Hard Man (16 page)

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Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
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Die Milchpackung. War er jetzt ein- oder zweimal vorbeigekommen? Im Zweifelsfall… Er trat dagegen. Sie traf die Stoßstange eines geparkten Autos und schoss hoch in die Luft. Klatschte herunter auf die Kühlerhaube. Er hielt den Atem an und war gefasst darauf, dass die Alarmanlage losging und auf ihn aufmerksam machte.

Alles blieb ruhig.

Er nahm die Packung vom Kühler, ließ sie fallen und versetzte ihr einen Stoß mit dem Fuß. Alles war wieder normal.

Nur dass es nicht normal war.

Jemanden umzubringen war nicht normal. Er hätte das Lächeln des Kleinen erwidern sollen. Zu spät.

Die Milchpackung. Was hatte er sich nur dabei gedacht. Das hätte alles verderben können.

Auf Wallace konzentrieren.

Die Packung in einen Abfallkorb werfen.

Wallace. Man musste unwillkürlich den Vergleich ziehen, oder? Na ja, Pearce musste. Wenn er an Wallace dachte, dachte er an William Wallace.
Braveheart.

Wenn Wallace wie Mel Gibson aussah, dann war der Abend so gut wie gelaufen.

Konnte nirgends einen Abfallkorb entdecken.

War eh keine Zeit mehr, denn in diesem Augenblick hörte er das, worauf er schon lange gehorcht hatte. Ein Auto kam näher, wurde immer langsamer. Pearce trat vom Bordstein zurück und sah, wie der Range Rover auf einem Stellplatz vor Hausnummer acht parkte.

Ein Typ stieg aus. Mittlere Statur. Anzug. Slipper. Brille. Sah so aus, als könnte er keiner Fliege was zuleide tun. Oder keinem Baby. Oder keiner Ehefrau. Oder keinem Hund. Wie Mel Gibson sah er allerdings nicht aus.

Lockerte schon den Schlips. Fummelte mit der anderen Hand in der Hosentasche. Holte die Schlüssel raus.

In ein paar Minuten würde Pearce sehen, wie viel er mit
Braveheart
gemein hatte.

Erst mal reingehen lassen. Wollte sich ja nicht auf der Straße prügeln. Dann würde noch jemand die Polizei anrufen und alles vermasseln.

Wallace verschwand im Haus. Pearce konnte ein leises Klicken hören, als die Tür zufiel.

Pearce beobachtete den Minutenzeiger seiner Uhr. Er würde Wallace genau zwei Minuten geben. Genügend Zeit, um abzulegen, aber nicht genug, um richtig nach Hause zu kommen.

Genügend Zeit für Pearce, um zu dem Abfallkübel am Ende der Straße zu kommen.

Der Gang hin und zurück dauerte eine Minute und siebenunddreißig Sekunden.

Als es endlich so weit war, stellte Pearce fest, dass sich das Messer in der Naht seiner Tasche verfangen hatte und er es nur herausziehen konnte, wenn er den Stoff zerriss. Ein Glück, dass er sich entschlossen hatte, es jetzt rauszuholen.

Hätte er vorgehabt, Wallace mit einem raschen Ziehen zu imponieren, hätte er ziemlich blöd dagestanden. Er nahm das Messer fest in die linke Hand, eng an der Handfläche, Griff Richtung Ellbogen. Hielt die Messerspitze mit den Fingerspitzen. So blieb es vor Passanten verborgen. Und konnte sich nirgendwo verhaken. Außer in seinen Fingern. Aber er würde vorsichtig sein. Er hatte nicht vor, sich zu schneiden.

Er überquerte die Straße. Schlenderte zur Haustür. Klingelte.

Er war ganz ruhig. Leicht beschleunigter Herzschlag, aber das war nicht anders zu erwarten. Und, doch, leichtes Schwitzen. Ach scheiß drauf, das hier war nun mal gefährlicher als ein Einstellungsgespräch, und bei denen schwitzten die Leute auch.

Wallace öffnete die Tür mit einem Stück Papier in der Hand, vermutlich einer Rechnung, dem zerrissenen braunen Kuvert nach zu urteilen, das vor ihm auf der Erde lag.

Pearce schätzte sofort die Lage ab, packte die Tür und stieß zu.

Sie knallte Wallace gegen die Stirn. Haute ihm die Brille schief.

Schon fast komisch, aber niemand lachte.

Pearce stieß noch einmal mit der Tür zu.

Wallace schaffte es, aus dem Weg zu hechten, bevor er noch einmal getroffen wurde. Besser so. Nur ‘n echt guter Witz war zwei Mal hintereinander lustig.

Pearce trat ins Haus und nahm das Messer von der linken in die rechte Hand.

Die eine Seite des winzigen Flurs stand voll mit Schuhregalen. Drei hintereinander. Wallace liebte seine Fußbekleidung. Eine Grünpflanze mit einem festen, tauartigen Stamm stand in der Ecke gegenüber. Die Blätter waren schon ganz schlapp vor Durst. Zwei Blumentöpfe auf der Fensterbank beherbergten dürre kräuterartige Gewächse, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatten. Es roch leicht nach Abfluss.

Wallace stand am anderen Ende des Flurs, rechts von ihm eine Treppe, links eine Tür. Auf seiner Stirn hatte sich direkt über dem rechten Auge ein kleiner Schnitt geöffnet, und ein dünner Blutstreifen rann auf seine Augenbraue zu. »Ich hab keine blasse Ahnung, wer du bist«, sagte er, während er die Brille zurechtrückte. »Aber ich schneid dir die Eier ab und zwing dich, sie zu fressen.«

Pearce schloss die Tür. »Dazu brauchst du ein Messer.«

»Ich kann ja deins nehmen.«

Gegen seinen Willen empfand Pearce Bewunderung für den Typen, trotz allem, was er Hilda angetan hatte. Er hatte keine Waffe, aber man musste ihm mal zuhören. Ein bisschen Glücksspiel war vielleicht dabei gewesen, doch Pearce hatte nicht erwartet, dass Wallace die Tür mit einer Knarre in der Hand aufmachen würde. Pearce baute darauf, dass Wallace sie weggeworfen hatte, nachdem er sie gegen Rog Baxter eingesetzt hatte. Egal, selbst wenn Wallace bewaffnet gewesen wäre, hätte er das Nachsehen - obwohl er das natürlich nicht wusste. Aber wenn man ihn so hörte, würde man denken, dass er ein Maschinengewehr mit herumschleppte.

Pearce schaute prüfend auf Wallaces Hände, um sich zu vergewissern, dass dem nicht so war.

Der Typ hatte ein sagenhaftes Selbstbewusstsein. Ließ Pearce schlecht aussehen. Machte, dass Pearce weniger selbstsicher war als gewöhnlich. Das durfte er nicht zulassen. Er musste das Gleichgewicht wiederherstellen.

Er drehte das Messer um und trat einen Schritt auf Wallace zu. Wallace wich zurück. Nicht ängstlich. Nur vorsichtig. Pearce streckte das Messer aus, Griff voran. »Na, dann los.«

»Genau«, sagte Wallace.

»Nimm’s dir.«

Wallace schaute auf das Messer. Schaute auf Pearce. Wieder aufs Messer. Pearce seufzte. »Traust du mir nicht?«

»Wer
bist
du eigentlich, Scheiße noch mal?«

»Das Messer gehört dir. Nimm’s dir.«

»Leck mich.«

»Okay«, sagte Pearce. »Geh ‘nen Schritt zurück.« Wallace rührte sich nicht.

»Mach einfach ‘nen Schritt zurück. Was soll das schon schaden?«

Ein paar Sekunden lang bewegte Wallace sich nicht. Dann machte er einen Schritt rückwärts.

Ohne Wallace aus den Augen zu lassen, bückte Pearce sich und legte das Messer auf den Boden. Er trat davon zurück, bis es von beiden gleich weit entfernt war.

»Sagst du mir jetzt, wer du bist?«, sagte Wallace.

»Lass die Psychospielchen, Wallace.«

Noch bevor Pearce seinen Satz beendet hatte, stürzte Wallace sich auf das Messer.

Pearces Timing war leicht daneben. Sein Stiefel traf Wallace anstatt aufs Kinn auf die Schulter und brachte sie beide zum Taumeln. Wallace prallte von der Wand ab, wobei er ein paar Schuhe zu Boden fegte, und warf sich erneut auf das Messer.

Diesmal landete Pearces Faust einen Schlag auf sein Kinn, ehe er den Griff erreicht hatte. Der Kopf von Wallace flog zurück. Fast augenblicklich erschien auf seiner Lippe ein Blutfleck. Mit dem Handrücken wischte er ihn ab.

Pearce stieß die Faust erneut gegen ihn, aber Wallace blockte den Schlag ab. Pearce kickte das Messer weg von Wallaces grapschender Hand und wartete ab. Ließ seine Fingerknöchel abkühlen. Es fühlte sich an, als hätte er den kleinen Finger verloren.

Das Messer lag dicht an der Fußleiste.

Wallace stand auf. »Ich brauch kein Messer«, sagte er. »Ich reiß dir den Kopf mit bloßen Händen ab.« Er hob die Hände und nahm seine Brille ab. Öffnete die Tür hinter sich und verschwand.

Pearce warf einen Blick nach dem Messer. Reichte die Zeit, um es aufzuheben? Nee. Er musste jetzt handeln. Wallace folgen. Denn bis Pearce das Messer hatte, war Wallace schon an seine Kanone gekommen. Denn da war ja immer noch die wie auch immer geringe Möglichkeit, dass die Knarre nicht entsorgt worden war, nachdem er Rog die Kniescheiben weggeschossen hatte. Scheiße.

Los!

Aber wieso hatte Wallace ihm den Rücken zugedreht? Und die Tür offen gelassen? Das war doch einfach nur scheißarrogant.

Der Typ war nicht ohne.

Pearce warf sich durch die Tür. Er sah den Schlag nicht kommen, der ihn von den Füßen holte. Es fuhr ihm durchs Rückgrat, als er auf dem Hintern landete. Er fühlte sich benommen und wusste sofort, dass er in der Scheiße steckte. Er hielt sich am Türrahmen fest und versuchte sich hochzuziehen.

Wallace stand zwei Schritte vor ihm.

»Ich kämpf nicht gerne, wo’s eng ist«, sagte er. Er legte die Brille auf ein Sideboard. Seine Lippe schwoll an. Und seine Augenbraue war rot, genau an der Stelle, wo das Blut aus dem Schnitt auf der Stirn hineingesickert war. »Steh auf. Ich hab schon ‘ne Weile keinen richtigen Gegner mehr gehabt.« Er trat weiter zurück in sein Wohnzimmer.

Pearce rappelte sich auf. Der Hieb hatte ihn auf die Wange getroffen. Hätte schlimmer kommen können. Aber es war ein massiver Schlag gewesen. Er hatte noch nicht viele einstecken müssen, die ihn derart zu Boden gebracht hatten. Er blutete im Mund. Wenigstens schmeckte es nach Blut.

Wallace stand vor seinem Sofa. Ein hübsches weißes Lederteil. Voll die siebziger. An der Seite ein Haufen Kissen auf dem Boden. Dahinter die Küche.

Wallace liebte seine Schuhe. Und er liebte seine Einrichtung.

Pearce saugte an seiner Wange und spuckte einen Batzen roten Rotz auf das Sofa. Sah zu, wie der Wichser die Fassung verlor.

Scheiße, war der schnell. Pearce konnte den Schlag abblocken, aber der Tritt traf ihn am Schienbein. Die Drecksau hatte auf sein Knie gezielt. Und wenn seine Fußsohle so getroffen hätte, wie es gedacht war, wäre Pearces Knie gebrochen worden. Auch so stand jetzt sein Schienbein in Flammen.

»Mach ich meine Sache ordentlich für ‘nen Blinden?«, sagte Wallace.

Pearce ging nun selbst mit einer Schlag-Tritt-Kombination zum Angriff über. Wallace blockte den Schlag ab, wich dem Tritt aus. Pearce machte einen neuen Versuch. Gleiches Resultat. Mehr Glück beim dritten Mal? Pearce glaubte nicht daran.

Wallace offensichtlich auch nicht, denn er sagte: »Ich schlage vor, du versuchst’s mit was anderem.«

»Du bist dran«, sagte Pearce.

Wallace zuckte die Achseln, nickte und verpasste Pearce drei Schläge in die Rippen.

Pearce landete erneut auf dem Boden. Schlug sich die Schulter am Sideboard an. Als er aufstehen wollte, spürte er einen rasenden Schmerz in der Seite. Wallace hatte etwas angeknackst. Scheiße. Pearce wünschte, er hätte das Messer behalten. Er hatte Wallace unterschätzt. Oder sich selbst überschätzt. Kam aufs Gleiche raus. Er musste sich etwas Zeit verschaffen. »Warum hast du’s getan, Wallace?«

»Wenn du mir sagst, was ich getan haben soll, dann kann ich dir vielleicht ‘ne Antwort geben.«

Seine Weigerung, zu reden, machte Pearce wütend. Scheiß auf die Erholungspause. Seine Wut half Pearce auf die Füße. Das mit dem Bein war nicht so schlimm, aber die Seite würde ihn behindern. Jedes Mal, wenn er tief Luft holte, war es, als würde ihm jemand ein Messer reinstechen. Zum Glück war es die linke Seite. Dann konnte er immer noch mit seiner Rechten zuschlagen. Und wenn es wehtat, scheiß drauf.

»Ich hab keinen Schimmer, wer du bist«, sagte Wallace.

»Ich mach die Tür auf, und ehe ich mich umgucke, knallst du sie mir in die Fresse und stichst mit ‘nem Messer nach mir.«

»Du weißt verdammt genau, warum.«

»Ich hab dich mein Lebtag noch nicht gesehen.«

»Hast du doch, verflucht noch mal!«

»Na ja, nehmen wir mal für ‘ne Minute an, dass nicht.«

»Leck mich!«

»Okay. Wie du willst. Dann zeig mir mal, was du kannst, harter Mann.«

Pearce ging in Stellung. Wenn er es diesmal nicht richtig machte und Wallace sich mit ein paar eigenen Schlägen der gleichen Qualität wie eben revanchierte, dann war Pearce erledigt. Er musste nah ran. Wallace hatte irgendeinen Kampfsport gelernt. Heimtückische Sau.

Pearce täuschte einen rechten Haken an, dann noch einen, dann knallte er Wallace den Fuß, so fest er konnte, auf die Zehen. Wallace brüllte. Pearce stellte sich vor, Wallaces Kopf sei ein Fußball, und stieß mit dem Kopf zu.

Wallace flog rückwärts auf das Sofa.

Als er wieder nach vorn prallte, drosch Pearce ihm auf die Nase. Jau. Pearces kleiner Finger war jetzt endgültig gebrochen. Er hielt die eine Hand mit der anderen, während Wallace noch stöhnte.

Scheiße. Mit der wehen Hand konnte er nicht mehr zuschlagen, und seine Rippen schmerzten zu stark, um es mit der anderen zu tun. Seine Stirn brannte auch. Vielleicht konnte er die Drecksau ja tottreten.

Egal was er machen wollte, er musste es schnell erledigen und die Sache zu Ende bringen, ehe Wallace die Chance hatte, sich zu erholen. Er beugte sich hinüber, versuchte den kleinen Finger rauszuhalten und packte Wallace im Nacken. Pearce zog das Knie nach oben, während er gleichzeitig den Kopf von Wallace nach unten riss. Die beiden kollidierten mit aller Wucht.

Wallace schnaufte, dann gab er japsende Geräusche von sich.

Pearce hatte jetzt überall Rotz auf der Jeans.

Die Nase von Wallace war eine blutige Masse, die Kinnlade hing ihm herunter, und von seiner Unterlippe hingen rote Fäden. Er schaute zu Pearce hoch. Sein Blick war ungerichtet. Man sah, dass er nicht mal mehr wusste, wie spät es war.

Jetzt drehte Pearce sich um, ging vom Wohnzimmer in den Flur und hob das Messer vom Boden auf, wo es an der Fußleiste gelandet war. Wollte er ihn umbringen? Er war sich noch nicht ganz sicher. Aber wenn er es nicht machte, würde Wallace ihm im Nacken sitzen. Ein Mann wie Wallace würde so eine Niederlage niemals einstecken. Pearce konnte ihm natürlich auch die Hände abschneiden oder so. Ihn handlungsunfähig machen. Er ging wieder ins Wohnzimmer und stellte fest, dass Wallace …

Direkt in einen weiteren Schlag, den er nicht kommen sah.

Scheiße, anderthalb Schläge waren das.

Nein, es war überhaupt kein Schlag. Er war mit dem Knauf einer Kanone zusammengekracht.

Pearce ging zu Boden. Versuchte, das Messer festzuhalten, aber seine Finger gehorchten nicht. Irgendwie komisch. Ihm war etwas an den Schädel gekracht, und alles, was er spürte, war das Pochen in seinem kleinen Finger. Er versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben, doch sein Gehirn wollte abschalten. Und dagegen war schwer etwas zu machen.

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