Faust (41 page)

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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

BOOK: Faust
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FAUST.

 
Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
 
So sei es gleich um mich getan!
 
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
 
Daß ich mir selbst gefallen mag,
 
Kannst du mich mit Genuß betrügen,
 
Das sei für mich der letzte Tag!
 
Die Wette biet’ ich!

MEPHISTOPHELES.

 
                                   Topp!

FAUST.

 
                                                  Und Schlag auf Schlag!
 
Werd’ ich zum Augenblicke sagen:
1700
Verweile doch! du bist so schön!
 
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
 
Dann will ich gern zugrunde gehn!
 
Dann mag die Totenglocke schallen,
 
Dann bist du deines Dienstes frei,
 
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
 
Es sei die Zeit für mich vorbei!

MEPHISTOPHELES.

 
Bedenk es wohl, wir werden’s nicht vergessen.

FAUST.

 
Dazu hast du ein volles Recht;
 
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
1710
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
 
Ob dein, was frag’ ich, oder wessen.

MEPHISTOPHELES.

 
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
 
Als Diener, meine Pflicht erfüllen.
 
Nur eins!—Um Lebens oder Sterbens willen
 
Bitt’ ich mir ein paar Zeilen aus.

FAUST.

 
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
 
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
 
Ist’s nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
 
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
1720
Rast nicht die Welt in allen Strömen fort,
 
Und mich soll ein Versprechen halten?
 
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
 
Wer mag sich gern davon befreien?
 
Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,
 
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
 
Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,
 
Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.
 
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
 
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
1730
Was willst du böser Geist von mir?
 
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
 
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
 
Ich gebe jede Wahl dir frei.

MEPHISTOPHELES.

 
Wie magst du deine Rednerei
 
Nur gleich so hitzig übertreiben?
 
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
 
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.

FAUST.

 
Wenn dies dir völlig G’nüge tut,
 
So mag es bei der Fratze bleiben.

MEPHISTOPHELES.

1740
Blut ist ein ganz besondrer Saft.

FAUST.

 
Nur keine Furcht, daß ich dies Bündnis breche!
 
Das Streben meiner ganzen Kraft
 
Ist grade das, was ich verspreche.
 
Ich habe mich zu hoch gebläht,
 
In deinen Rang gehör’ ich nur.
 
Der große Geist hat mich verschmäht,
 
Vor mir verschließt sich die Natur.
 
Des Denkens Faden ist zerrissen,
 
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
1750
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
 
Uns glühende Leidenschaften stillen!
 
In undurchdrungnen Zauberhüllen
 
Sei jedes Wunder gleich bereit!
 
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
 
Ins Rollen der Begebenheit!
 
Da mag denn Schmerz und Genuß,
 
Gelingen und Verdruß
 
Mit einander wechseln, wie es kann;
 
Nur rastlos betätigt sich der Mann.

MEPHISTOPHELES.

1760
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
 
Beliebt’s Euch, überall zu naschen,
 
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
 
Bekomm’ Euch wohl, was Euch ergetzt.
 
Nur greift mir zu und seid nicht blöde!

FAUST.

 
Du hörest ja, von Freud’ ist nicht die Rede.
 
Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
 
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
 
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
 
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
1770
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
 
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
 
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
 
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
 
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
 
Und, wie sie selbst, am End’ auch ich zerscheitern.

MEPHISTOPHELES.

 
O glaube mir, der manche tausend Jahre
 
And dieser harten Speise kaut,
 
Daß von der Wiege bis zur Bahre
 
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
1780
Glaub unsereinem: dieses Ganze
 
Ist nur für einen Gott gemacht!
 
Er findet sich in einem ew’gen Glanze,
 
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
 
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.

FAUST.

 
Allein ich will!

MEPHISTOPHELES.

 
Das läßt sich hören!
 
Doch nur vor einem ist mir bang:
 
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
 
Ich dächt’, Ihr ließet Euch belehren.
 
Assoziiert Euch mit einem Poeten,
1790
Laßt den Herrn in Gedanken schweifen,
 
Und alle edlen Qualitäten
 
Auf Euren Ehrenscheitel häufen,
 
Des Löwen Mut,
 
Des Hirsches Schnelligkeit,
 
Des Italieners feurig Blut,
 
Des Nordens Dau’rbarkeit.
 
Laßt ihn Euch das Geheimnis finden,
 
Großmut und Arglist zu verbinden,
 
Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,
1800
Nach einem Plane zu verlieben.
 
Möchte selbst solch einen Herren kennen,
 
Würd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.

FAUST.

 
Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist,
 
Der Menschheit Krone zu erringen,
 
Nach der sich alle Sinne dringen?

MEPHISTOPHELES.

 
Du bist am Ende—was du bist.
 
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
 
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
 
Du bleibst doch immer, was du bist.

FAUST.

1810
Ich fühl’s, vergebens hab’ ich alle Schätze
 
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
 
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
 
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
 
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
 
Bin dem Unendlichen nicht näher.

MEPHISTOPHELES.

 
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
 
Wie man die Sachen eben sieht;
 
Wir müssen das gescheiter machen,
 
Eh’ uns des Lebens Freude flieht.
1820
Was Henker! freilich Händ’ und Füße
 
Und Kopf und H ——, die sind dein;
 
Doch alles, was ich frisch genieße,
 
Ist das drum weniger mein?
 
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
 
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
 
Ich renne zu und bin ein rechter Mann,
 
Als hätt’ ich vierundzwanzig Beine.
 
Drum frisch! Laß alles Sinnen sein,
 
Und grad’ mit in die Welt hinein!
1830
Ich sag’ es dir: ein Kerl, der spekuliert,
 
Ist wie ein Tier, auf dürrer Heide
 
Von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt,
 
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.

FAUST.

 
Wie fangen wir das an?

MEPHISTOPHELES.

 
                                                  Wir gehen eben fort.
 
Was ist das für ein Marterort?
 
Was heißt das für ein Leben führen,
 
Sich und die Jungens ennuyieren?
 
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
 
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
1840
Das Beste, was du wissen kannst,
 
Darfst du den Buben doch nicht sagen.
 
Gleich hör’ ich einen auf dem Gange!

FAUST.

 
Mir ist’s nicht möglich, ihn zu sehn.

MEPHISTOPHELES.

 
Der arme Knabe wartet lange,
 
Der darf nicht ungetröstet gehn.
 
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
 
Die Maske muß mir köstlich stehn.
 
        (
Er kleidet sich um
.)
 
Nun überlaß es meinem Witze!
 
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
1850
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
 
(
FAUST
ab
.)

MEPHISTOPHELES
(
in
FAUSTS
langem Kleide
)
.

 
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
 
Des Menschen allerhöchste Kraft,
 
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
 
Dich von dem Lügengeist bestärken,
 
So hab’ ich dich schon unbedingt—
 
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
 
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
 
Und dessen übereiltes Streben
 
Der Erde Freuden überspringt.
1860
Den schlepp’ ich durch das wilde Leben,
 
Durch flache Unbedeutenheit,
 
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
 
Und seiner Unersättlichkeit
 
Soll Speis’ und Trank vor gier’ gen Lippen schweben;
 
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
 
Und hätt’ er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
 
Er müßte doch zugrunde gehn!
 
        (
Ein
SCHÜLER
tritt auf
.)

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