Authors: Johann Wolfgang Von Goethe
| Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten? |
| Das also war des Pudels Kern! |
| Ein fahrender Skolast? Der Casus macht mich lachen. |
| Ich salutiere den gelehrten Herrn! |
| Ihr habt mich weidlich schwitzen machen. |
| Wie nennst du dich? |
| Die Frage scheint mir klein |
| Für einen, der das Wort so sehr verachtet, |
| Der, weit entfernt von allem Schein, |
1330 | Nur in der Wesen Tiefe trachtet. |
| Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen |
| Gewöhnlich aus dem Namen lesen, |
| Wo es sich allzudeutlich weist, |
| Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt. |
| Nun gut, wer bist du denn? |
| Ein Teil von jener Kraft, |
| Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. |
| Was ist mit diesem Rätselwort gemeint? |
| Ich bin der Geist, der stets verneint! |
| Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, |
1340 | Ist wert, daß es zugrunde geht; |
| Drum besser wär’s, daß nichts entstünde. |
| So ist denn alles, was ihr Sünde, |
| Zerstörung, kurz das Böse nennt, |
| Mein eigentliches Element. |
| Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir? |
| Bescheidne Wahrheit sprech’ ich dir. |
| Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt, |
| Gewöhnlich für ein Ganzes hält— |
| Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war, |
1350 | Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, |
| Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht |
| Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, |
| Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt, |
| Verhaftet an den Körpern klebt. |
| Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön, |
| Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange, |
| So hoff’ ich, dauert es nicht lange, |
| Und mit den Körpern wird’s zugrunde gehn. |
| Nun kenn’ ich deine würd’gen Pflichten! |
1360 | Du kannst im Großen nichts vernichten |
| Und fängst es nun im Kleinen an. |
| Und freilich ist nicht viel damit getan. |
| Was sich dem Nichts entgegenstellt, |
| Das Etwas, diese plumpe Welt, |
| So viel als ich schon unternommen, |
| Ich wußte nicht ihr beizukommen, |
| Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand— |
| Geruhig bleibt am Ende Meer und Land! |
| Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut, |
1370 | Dem ist nun gar nichts anzuhaben: |
| Wie viele hab’ ich schon begraben! |
| Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut. |
| So geht es fort, man möchte rasend werden! |
| Der Luft, dem Wasser, wie der Erden |
| Entwinden tausend Keime sich, |
| Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten! |
| Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten, |
| Ich hätte nichts Aparts für mich. |
| So setzest du der ewig regen, |
1380 | Der heilsam schaffenden Gewalt |
| Die kalte Teufelsfaust entgegen, |
| Die sich vergebens tückisch ballt! |
| Was anders suche zu beginnen, |
| Des Chaos wunderlicher Sohn! |
| Wir wollen wirklich uns besinnen, |
| Die nächsten Male mehr davon! |
| Dürft’ ich wohl diesmal mich entfernen? |
| Ich sehe nicht, warum du fragst. |
| Ich habe jetzt dich kennen lernen, |
1390 | Besuche nun mich, wie du magst. |
| Hier ist das Fenster, hier die Türe, |
| Ein Rauchfang ist dir auch gewiß. |
| Gesteh’ ich’s nur! daß ich hinausspaziere, |
| Verbietet mir ein kleines Hindernis, |
| Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle— |
| Das Pentagramma macht dir Pein? |
| Ei sage mir, du Sohn der Hölle, |
| Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? |
| Wie ward ein solcher Geist betrogen? |
1400 | Beschaut es recht! Es ist nicht gut gezogen; |
| Der eine Winkel, der nach außen zu, |
| Ist, wie du siehst, ein wenig offen. |
| Das hat der Zufall gut getroffen! |
| Und mein Gefangner wärst denn du? |
| Das ist von ungefähr gelungen! |
| Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen, |
| Die Sache sieht jetzt anders aus: |
| Der Teufel kann nicht aus dem Haus. |
| Doch warum gehst du nicht durchs Fenster? |
1410 | ’s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: |
| Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus. |
| Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte. |
| Die Hölle selbst hat ihre Rechte? |
| Das find’ ich gut, da ließe sich ein Pakt, |
| Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen? |
| Was man verspricht, das sollst du rein genießen, |
| Dir wird davon nichts abgezwackt. |
| Doch das ist nicht so kurz zu fassen, |
| Und wir besprechen das zunächst; |
1420 | Doch jetzo bitt’ ich hoch und höchst, |
| Für dieses Mal mich zu entlassen. |
| So bleibe doch noch einen Augenblick, |
| Um mir erst gute Mär zu sagen. |
| Jetzt laß mich los! Ich komme bald zurück, |
| Dann magst du nach Belieben fragen. |
| Ich habe dir nicht nachgestellt, |
| Bist du doch selbst ins Garn gegangen. |
| Den Teufel halte, wer ihn hält! |
| Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen. |
1430 | Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit, |
| Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben; |
| Doch mit Bedingnis, dir die Zeit |
| Durch meine Künste würdig zu vertreiben. |
| Ich seh’ es gem, das steht dir frei; |
| Nur daß die Kunst gefällig sei! |
| Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen |
| In dieser Stunde mehr gewinnen |
| Als in des Jahres Einerlei. |
| Was dir die zarten Geister singen, |
1440 | Die schönen Bilder, die sie bringen, |
| Sind nicht ein leeres Zauberspiel. |
| Auch dein Geruch wird sich ergetzen, |
| Dann wirst du deinen Gaumen letzen, |
| Und dann entzückt sich dein Gefühl. |
| Bereitung braucht es nicht voran, |
| Beisammen sind wir, fanget an! |
| Schwindet, ihr dunkeln |
| Wölbungen droben! |
| Reizender schaue |
1450 | Freundlich der blaue |
| Äther herein! |
| Wären die dunkeln |
| Wolken zerronnen! |
| Sternelein funkeln, |
| Mildere Sonnen |
| Scheinen darein. |
| Himmlischer Söhne |
| Geistige Schöne, |
| Schwankende Beugung |
1460 | Schwebet vorüber. |
| Sehnende Neigung |
| Folget hinüber; |
| Und der Gewänder |
| Flatternde Bänder |
| Decken die Länder, |
| Decken die Laube, |
| Wo sich fürs Leben, |
| Tief in Gedanken, |
| Liebende geben. |
1470 | Laube bei Laube! |
| Sprossende Ranken! |
| Lastende Traube |
| Stürzt ins Behälter |
| Drängender Kelter, |
| Stürzen in Bächen |
| Schäumende Weine, |
| Rieseln durch reine, |
| Edle Gesteine, |
| Lassen die Höhen |
1480 | Hinter sich liegen, |
| Breiten zu Seen |
| Sich ums Genügen |
| Grünender Hügel. |
| Und das Geflügel |
| Schlürfet sich Wonne, |
| Flieget der Sonne, |
| Flieget den hellen |
| Inseln entgegen, |
| Die sich auf Wellen |
1490 | Gauklend bewegen; |
| Wo wir in Chören |
| Jauchzende hören, |
| Über den Auen |
| Tanzende schauen, |
| Die sich im Freien |
| Alle zerstreuen. |
| Einige klimmen |
| Über die Höhen, |
| Andere schwimmen |
1500 | Über die Seen, |
| Andere schweben; |
| Alle zum Leben, |
| Alle zur Ferne |
| Liebender Sterne, |
| Seliger Huld. |