Ahead of All Parting (29 page)

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Authors: Rainer Maria Rilke

BOOK: Ahead of All Parting
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DIE ZWEITE ELEGIE

Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir,

ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele,

wissend um euch. Wohin sind die Tage Tobiae,

da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür,

zur Reise ein wenig verkleidet und schon nicht mehr furchtbar;

(Jüngling dem Jüngling, wie er neugierig hinaussah).

Träte der Erzengel jetzt, der gefährliche, hinter den Sternen

eines Schrittes nur nieder und herwärts: hochauf-

schlagend erschlüg uns das eigene Herz. Wer seid ihr?

Frühe Geglückte, ihr Verwöhnten der Schöpfung,

Höhenzüge, morgenrötliche Grate

aller Erschaffung,—Pollen der blühenden Gottheit,

Gelenke des Lichtes, Gänge, Treppen, Throne,

Räume aus Wesen, Schilde aus Wonne, Tumulte

stürmisch entzückten Gefühls und plötzlich, einzeln,

Spiegel:
die die entströmte eigene Schönheit

wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz.

enn wir, wo wir fühlen, verflüchtigen; ach wir

atmen uns aus und dahin; von Holzglut zu Holzglut

geben wir schwächern Geruch. Da sagt uns wohl einer:

ja, du gehst mir ins Blut, dieses Zimmer, der Frühling

füllt sich mit dir … Was hilfts, er kann uns nicht halten,

wir schwinden in ihm und um ihn. Und jene, die schön sind,

o wer hält sie zurück? Unaufhörlich steht Anschein

auf in ihrem Gesicht und geht fort. Wie Tau von dem Frühgras

hebt sich das Unsre von uns, wie die Hitze von einem

THE SECOND ELEGY

Every angel is terrifying. And yet, alas,

I invoke you, almost deadly birds of the soul,

knowing about you. Where are the days of Tobias,

when one of you, veiling his radiance, stood at the front door,

slightly disguised for the journey, no longer appalling;

(a young man like the one who curiously peeked through the window).

But if the archangel now, perilous, from behind the stars

took even one step down toward us: our own heart, beating

higher and higher, would beat us to death. Who
are
you?

Early successes, Creation’s pampered favorites,

mountain-ranges, peaks growing red in the dawn

of all Beginning,—pollen of the flowering godhead,

joints of pure light, corridors, stairways, thrones,

space formed from essence, shields made of ecstasy, storms

of emotion whirled into rapture, and suddenly, alone,

mirrors:
which scoop up the beauty that has streamed from their face

and gather it back, into themselves, entire.

But we, when moved by deep feeling, evaporate; we

breathe ourselves out and away; from moment to moment

our emotion grows fainter, like a perfume. Though someone may tell us:

“Yes, you’ve entered my bloodstream, the room, the whole springtime

is filled with you …”—what does it matter? he can’t contain us,

we vanish inside him and around him. And those who are beautiful,

oh who can retain them? Appearance ceaselessly rises

in their face, and is gone. Like dew from the morning grass,

what is ours floats into the air, like steam from a dish

 

heißen Gericht. O Lächeln, wohin? O Aufschaun:

neue, warme, entgehende Welle des Herzens—;

weh mir: wir
sinds
doch. Schmeckt denn der Weltraum,

in den wir uns lösen, nach uns? Fangen die Engel

wirklich nur Ihriges auf, ihnen Entströmtes,

oder ist manchmal, wie aus Versehen, ein wenig

unseres Wesens dabei? Sind wir in ihre

Züge soviel nur gemischt wie das Vage in die Gesichter

schwangerer Frauen? Sie merken es nicht in dem Wirbel

ihrer Rückkehr zu sich. (Wie sollten sie’s merken.)

Liebende könnten, verstünden sie’s, in der Nachtluft

wunderlich reden. Denn es scheint, daß uns alles

verheimlicht. Siehe, die Bäume
sind;
die Häuser,

die wir bewohnen, bestehn noch. Wir nur

ziehen allem vorbei wie ein luftiger Austausch.

Und alles ist einig, uns zu verschweigen, halb als

Schande vielleicht und halb als unsägliche Hoffnung.

Liebende, euch, ihr in einander Genügten,

frag ich nach uns. Ihr greift euch. Habt ihr Beweise?

Seht, mir geschiehts, daß meine Hände einander

inne werden oder daß mein gebrauchtes

Gesicht in ihnen sich schont. Das giebt mir ein wenig

Empfindung. Doch wer wagte darum schon zu
sein
?

Ihr aber, die ihr im Entzücken des anderen

zunehmt, bis er euch überwältigt

anfleht: nicht
mehr
—; die ihr unter den Händen

euch reichlicher werdet wie Traubenjahre;

die ihr manchmal vergeht, nur weil der andre

ganz überhand nimmt: euch frag ich nach uns. Ich weiß,

ihr berührt euch so selig, weil die Liebkosung verhält,

weil die Stelle nicht schwindet, die ihr, Zärtliche,

zudeckt; weil ihr darunter das reine

Dauern verspürt. So versprecht ihr euch Ewigkeit fast

 

of hot food. O smile, where are you going? O upturned glance:

new warm receding wave on the sea of the heart …

alas, but that is what we
are.
Does the infinite space

we dissolve into, taste of us then? Do the angels really

reabsorb only the radiance that streamed out from themselves, or

sometimes, as if by an oversight, is there a trace

of our essence in it as well? Are we mixed in with their

features even as slightly as that vague look

in the faces of pregnant women? They do not notice it

(how could they notice) in their swirling return to themselves.

Lovers, if they knew how, might utter strange, marvelous

words in the night air. For it seems that everything

hides us. Look: trees do exist; the houses

that we live in still stand. We alone

fly past all things, as fugitive as the wind.

And all things conspire to keep silent about us, half

out of shame perhaps, half as unutterable hope.

Lovers, gratified in each other, I am asking
you

about us. You hold each other. Where is your proof?

Look, sometimes I find that my hands have become aware

of each other, or that my time-worn face

shelters itself inside them. That gives me a slight

sensation. But who would dare to exist, just for that?

You, though, who in the other’s passion

grow until, overwhelmed, he begs you:

“No
more
 …”; you who beneath his hands

swell with abundance, like autumn grapes;

you who may disappear because the other has wholly

emerged: I am asking
you
about us. I know,

you touch so blissfully because the caress preserves,

because the place you so tenderly cover

does not vanish; because underneath it

you feel pure duration. So you promise eternity, almost,

 

von der Umarmung. Und doch, wenn ihr der ersten

Blicke Schrecken besteht und die Sehnsucht am Fenster,

und den ersten gemeinsamen Gang,
ein
Mal durch den Garten:

Liebende,
seid
ihrs dann noch? Wenn ihr einer dem andern

euch an den Mund hebt und ansetzt—: Getränk an Getränk:

o wie entgeht dann der Trinkende seltsam der Handlung.

Erstaunte euch nicht auf attischen Stelen die Vorsicht

menschlicher Geste? war nicht Liebe und Abschied

so leicht auf die Schultern gelegt, als wär es aus anderm

Stoffe gemacht als bei uns? Gedenkt euch der Hände,

wie sie drucklos beruhen, obwohl in den Torsen die Kraft steht.

Diese Beherrschten wußten damit: so weit sind wirs,

dieses
ist unser, uns so zu berühren; stärker

stemmen die Götter uns an. Doch dies ist Sache der Götter.

Fänden auch wir ein reines, verhaltenes, schmales

Menschliches, einen unseren Streifen Fruchtlands

zwischen Strom und Gestein. Denn das eigene Herz übersteigt uns

noch immer wie jene. Und wir können ihm nicht mehr

nachschaun in Bilder, die es besänftigen, noch in

göttliche Körper, in denen es größer sich mäßigt.

from the embrace. And yet, when you have survived

the terror of the first glances, the longing at the window,

and the first walk together, once only, through the garden:

lovers,
are
you the same? When you lift yourselves up

to each other’s mouth and your lips join, drink against drink:

oh how strangely each drinker seeps away from his action.

Weren’t you astonished by the caution of human gestures

on Attic gravestones? wasn’t love and departure

placed so gently on shoulders that it seemed to be made

of a different substance than in our world? Remember the hands,

how weightlessly they rest, though there is power in the torsos.

These self-mastered figures know: “We can go this far,

this is ours, to touch one another this lightly; the gods

can press down harder upon us. But that is the gods’ affair.”

If only we too could discover a pure, contained,

human place, our own strip of fruit-bearing soil

between river and rock. For our own heart always exceeds us,

as theirs did. And we can no longer follow it, gazing

into images that soothe it or into the godlike bodies

where, measured more greatly, it achieves a greater repose.

DIE DRITTE ELEGIE

Eines ist, die Geliebte zu singen. Ein anderes, wehe,

jenen verborgenen schuldigen Fluß-Gott des Bluts.

Den sie von weitem erkennt, ihren Jüngling, was weiß er

selbst von dem Herren der Lust, der aus dem Einsamen oft,

ehe das Mädchen noch linderte, oft auch als wäre sie nicht,

ach, von welchem Unkenntlichen triefend, das Gotthaupt

aufhob, aufrufend die Nacht zu unendlichem Aufruhr.

O des Blutes Neptun, o sein furchtbarer Dreizack.

O der dunkele Wind seiner Brust aus gewundener Muschel.

Horch, wie die Nacht sich muldet und höhlt. Ihr Sterne,

stammt nicht von euch des Liebenden Lust zu dem Antlitz

seiner Geliebten? Hat er die innige Einsicht

in ihr reines Gesicht nicht aus dem reinen Gestirn?

Du nicht hast ihm, wehe, nicht seine Mutter

hat ihm die Bogen der Braun so zur Erwartung gespannt.

Nicht an dir, ihn fühlendes Mädchen, an dir nicht

bog seine Lippe sich zum fruchtbarem Ausdruck.

Meinst du wirklich, ihn hätte dein leichter Auftritt

also erschüttert, du, die wandelt wie Frühwind?

Zwar du erschrakst ihm das Herz; doch ältere Schrecken

stürzten in ihn bei dem berührenden Anstoß.

Ruf ihn … du rufst ihn nicht ganz aus dunkelem Umgang.

Freilich, er
will
, er entspringt; erleichtert gewöhnt er

sich in dein heimliches Herz und nimmt und beginnt sich.

Aber begann er sich je?

Mutter,
du
machtest ihn klein, du warsts, die ihn anfing;

dir war er neu, du beugtest über die neuen

Augen die freundliche Welt und wehrtest der fremden.

THE THIRD ELEGY

It is one thing to sing the beloved. Another, alas,

to invoke that hidden, guilty river-god of the blood.

Her young lover, whom she knows from far away—what does
he
know of

the lord of desire who often, up from the depths of his solitude,

even before she could soothe him, and as though she didn’t exist,

held up his head, ah, dripping with the unknown,

erect, and summoned the night to an endless uproar.

Oh the Neptune inside our blood, with his appalling trident.

Oh the dark wind from his breast out of that spiraled conch.

Listen to the night as it makes itself hollow. O stars,

isn’t it from you that the lover’s desire for the face

of his beloved arises? Doesn’t his secret insight

into her pure features come from the pure constellations?

Not you, his mother: alas, you were not the one

who bent the arch of his eyebrows into such expectation.

Not for you, girl so aware of him, not for your mouth

did his lips curve themselves into a more fruitful expression.

Do you really think that your gentle steps could have shaken him

with such violence, you who move like the morning breeze?

Yes, you did frighten his heart; but more ancient terrors

plunged into him at the shock of that feeling. Call him …

but you can’t quite call him away from those dark companions.

Of course, he
wants
to escape, and he does; relieved, he nestles

into your sheltering heart, takes hold, and begins himself.

But did he ever begin himself, really?

Mother,
you
made him small, it was you who started him;

in
your
sight he was new, over his new eyes you arched

the friendly world and warded off the world that was alien.

 

Wo, ach, hin sind die Jahre, da du ihm einfach

mit der schlanken Gestalt wallendes Chaos vertratst?

Vieles verbargst du ihm so; das nächtlich-verdächtige Zimmer

machtest du harmlos, aus deinem Herzen voll Zuflucht

mischtest du menschlichern Raum seinem Nacht-Raum hinzu.

Nicht in die Finsternis, nein, in dein näheres Dasein

hast du das Nachtlicht gestellt und es schien wie aus Freundschaft.

Nirgends ein Knistern, das du nicht lächelnd erklärtest,

so als wüßtest du längst,
wann
sich die Diele benimmt …

Und er horchte und linderte sich. So vieles vermochte

zärtlich dein Aufstehn; hinter den Schrank trat

hoch im Mantel sein Schicksal, und in die Falten des Vorhangs

paßte, die leicht sich verschob, seine unruhige Zukunft.

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