Hard Man (18 page)

Read Hard Man Online

Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
12.11Mb size Format: txt, pdf, ePub

Jesus in einem Käfig. Hatte Pearce das geträumt?

Licht sickerte durch Pearces Lider, verflucht grell. Als würde ihm jemand aus nur wenigen Zentimetern Abstand mit einer Taschenlampe in die Augen leuchten. Als er die Lider öffnete, fühlte es sich an, als würde ihm jemand die Finger in die Augäpfel bohren. Seine Lider senkten sich. Er hatte nicht den geringsten Scheiß erkennen können. Gleich würde er es noch mal versuchen.

»Ist’s dir zu hell?« Wallace.

Erneut war Pearce der Gnade von Wallace ausgeliefert, und nach allem, was er schon erlebt hatte, hatte Wallace es mit Gnade nicht so sehr. Die Lage drohte langweilig zu werden, wenn Wallace mit seiner Folterbehandlung noch lange fortfuhr. Aber Wallace konnte absolut machen, was er wollte, ohne dass Pearce einen Dreck daran ändern konnte. Oder doch?

Er hatte mal einen Film gesehen, in dem ein an Armen und Beinen Gelähmter seinen Angreifer totgebissen hatte. Ob er das auch konnte? Wallace nahe genug heranlocken und ihm dann die Zähne in den Hals schlagen. Wie sollte er das machen? Ihm sagen, dass er ihm einen Kuss geben wollte? Das Dumme an der Sache war, dass Pearce, wenn er Wallace totgebissen hatte, immer noch an das Scheißbett geschnallt sein würde.

Wollte er sein Leben davon abhängig machen, ob er sich selbst befreien konnte? Er rechnete nämlich nicht damit, dass jemand von draußen in dieses selbst gebastelte Gefängnis eindringen könnte. Und Jesus konnte auch nicht helfen, wenn er in einem Käfig saß. Vielleicht war das mit dem Totbeißen doch keine so gute Idee.

Überhaupt tat Pearce das Gesicht viel zu weh, um auch nur daran zu denken, irgendwen zu beißen.

Das Problem war, dass er keine Ahnung hatte, was Wallace plante. Er erwog, ihn danach zu fragen. Vielleicht würde es Wallace Spaß machen, es ihm zu erzählen. Sadisten waren so. Andererseits konnte Wallace es auch für sadistischer halten, Pearce die Möglichkeiten in Gedanken durchspielen zu lassen.

Was er auch tat. Und alle waren übel.

Er schlug die Augen wieder auf, blinzelte ein paarmal. Schließlich konnte er den Blick scharf stellen. In dem Licht wirkte der Gestank nicht ganz so schlimm. Als Erstes fiel ihm auf, dass Wallace seine Brille aufhatte. Vielleicht wollte er damit ein paar blaue Flecken im Gesicht kaschieren. Normalerweise hätte er mit der Brille jung und harmlos gewirkt. Aber im Augenblick sah er damit aus wie ein Psychopath. Als Pearce schärfer sehen konnte, sah er, dass Wallaces Lippen geschwollen waren, als hätte er eine Allergie gegen Collagen. Seine Nase war ein bunter Mix aus Dunkel- und Purpurrot. Der Rahmen seiner Brille verdeckte nur zum Teil die großen schwarzen Schatten unter seinen Augen.

Gut.

Pearce ahnte, dass sein Gesicht noch übler aussehen musste. Und spürte es auch.

Egal, Wallace hielt eine Flasche in der rechten Hand. Ah ja. Es war wohl >Hast du Durst?<-Zeit. Psychologische Folter jetzt. Nur dass das Wasser gelblich braun war. Es war gar kein Wasser. Sah eher aus wie dunkle Pisse oder flüssige Scheiße.

Drecksau. Pearce hätte sich lieber ein weiteres Mal zusammenschlagen lassen. So durstig war er noch nie gewesen. Er versuchte, seinen Durst zu vergessen und die Gelegenheit zu nutzen, um sich so viel wie möglich von dem Raum einzuprägen. Da er den Kopf nicht höher als ein paar Zentimeter heben konnte (und das tat schon weh), konnte er nicht allzu viel sehen. Eine niedrige Decke, von der ein völlig absurder vierstöckiger Kronleuchter baumelte. Die Entfernung war schwer einzuschätzen, aber es sah aus, als würde er sich den Kopf daran stoßen, wenn er sich aufsetzte (falls er gekonnt hätte). Das war das Letzte, was er wollte, sich den Kopf anstoßen. Allein bei dem Gedanken brannte ihm die Schädeldecke, und in der Mitte seines Kopfes zog sich der Schmerz zu einem Knoten zusammen. Die Wand hinter Wallace bestand aus Eierkartons. So sah es wenigstens aus. Schachtel an Schachtel, bis hoch an die Decke. Da hatte jemand ‘ne Menge Eier gegessen. Und vor den Eierkartons ein Käfig. Der Käfig von Jesus. Hoch genug, damit ein Mann aufrecht sitzen, und lang genug, damit er sich hinlegen konnte. Scheiße, Jesus. Da war er. Ein verdreckter junger Kerl, nicht älter als achtzehn, mit einem kümmerlichen Fusselbart und mit nichts als einem Stück Stoff um die Hüften.

Pearce blinzelte Wallace zu und sagte: »Wer ist er da?«

»Hat er’s dir nicht gesagt?«

»Hat mir irgend’nen Scheiß erzählt.«

»Wie sieht er denn aus?«

»Sieht aus wie der, der er zu sein behauptet.«

»Dann ist er’s auch.«

»Ihr seid zwei beschissene Irre. Wer ist er?«

»Jesus.«

Wallace totzubeißen erschien ihm mit einem Mal wieder als glänzende Idee. »Gib mir ‘nen Tipp.«

Wallace beachtete ihn nicht. »Du siehst nicht sehr gut aus«, sagte er.

»Du solltest erst mal den andern Kerl sehen, Arschloch.« Pearce wappnete sich.

Es kam allerdings kein Schlag. »Ich dachte, du könntest vielleicht Durst haben«, sagte Wallace. »Hab dir was zu trinken mitgebracht.« Er hielt die Wasserflasche hoch.

Das war schlimmer, als noch mal zusammengetreten zu werden. Durst war gar kein Ausdruck, verdammt. Pearce merkte, dass er sich die Lippen leckte, und ließ es bleiben.

Wallace hatte es allerdings auch bemerkt. Er lächelte. »Ich wird den Riemen über deiner Brust abmachen«, sagte er nach einer Sekunde. »Dann kannst du dich aufsetzen. Und ‘nen ordentlichen Schluck trinken.«

»Die Hände auch.«

»Seh ich aus, als war ich bescheuert?«, sagte Wallace. »Wie heißt du?«

Scheiße, das war die üble Tour. Revanche für die Jesus-Geschichte. »Das weißt du doch.«

»Würd ich fragen, wenn ich’s wüsste?«

»Ich sag’s dir, wenn du mir sagst, wen du da in den Käfig gesperrt hast.«

»Laut Kreditkarten in deiner Brieftasche heißt du Pearce. Gordon Pearce.«

Pearce hasste Psychospielchen. Da verlor er immer. »Du hast in meinen Taschen geschnüffelt?«

»Wie hätte ich widerstehen können?«

»Kann ich was haben«, sagte Jesus.

»Ich hab nicht gesagt, dass du reden sollst«, fuhr Wallace ihn an.

»Er kann’s gerne haben«, sagte Pearce. »Magst du keinen Tee, Pearce?«

Tee? Das war Tee? Schon möglich. Aber wieso sollte er sich die Mühe machen, Tee zu kochen? Was war gegen Wasser einzuwenden? Tee. Bei dem Gedanken lief Pearce das Wasser im Mund zusammen, gerade als er schon gedacht hatte, der Speichel sei ihm endgültig eingetrocknet. Und dabei mochte er Tee nicht mal.

Wallace machte den Riemen los und sagte: »Setz dich auf.«

Pearce schaffte es, den Kopf etwa dreißig Zentimeter zu heben. Genug, um sich nicht zu verschlucken.

Wallace legte ihm eine Hand in den Nacken, um ihn zu stützen. Setzte die Wasserflasche an seinem Mund an.

Pearce schnüffelte und versuchte herauszufinden, was sich in der Flasche befand. Zu sehen, ob Wallace wirklich Spielchen spielte. Hoffte wider alle Hoffnung, dass es wirklich Tee war, verdammt.

Nicht zu sagen. Der andere Gestank war immer noch zu übermächtig.

»Du hast fünf Sekunden«, sagte Wallace. »Wenn du nicht willst, geb ich’s Jesus.«

Jesus. Genau. »Wieso ist er hier?«

»Hmm. Jesus war ungezogen.«

»Was hat er gemacht?«

»Willst du keinen Tee?«

»Ich trink ‘nen Schluck. Was hat er gemacht?«

»Sag’s Pearce, Jesus.«

Jesus fing an zu schluchzen. »Es tut mir leid.«

»Das weiß ich. Aber sag Pearce, was du gemacht hast.«

Jesus’ Schluchzen wurde lauter. »Ich kann nicht.«

»Oh, du kannst schon. Du musst sogar.«

Zwischen schweren Schluchzern stieß Jesus die Worte hervor: »Ich hab mit May geschlafen.«

Aha, der Freund. Der Trottel, der May geschwängert hatte. Dann war Jesus so gut wie tot. »Was hast du mit ihm vor?«, sagte Pearce zu Wallace.

Wallace seufzte. »Was hab ich mit dir vor, Jesus?«

Jesus brach laut heulend zusammen.

»Nicht mehr viel übrig vom harten Mann.« Wallace ging zu dem Käfig und trat dagegen. Jesus hielt den Mund. Okay, er jammerte weiter, aber leise. »Fand sich mal ganz toll, der da«, fuhr Wallace fort. »Hat’s mit jedem aufgenommen, solange er ‘n Messer hatte und sein Gegner nicht. Aber als May mir erzählt hat, dass er Gedichte schreibt, da wusste ich, was für ’n Weichei das ist. Scheißgedichte.« Er trat wieder gegen den Käfig, und Jesus hörte auf zu jammern. »Antworte auf die Frage«, sagte Wallace. »Sag Pearce, was ich mit dir vorhabe.«

Kurz darauf sagte Jesus: »Wenn es so weit ist, will Wallace mich kreuzigen.«

Verdammte Scheiße. »Und wann ist es so weit?«, fragte Pearce.

»Sehr bald«, ließ Wallace ihn wissen. »Das Holz hab ich schon besorgt. Und das Werkzeug auch. Das bring ich später alles runter und richte mir ‘ne Stelle zum Schreinern ein. Dann mach ich ein schönes Kreuz und stell’s da an der Wand auf, damit du von deiner Bank aus ‘nen Logenplatz hast.«

Pearce lag also auf einer Bank, keinem Bett. Pearce freute sich kurzfristig, dass Wallace etwas rausgerutscht war, bis ihm klar wurde, dass sich dadurch nicht das winzigste bisschen änderte.

»Also«, sagte Wallace, »willst du jetzt den Tee, oder muss ich das ganze Zeug diesem stinkenden, bärtigen Wichser in die Kehle schütten?«

Scheiß drauf. Pearce hatte zu großen Durst. Er musste es probieren. Er legte den Mund um die Öffnung und sog. Ließ nur ein paar Tropfen in den Mund rinnen. Lauwarm. Wartete eine Weile, bis seine Geschmacksknospen ansprachen. Fragte sich, ob er gerade den Mund voll Scheiße genommen hatte. Aber nein, es war Tee. Womöglich der scheußlichste Tee, den Pearce je getrunken hatte, aber es war erkennbar Tee. Er nahm noch einen Schluck. Dann noch einen. Wenn Wallace reingepisst hatte, wollte Pearce es gar nicht wissen.

»Braver Junge«, sagte Wallace und entzog ihm die Öffnung. »Glaub mir, davon willst du nicht allzu viel.« Er schnallte Pearce wieder fest, indem er die Fesseln straff anzog. »Und jetzt kriegt Jesus den Rest. Heute wird er ein Stück vom Himmel sehen.«

Pearce hatte keine Ahnung, wovon Wallace eigentlich sprach. Aber der Ton gefiel ihm nicht. Das einzige Stück, das er sich wünschte, war ein Stück Kuchen. Scheiße, er war am Verhungern. Das hatte man von ein paar kleinen Schlucken Tee. Er wollte im Grunde nicht fragen, konnte es sich jedoch nicht verkneifen. »Irgend’ne Chance, was zu essen zu kriegen?«, sagte er.

»Seh ich aus wie ‘n Koch?« Wallace ging zu dem Käfig, und Pearce musste den Kopf heben, um ihn noch sehen zu können.

»Genügend Scheißeier frisst du ja«, sagte Pearce.

Wallace warf einen Blick auf die Eierkartons, die vom Boden bis zur Decke reichten. »Das ist zur Schalldämpfung, du blöder Arsch.«

»Ich bin vielleicht ‘n blöder Arsch«, sagte Pearce, »aber wenigstens bin ich kein Wichser, dessen Frau lieber mit dem armen Schwein da drüben fickt, als mich auch nur auf fünf Meter an sich rankommen zu lassen.«

»Willst du als Erster dran glauben?«, sagte Wallace. »Dann red nur weiter.«

Pearce wollte nicht darüber nachdenken, was Wallace meinte. Er wusste es ja. Wallace würde sie beide kreuzigen. Wie sollte Pearce nur aus diesem Schlamassel herausfinden? Er hörte, wie Jesus besessen an der Flasche mit Tee saugte. »Wie heißt Jesus richtig?«, fragte er Wallace.

Das Saugen hörte auf. Pearce drehte den Kopf und sah, dass Wallace die Flasche weggezogen hatte. »Wie heißt du richtig?«, fragte Wallace Jesus.

»Jesus«, sagte Jesus.

»Braver Junge«, sagte Wallace und setzte die Flasche wieder an Jesus’ Lippen. Gerade so, als ob er ein Baby füttern würde.

Jesus trank bis auf den letzten Tropfen aus, und Pearce ließ den Kopf auf die Matratze zurückfallen. Er war am Arsch.

Doch da gab es noch einiges, was er vorher herausfinden musste. Er hörte Schritte, die sich entfernten, schaute hoch, und Wallace war schon fast an der Tür. Pearce wollte eigentlich nicht mit der Sau reden, aber er hatte keine Wahl, wenn er Informationen wollte. Den Wichser in ein Gespräch zu verwickeln konnte nicht schaden. Vielleicht verbündeten sie sich ja. Das kam vor, dass Leute sich mit ihren Entführern verbündeten. Auf diese Weise überlebten manche. Passierte immer wieder. Genau, verbünde dich mit dem Wichser. Genau, Scheiße noch mal. Aber angenommen, man wollte es, wie stellte man das an? Ihn was fragen. Das hatte Pearce ja sowieso machen wollen.
Dann mach schon, du Depp, ehe es zu spät ist.

»Warum hast du meinen Hund umgebracht?«, sagte Pearce.

»Von was redest du ‘n da?«, sagte Wallace, die Hand am Lichtschalter. »Alle haben’s hier mit toten Hunden. Ich mag Hunde, Pearce. Ich hab noch nie im Leben ‘nem Hund was angetan. Wieso denken alle, ich hätte ihren Hund abgemurkst? Hab ich mit meiner Zeit nichts Besseres anzufangen?«

»Du hast ihn umgebracht. Du hast Hilda umgebracht.«

»Dein Hund heißt Hilda?«

»Und wenn?«

»Und es ist ein Er?«

»Leck mich«, sagte Pearce. Ja, scheiß auf die Kontaktaufnähme. Scheiß aufs Verbünden. Ein Mann konnte sich nicht jeden Dreck bieten lassen. »Ich schätze, du weißt auch nicht, wer deinen Schwager zusammengeschossen hat?«

»Denkst du, ich verschwende meine Zeit mit dem armen alten Rog? Ich würd nicht mal auf ihn scheißen, wenn er ‘ne Riesenfliege war und Geburtstag hätte.«

Komisch, dass Wallace für nichts die Verantwortung übernehmen wollte. »Und wer hat dann auf ihn geschossen, wenn du’s nicht warst?«, fragte Pearce.

»Wie kommst du drauf, dass ich das weiß? Ich bin doch der Letzte, mit dem irgendwer redet.« Wallace beschrieb mit der Hand einen Bogen bis an seine Seite. »Der Familientratsch rauscht glatt an mir vorbei.«

Wallace stritt also alles ab. Das war gut. Pearce würde nach dem Hund der Baxters fragen, Wallace würde leugnen, und dann würde er wissen, dass Wallace es ernst meinte und die Baxters doch nicht so verrückt waren, wie Pearce zuerst gedacht hatte. »Und was ist mit Louis?«

»Was
ist
mit Louis?«

»Das weißt du genau. Mays Hund.«

»Natürlich weiß ich, wer der Hund ist.«

»War. Vergangenheit. Der Hund ist tot.«

»Da wird sie sich ganz schön aufregen.«

»Willst du damit sagen, dass du nichts damit zu tun hast?«

»Du bist ja besessen von dem Gedanken, dass ich Hunde umbringe. Halt mal die Luft an.«

Dem Wichser machte das Spaß. »Okay, du hast vor … du weißt schon …« Pearce hatte eine Frage, aber irgendwie war sie zwischen Hirn und Mund verloren gegangen. Seltsam - und ein bisschen besorgniserregend. Er konnte sich noch so sehr anstrengen, doch er konnte sich nicht erinnern, was er hatte sagen wollen. Scheiße, nein. Konnte sich nicht daran erinnern, wovon er geredet hatte. Irgendetwas stimmte nicht in seinem Kopf. Hatte vielleicht einen Schlag zu viel abgekriegt. Das fehlte ihm jetzt gerade noch. Ein Scheißgehirn, das nicht richtig funktionierte.

Other books

Darkness peering by Alice Blanchard
Chimera by Celina Grace
Angels Twice Descending by Cassandra Clare, Robin Wasserman
Fool on the Hill by Matt Ruff
Improbable Cause by J. A. Jance
Dissident by Cecilia London
Finding Laura by Kay Hooper