Hard Man (28 page)

Read Hard Man Online

Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
3.77Mb size Format: txt, pdf, ePub

Er nickte. »Was du willst.«

»Hol Schnuckelchen.«

»Okay«, sagte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Sofort.«

Er verzog das Gesicht. Sie konnte doch nicht von ihm erwarten, dass er sich um den Hund kümmerte. Nicht wenn sie so am Arsch war und ihn brauchte.

Sie drückte seine Hand. »Bleib nicht bei mir. Da gibt’s nichts, was du machen kannst. Das war doch der Krankenwagen, den du angerufen hast, oder? Dann geh jetzt.«

»Du willst, dass ich gehe?« Flash konnte doch nicht einfach weggehen. Sie brauchte ihn, und die Polizei würde ihm Fragen stellen wollen, und alles war so scheißkompliziert.

Sie erriet seine Gedanken. »Mit der Polizei kannst du später reden. Ich sag ihnen, dass ich dich nach meinem Hund geschickt hab.«

Sie bettelte ihn mit ihren verheulten Augen an. »Ich kann nicht, May«, sagte er. »Ich kann dich doch nicht einfach so hierlassen. Nicht wegen ‘nem Hund.«

»Was?«

Er formte den letzten Satz noch einmal langsam mit dem Mund.

»Dann geh und bring Wallace für mich um, Flash«, sagte May. »Bevor die Polizei ihn kriegt.«

Flash schaute auf seine Hand, die die Schlüssel in der Faust umschloss. »Okay«, sagte er, wobei er die Finger fest um die Schlüssel presste.

»Nimm meine«, sagte May.

»Deine was, May?« Er musste die Worte erneut mit dem Mund formen. »Die Schlüssel«, sagte sie. »In meiner Handtasche. Such sie.«

 

Pearce hatte herausgefunden, dass die Ledergürtel, mit denen er an die Bank gefesselt war, fest angezogen und auf der Unterseite der Bank zugeschnallt waren. Wenigstens musste es so sein, denn er konnte keinerlei Schnallen sehen, egal wie weit er sich verrenkte.

Jesus kaute nun schon eine Ewigkeit an dem Lederriemen, und er ließ sich von Pearce durch nichts davon abbringen. Er hatte den Riemen dort in Angriff genommen, wo eine Lücke zwischen Pearces Hüfte und dem rechten Unterarm war, und inzwischen triefte Pearces Arm vor Speichel.

Es war die verrückteste Idee, die Pearce je gehört hatte. Aber Jesus hatte sie irgendwoher aus den Tiefen seines fast psychotischen Hirns, und er war durch nichts davon abzuhalten. Die Sache war die, dass Pearce nichts Besseres anzubieten hatte.

»Kommst du voran?«, fragte Pearce.

Das Gewicht hob sich von ihm. »Weich«, sagte Jesus.

»Wie sieht’s aus?«

Pause. Jesus sagte was, was sich anhörte wie >Wespe<.

»Okay«, sagte Pearce. »Das ist gut.« Was dachte sich der arme Teufel bloß? Dass er auf ‘ner Wespe rumkaute? Sein Zahnfleisch blutete, und ganz ohne Zweifel musste ihm der Kiefer schmerzen. Er hätte mal verschnaufen sollen.

»Nein«, sagte Jesus und schüttelte heftig den Kopf.

»Okay«, sagte Pearce. »Dann ist’s eben nicht gut.«

Jesus beruhigte sich wieder, sah aus, als wollte er wieder loslegen.

»Wart mal«, sagte Pearce. »Vielleicht kann ich die Scheißdinger jetzt aus der Bank rausreißen. Lass mich’s mal versuchen.«

Jesus schien zu verstehen. Er hob den Kopf aus dem Weg.

Pearce wartete kurz, sammelte sich und drückte gegen die Handgelenkfessel an. Sie verengte sich, gab aber nicht nach.

Er zerrte erneut, bis der Schmerz in der Seite ihn zwang, aufzuhören. Nicht gut.

Und die Anstrengung hatte ihn erschöpft. »Kauen«, sagte Jesus. »Nein.«

Der arme Teufel merkte, dass es zwecklos war. Wallace würde zurückkommen und sie beide umbringen. »Boden«, sagte Jesus. Boden? Was hatte er jetzt vor?

 

Flash fuhr los und ließ May zurück. Er musste jetzt sofort zu Wallace fahren und die Drecksau mit bloßen Händen erwürgen.

Viel lieber hätte Flash mit Rog geplaudert, einfach ein bisschen
espanol
gequatscht, ein bisschen geblödelt. Rog hätte ihn verstanden und ihn auf die richtige Art aufgemuntert, ohne zu übertreiben, denn jetzt, bei dem Schlamassel mit May, konnte er etwas Aufmunterung echt gut gebrauchen. Es passierte schließlich nicht jeden Tag, dass die eigene Schwester überfahren wurde, und wenn er nicht falschlag, natürlich, er war ja kein Arzt, dann sah es so aus, als wäre sie gelähmt, und daran durfte er gar nicht denken.

Aber er konnte nicht mit Rog sprechen. Rog war nicht fit genug, um das auszuhalten, und Zeit dazu hatte Flash sowieso keine. Klar, wenn Rog gesund gewesen wäre, hätte er jetzt genau hier neben Flash im Auto gesessen, doch obwohl es Rog schon viel besser ging, war er immer noch alles andere als wohlauf.

Wallace. Die Drecksau.

Flash wünschte, Pearce hätte Wallace so richtig durch die Mangel gedreht. Natürlich musste er daran denken, dass, wenn Wallace Pearce überwältig hatte, für ihn auch nicht viel Hoffnung bestand, aber Wallace war schließlich schwer angeschlagen, oder? Er war angeschossen und niedergestochen worden und von dem ganzen Blutverlust geschwächt, und überhaupt war Flash das scheißegal. Vielleicht stimmte es ja, dass Wallace ihn selbst mit seinen Verletzungen noch durchkauen und ausspucken würde. Vielleicht stimmte es ja, dass er wahnsinnig war und dass Wahnsinnige die Kraft von zehn Männern besaßen. Das war schließlich allgemein bekannt. Aber scheiß drauf, Flash hatte vor, sein Bestes zu geben. Das war er May schuldig.

Bein, Schmerzen … in seinem. Kamen nur zu den andern Schmerzen dazu … Hände und Füße. Gedämpft hatten die Drogen sie. Der Schmerz half. Mushrooms. Konnte denken … jetzt, nur, in Bruchstücken, die Sinn ergaben … zusammen. Sprechen schwer. Ging nicht viel. Hör das Zwitschern? Vögel. Sind das griechische? Wie sind sie reingekommen? Offenes Fenster. Praktisch. Kein offenes Fenster. Komisch. Twist.

Mama tanzte immer Twist. Einziger Tanz, den sie konnte. Jeden einzelnen Scheißsong. Twist. Hat dazu getanzt.

Tanzen … nicht gut. Wieso machte Pearce es dann? Nur drei Hopser fehlten am … hopp-hopp-hopp-hopp.

Twist, ja, genau. Jesus kapierte. Er tanzte den Twist. Nicht Pearce. Drehte sich. Ging in Stellung. Diese Art von Drehung außerdem, nicht wie beim Tanzen. Niemand tanzte hier. Weder Mum noch er noch Pearce. Er schrie auf, etwas bohrte sich in ihn hinein. Konnte den Schmerz nicht ganz orten. Schien sich zu verschieben. Ein Tier, das in ihm einen Bau buddelte. Konnte die Krallen spüren. Im Oberschenkel. Igitt. Vogelfüße.

Bloß keine Vögel. Nicht hier unten. Nein.

Und jetzt verstand er, was Pearce ihn fragte. Wie wollte er das machen?

Der Vogellärm kam von Pearce, der sprach.

Das war es.

Nicht Vögel.

Nicht hier unten.

Nein.

Vögel waren draußen. Nicht hier drinnen.

»Du kannst es schaffen«, sagte die Wespe.

Jesus keuchte. Versuchte zu sprechen. Sein Kiefer tat weh. Seine Zähne taten weh. Sein Zahnfleisch tat weh. Seine Lippen taten weh. Was schaffen? »Was schaffen?«

»Was du grade machst.«

Was er grade machte.

Genau. »Genau.«

Brummelte: »Hätte nicht gedacht, dass ich da durchkomme.«

Jesus hielt inne und sagte in seinem Kopf: »Nicht sicher, dass du’s packst.«

»Scheiße, das war fast ‘n Gespräch. Mach weiter. Du kannst es.«

»Was?«

»Was du grade machst, verfluchte Kacke.«

Und der Raum drehte sich um die eigene Achse.

Ein jäher Schmerz. Aber auf dem Boden. Schmerz strahlte an seiner Hüfte abwärts und am Brustkasten entlang. Hitze, Hitze, Hitze. Er konnte Pearce nicht mehr sehen, aber er konnte ihn deutlich hören, wie er ihn anfeuerte, ihm versicherte, dass er es schaffen konnte. Oder war es die Wespe?

Kein Vogelgezwitscher mehr. Welch eine Erleichterung!

Also, was hatte er hier unten auf dem Boden zu suchen? Keine Lederriemen zum Kauen. Musste er jetzt die Vögel fangen und sehen, ob sie Griechisch sprechen konnten? War es das?

Er lag einfach auf dem Boden und starrte in die wunderschönen Lichter. Voller Schmerzen. Starrte auf den Kronleuchter über der Bank.

Grandios. Eine Augenweide. Hätte ihn ewig anschauen können. Den Schmerz vergessen. Sich darin verlieren. Atemberaubende Strukturen. Er war heil geblieben. Kreuz umgestürzt, daneben. Höher, als es aussah. Er ließ seinen Verstand in das verflixte Ding fallen, ließ sich von ihm verschlingen und ließ nicht mehr los. Er versank, fiel immer tiefer in das Schimmern. Drinnen war noch ein Kronleuchter, und in dem versank er auch. Und dann zog er sich ruckartig heraus wie ein Mann, der fast am Steuer eingenickt wäre. Aber er war noch einen Kronleuchter zurück, und so zog er sich auch aus diesem heraus.

Jetzt bekam er Angst, dass er, wenn er hineinfiele, nie mehr rauskommen würde. Immer tiefer sinken würde, bis die Oberfläche eine ferne Erinnerung an etwas wäre, das nicht mehr erreichbar ist. Und der alles verschlingende Kronleuchter. Eine Geschichte, die die Wespe ihm vorlesen wollte.
Der verzauberte Kronleuchter.

Er schloss die Augen, um nicht in das Licht zu sehen. Hörte die rasselnde Stimme der Wespe. Sie war eine Weile still gewesen, aber sie war wieder da und erzählte Jesus eine Geschichte.

Es war einmal ein kleiner Junge, der hieß Brian.

Er lächelte. Es war so lange her, dass jemand seinen Vornamen genannt hatte.

Und Brian war ein ungezogener Junge.

Neinl Niemals!

Und er wurde von einem bösen Mann namens Wallace in ein Verlies gesperrt.

Die Wespe musste schreien, um Jesus’ Schreie zu übertönen. Aber sie schaffte es mit ihren kräftigen Lungen.

Wallace mochte keine unartigen Jungen. Vielmehr pflegte Wallace alle unartigen Jungen des Dorfes in sein Verlies zu bringen und sie an Bänke zu schnallen und sie dort allein zu lassen, damit sie in ihrem eigenen Gestank verfaulten.

Wie Pearce. Nicht wie Jesus. Jesus hatte einen Käfig. Wie gefällt Ihnen das, Mister Wespe, halten sich wohl für superschlau?

Manchmal kam er herunter und sprach mit ihnen. Manchmal gab er ihnen zu trinken. Aber der Tee war vergiftet und ließ sie Dinge sehen, die es gar nicht gab.

Manchmal dachten die Jungen, bei ihnen in dem Verlies sei eine riesige Wespe, aber das war nur das Gift, das ihnen Streiche spielte.

Und manchmal hörten die Jungen Schreie und Rufe, und als sie fragten, wer da sei, antwortete Jesus und sagte ihnen, er würde ihnen helfen zu entkommen, aber er sei an ein Kreuz genagelt, und deshalb sei es ein langsamer, schmerzhafter Vorgang, und sie müssten ihn mit ihm ertragen.

»Danke«, sagte Jesus. »Ich glaube, es reicht mit der Geschichte.«

Die Wespe schwebte lautlos, dann flog sie im Zickzack außer Sichtweite. Jetzt war keine Stimme mehr in Jesus’ Kopf, aber Lichter blitzten hüpften wirbelten in seinem Schädel, bunte tanzende Farben und Worte, die zu weichen Formen anschwollen und zärtlich die Oberfläche seines Gehirns küssten.

Er war dabei, wieder abzudriften, und hörte jemanden rufen.

Jesus schrie wieder, und das Wort >Jesus< erschien in seinem Kopf, gelb, das fette >J< an der Basis orange gefärbt. Es war wunderschön anzuschauen. >Oh kommet und sehet das Wort
Jesus
in seiner ganzen Herrlichkeit.<

Andere Worte schwappten in seinen Kopf: >Hai<, >Vanillepudding<, >Heathrow<. >Vanillepudding< war ein schön aussehendes Wort. Die beiden anderen waren dünn, hart, kalt, blau. So wie die Augen von Wallace.

»Jesus.«

Das war wieder die Wespe. Was wollte die nur, verdammte Scheiße? »Die Nagelpistole.«

Die Scheißnagelpistole. Nagelpistole. Die große, fette, wespige Nagelpistole. Er hob den Kopf. In der Ecke, da war sie doch, nicht? War das eine Nagelpistole?

Aber da hinüber kam er nicht. Er würde kriechen müssen. Das Kreuz mit sich schleppen.

Nichts zu machen, verflucht.

Jemand fing an zu schreien, und nach einer Weile nahm das Geschrei einen Rhythmus an und hörte sich gar nicht mehr wie Geschrei an.

Er war ein netter Kerl. Schau mal, er wollte diese ganze Mühe für Pearce auf sich nehmen, nicht wahr? Mann, tat das weh.

Oder machte er es für die Wespe? Wo war das fette, hässliche Stachelvieh? Konnte es gar nicht mehr sehen.

Scheiß auf das Gebrüll. Es brachte die Nägel zum Erzittern, was seine Hände zum Kribbeln brachte, was seine Füße zum Kribbeln brachte, was seine Unterarme zum Kribbeln brachte, was seine Schienbeine zum Kribbeln brachte, und das war schon was.

Er versuchte sich zu bewegen.

Ein Quietschen.

Mehr Schmerzen.

Ein leises Schluchzen, Keuchen und ein Stöhnen.

Er schloss die Augen. Sah den Kronleuchter in seinem Kopf, der herumschwamm, als wäre er flüssig. Über ihm kam die Maserung in der Decke ins Schlingern. Öffnete die Augen. Drehte den Kopf. Sah den Fußboden, Würmer in Scheiben.

Hielt den Atem auf Höhe des Kehlkopfes an.

Was machte er? Wo war er? Wer war er? Woher kamen die ganzen Schmerzen? »Nagelpistole«, sagte die Wespe.

 

Flash starrte aus dem Fenster, auf der einen Seite verschwommen der Verkehr, gelegentlich ein Fußgänger auf der anderen, niemand schaute irgendwen an, niemanden kümmerte, was der andere machte, niemanden kümmerte, was dem anderen zustieß, niemanden kümmerte, was aus May wurde, aber doch, Rog würde es kümmern, wenn er es wüsste, und Dad, klar, aber ja, Gott, wenn May starb, und das, Gottverdammichnochmal, das war so unwahrscheinlich nicht, ja, Rog wäre am Arsch, und für Dad wäre es das Ende und …

Scheiße. Das Baby. May konnte vielleicht überleben, aber auf keinen Fall das Baby.

Wenn May das Baby verlor, dann war das definitiv das Ende für Dad.

Er musste mit ihm sprechen. Ihm alles erzählen.

Flash tastete nach dem Handy. Wählte. Keine Antwort.

Da schien was nicht zu stimmen. Dad müsste da sein, und als er vorhin am Telefon gewesen war, hatte er sich kurzatmig angehört, und Flash erinnerte sich, dass er früher schon Schmerzen in der Brust gehabt hatte.

Flash musste einen Umweg machen. »Sorry, May«, murmelte er, als er nach links abbog. Wallace würde warten müssen.

 

Das Sehen wurde schwer. Wallace blinzelte mehrmals, doch seine Sicht blieb verschwommen. Die Halswunde wurde auch nicht besser. Er gebrauchte das Wort nur ungern, aber, na ja, es sprudelte. Als würde ihm jemand warmes Wasser über den Adamsapfel gießen. War gar nicht gut. Und, doch, er fühlte sich ein bisschen duselig.

Inzwischen war nicht nur sein Kragen durchgeweicht. Das Hemd vorne triefte. Das würde er jetzt auf jeden Fall wechseln müssen.

Er versuchte das Gaspedal durchzutreten, aber sein Fuß gehorchte nicht. Genauso wie die Hand am Steuer. Rührte sich nicht. Lag einfach da, ohne sich zu drehen, ohne zu tun, was er von ihr verlangte. Sein Fuß fühlte sich leicht an. Federleicht. Kleine Federn am Ende seiner Beine. Federn am Ende seiner Arme.

Other books

Sapphire by Taylor Lee
My Friend Walter by Michael Morpurgo
Witches of Kregen by Alan Burt Akers