er.

Und da war eine Hand, vom Nagel befreit, mit einem hässlichen Loch in der Mitte.

»Jesus, du bist doch ein harter Hund«, sagte Pearce. Ehre, wem Ehre gebührte. »Kannst du hier drunterfassen und mich losschnallen?«

Es fiel dem armen Teufel schwer, zu hantieren, da er immer noch mit drei Gliedern am Kreuz festhing. Mit seinem zermatschten Hirn musste es noch schwieriger sein. Aber er schaffte es. Vielleicht lag es daran, dass er so mit Adrenalin vollgepumpt war. Irgendwas musste die Wirkung der Magic Mushrooms dämpfen. Ansonsten wäre er nichts weiter als ein sabbernder Idiot gewesen. Der Junge hatte einen echt starken Lebenswillen. Zweifellos half die Kreuzigung dabei, die Wirkkraft der Pilze zu minimieren, einen nüchtern zu halten, in gewissem Maß.

»Ist das jetzt gut?«, fragte Jesus.

Pearce wusste nicht, was er meinte, sagte jedoch: »Ja.« Das Leder auf seinem Unterarm bewegte sich. Nicht so, wie es sich bewegt hatte, als Jesus mit den Zähnen daran gezerrt hatte. Die Bewegung war sachter, eher zupfend. Musste dem armen Hund wehtun, nach allem, was seine Hand durchgemacht hatte, aber er beklagte sich mit keinem Wort.

Ein Anfall von Übelkeit traf Pearce wie ein Schlag. Er dachte, er müsste vielleicht kotzen. Was er nicht gern getan hätte, solange er da auf dem Rücken lag und seine Befreiung in greifbarer Nähe war. Zumindest die Befreiung von dieser Scheißbank. Er hielt es in Schach, Speichel füllte seinen Mund. Herrgott, nein, er würde nicht wieder in Panik geraten. Scheiß drauf. Wenn überhaupt je, dann war jetzt der absolut verkehrteste Moment für Panik. Er stand knapp davor, zu entkommen, verdammte Scheiße.

Er ballte die Fäuste, so fest er konnte, aber sie gehorchten nicht. Er spürte rein gar nichts, außer einem dumpfen Schmerz im kleinen Finger. Wenn der leichte Schmerz nicht gewesen wäre, hätte er überhaupt nicht gewusst, ob seine Hände noch an seinen Armen hingen. Und selbst wenn, es gab doch so was wie Phantomschmerzen, nicht? Gottverdammich. Niemand hatte ihm die Hände abgehackt, sie waren nur taub, weil der Kreislauf stockte. Verdammte Kacke, er musste sich auf das konzentrieren, was real war. Er hatte schließlich keinen Eimer voll mit Magic Mushrooms geschluckt. Er mochte gar nicht daran denken, was wäre, wenn doch. Dann hätte er keinen Schimmer, was real war und was nicht.

Pearce spürte, wie der Riemen um seine Brust sich lockerte.

 

Wallace bog in die Auffahrt zu der Kirche ein. Viel weiter kam er nicht. Da waren Streifenwagen, mehrere uniformierte Polizisten rannten herum, und hinter ihnen ein Krankenwagen. Keine Spur von May, also hatten sie sie vermutlich schon eingeladen. Sie schon verarztet. Die gebrochenen Knochen geschient.

Er war schwach, Arme und Beine schwer wie Blei.

Die Finger waren taub, aber nicht so taub, dass sich der Griff um die Kanone lockerte.

Er bekam die Autotür auf. Stieg aus. Glassplitter fielen von seiner Hose auf die Erde, als er einen Schritt machte.

Jemand schrie. Ein anderer rief: »Er hat eine Waffe.« Körper flitzten durcheinander, gingen hinter dem Auto in Deckung.

Arme kleine Polizisten. Durften keine Schusswaffen tragen. Konnten es nicht gut mit ihm aufnehmen nur mit ihren Gummiknüppeln. Nicht dass es ihn gestört hätte, wenn sie es versucht hätten.

Stille.

Ihm war kalt. Verflucht scheißkalt. Und der Revolver war total scheißschwer. Musste ihn fest im Griff behalten. Wollte ihn nicht fallen lassen.

Schaute sich noch mal um, sah einen Kopf über einen der Streifenwagen rausragen. Hob seinen absurd schweren Arm, zielte, und der Kopf verschwand.

Hörte das Knistern von Funkgeräten. Bitte um Verstärkung. Bewaffnetes Einsatzkommando. Und die würden Kanonen mitbringen.

Gut. Sollten sie ruhig. Das hier würde nicht lange dauern.

Er schaute hoch. Der Fahrer des Krankenwagens war in seinem Sitz erstarrt. Die Tür war verschlossen.

May war drinnen.

Wallace brauchte die Tür bloß aufzumachen und sie abzuknallen.

 

Jetzt, wo er hier bei Dad war, hätte Flash alles getan, um nicht reingehen zu müssen, klar. Norrie war erschossen worden, und Dad ging nicht ans Telefon, was immer das zu bedeuten hatte, aber er stieg aus, lief zur Haustür und drückte die Klinke. Seine Stimme klang brüchig, als er sagte: »Dad?«

Aber Dad gab keine Antwort, sogar als die Tür aufsprang und Flash erneut nach ihm rief.

Der Wandschrank im Flur war aufgesprengt, es sah aus, als hätte jemand eine kleine Bombe im Schloss hochgehen lassen. Ein Stück aus dem Holz fehlte.

Die Tür stand weit offen, und ein Paar Stiefel ragten von innen heraus und sahen aus irgendeinem Grund schrecklich einsam aus, vielleicht weil Flash sie als Norries wiedererkannte und wusste, dass der Mann, der sie trug, erschossen worden war, und möglicherweise hatte er es sogar verdient, was ein noch schlimmerer Gedanke war.

Flash hätte den Schrank gründlicher untersucht, doch als er den Kopf zur Seite drehte, sah er Dad neben dem Telefon ausgestreckt im Flur liegen und rannte zu ihm. Beim Näherkommen sah Flash die Blutlache auf dem Boden, nicht viel, nur ein Rinnsal, aber es kam aus Dads Kopf, was gar nicht gut war, Scheiße, nein, um Himmels willen, Scheiße. Und es war schlimmer, als er dachte, denn er bückte sich und hob Dads Kopf an und sah, dass das Auge total am Arsch war, irgendwas steckte drin, etwas Dickes und Spitzes und Hölzernes, und da wusste er, dass Dad ihm nicht antworten würde, egal wie oft er seinen Namen sagte, denn das machte er, wiederholte ihn einfach immer wieder, >Dad, Dad, Dad<, und Dad sagte nichts und würde nie wieder was sagen, denn das Ding in seinem Auge, Scheiße, das Ding in seinem Auge, das machte ihn nur blind, das brachte ihn nicht um, aber sein Herz war nicht mehr, was es mal gewesen war, als hätten sie das nicht alle gewusst, Scheiße noch eins, und deshalb atmete er nicht mehr. Kein Schnaufer aus seiner bandagierten Nase und kein Hauch von seinen blauen Lippen. Denn Flash überprüfte es, so gut er konnte, auch wenn er wusste, dass Dad tot war. Man liegt nicht da mit offenem Mund und offenen Augen und sagt nichts, versucht nicht, nichts zu sagen, versucht nicht, nicht zu atmen, wenn man noch lebt.

Das Ding in seinem Auge, das ihn blutige Tränen weinen ließ: ein spitzes, keilförmiges Stück Holz. Nur ein Splitter, mehr nicht. Nichts Tödliches, ein Splitter. Auf keinen Fall konnte er an einem Scheißsplitter sterben. Ausgeschlossen. Er durfte nicht tot sein. Durfte nicht. War nicht. Nein.
Verfluchte Scheiße!

Das war nicht fair, verflucht noch mal.

Flash senkte den Kopf seines Dads auf den Boden, wobei er sich bemühte, ihn nicht in die Blutlache zu legen, was ihm irgendwie wichtig schien, als sei das das Mindeste, was er tun konnte. Stand auf, ging zum Wandschrank und spähte hinein. Tja, das war Norrie und nicht jemand, der Norries Stiefel trug. Und er war genauso tot wie Dad.

Hatte Norrie auf Rog geschossen? Dad hatte gesagt, ja. May hatte gesagt, ja. Sie waren hier gewesen, hatten etwas gehört oder gesehen, was sie davon überzeugt hatte. Wieso fiel es Flash so schwer, es zu glauben?

Er entdeckte einen Revolver, der in der Nähe lag, aber als er ihn aufhob und die Trommel überprüfte, stellte er fest, dass sie leer war. Er legte ihn dahin zurück, wo er ihn gefunden hatte, und wischte nach kurzem Nachdenken seine Fingerabdrücke ab.

Er war ruhig. Ruhig wie ‘n beschissener Stein, verflucht.

 

Pearce atmete, spürte, wie seine Brust sich hob und senkte, spürte, wie der Riemen nachgab. Jesus zog, und der Riemen fiel herunter.

»Mach mein Handgelenk los«, sagte Pearce.

»Wallace?«

»Nein, Handgelenk.«

»Ich liebe May.«

»Das ist schön. Kannst du den Riemen um mein Handgelenk losmachen?«

Die Finger von Jesus berührten Pearces Hand. Pearce war sich nicht sicher, ob Jesus tatsächlich eine Vorstellung davon hatte, was los war, aber Jesus schrie vor Schmerz auf, als er Druck auf seine verletzte Hand ausübte, und Pearce spürte, wie die Schnalle aufging. Zum ersten Mal fing er an, wirklich zu hoffen, dass sie es hier rausschaffen würden.

Mit einem Mal hatte Pearce die Hand frei. Die gesunde Hand. Wenigstens war es die, an der kein Finger gebrochen war. Es wäre schön gewesen, hätte er sagen können, dass die Freiheit reine Wonne war, aber seine Hand war taub und schmerzte, als wäre sie eingefroren und taute nun auf.

Pearce klatschte sich die Hand auf die Brust, um die Durchblutung in Gang zu bringen, und machte sich nach einer Weile daran, an dem Riemen, mit dem seine andere Hand gefesselt war, zu nesteln.

Jesus stöhnte. Pearce sprach mit ihm, erhielt jedoch keine zusammenhängende Antwort.

Other books

Queen & Country by Shirley McKay
Dead Fall by Matt Hilton
Loyalties by Rachel Haimowitz, Heidi Belleau
Fresh Tracks by Georgia Beers
Edgewood Series: Books 1 - 3 by McQuestion, Karen
Un fragmento de vida by Arthur Machen
In Spite of Everything by Susan Gregory Thomas
The Gamer's Wife by Careese Mills
Damsel Disaster! by Peter Bently