Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

Meat (27 page)

BOOK: Meat
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»Kein kurzes. Ein langes.«

»Wir werden sehen.«

»Papaaa.«

»Je länger ihr hierbleibt, desto kürzer wird die Geschichte.«

Geschlagen, zumindest vorläufig, verließen sie ihn und schlossen die Tür.

Die Süße ihres Besuchs und der Nachhall des ― zumindest gefühlten ― ersten intensiven Kontaktes seit Jahren, war schnell verflogen. Alles, woran er noch denken konnte, war, wie die Mädchen in die Sammelpferche gestoßen und mit Elektroschockern über die Rampe in den Ruhigsteller getrieben wurden. Lebendig und ganz schluckte sie die Produktionstraße und spuckte sie in anonymen Stücken wieder aus. Er nahm das Bild mit in den Schlaf.

 

Parfitt ließ sich Zeit, den Melkkittel abzulegen und blieb allein zurück, nachdem die anderen Melkhilfen an der Stechuhr gestempelt hatten.

Als er auf dem Weg zu den Laderampen in seinem grünen Overall den Hof überquerte, begann es zu nieseln. Er fühlte sich nicht besonders wohl dabei, dort ganz allein in Arbeitskleidung herumzulungern, während alle anderen nach Hause gingen. Aber niemand sah ihn. Wie am Ende eines jeden Tages leerte sich die Fabrik rasch. Alle hasteten zu den Bussen und drängten hinein. Dann kutschierte der Konvoi sie zurück nach Abyrne in ihre Wohnungen. Eine Rumpfbelegschaft blieb über Nacht, um die Herden zu beaufsichtigen und Einbrecher abzuschrecken. Es war nicht so, dass tatsächlich jemals jemand verrückt genug gewesen wäre, bei MFP einzubrechen. Kein Städter war so dumm, mutwillig den sofortigen Statusentzug und einen derart schrecklichen Tod, wie ihn eine solche Tat zwangsläufig nach sich ziehen würde, zu riskieren.

Er überlegte einen Moment, ob er sich eine Zigarette anzünden solle, steckte die Packung dann aber wieder weg. Regentropfen sprenkelten den grünen Stoff seines Overalls. Er betrat die Ladebucht. So still hatte er diesen Ort noch nie erlebt. Normalerweise beherrschte der Lärm des Schlachthauses das gesamte Fabrikgelände. Jetzt war außer einer irgendwo im Dunkel klirrenden Kette nichts zu hören. Über Nacht, während die Herden der Auserwählten bis zum Morgen auf den Weiden oder in anderen Bereichen der Fabrik weggesperrt waren, standen die Sammelpferche leer.

Aber es roch wie eh und je. Er war an den Gestank der Ausscheidungen gewohnt. Er hing über dem gesamten Gelände. Hier im Schlachthaus war es am schlimmsten, da sie in ihrer Todesangst jedes Toxin und Hormon ausschieden, das sich in ihrem Körper befand. Das Resultat war der ätzende, beinahe chemische Geruch ihrer Exkremente, der die Nase reizte. Ihr Blut hatte sein ganz eigenes Bukett. Bei einem einfachen Schnitt oder wenn die Auserwählten als Käl
ber rituell kupiert wurden, würde es niemand wahrnehmen. Wenn es aber gallonenweise floss ― fünf Liter oder mehr aus jedem Kadaver ―, dann stank der Stoff gewaltig. Das Wort
Hygiene
fiel im Schlachthaus ständig, öfter als irgendwo sonst. Aber das Blut flutete und spritzte wie Wasser über die Gänge und suchte sich seine Löcher und Fugen, um darin zu versickern. Egal wie sehr man ihm mit Schrubber und Dampfstrahler zu Leibe rückte, es ließ sich niemals rückstandslos entfernen. Und obwohl das Sägemehl regelmäßig ausgekehrt und erneuert wurde, hatte sich das Blut in den Betonböden festgesetzt. Die Gedärme der Auserwählten waren gefüllt mit zersetzter Nahrung in unterschiedlichen Verdauungsstadien. Sie waren voll mit Gasen, dem penetranten Geruch von Galle und Zersetzung. Darunter lag das von den Nieren verströmte Aroma von Ammoniak, der reife Duft von praller Milz und fetter Leber, den Zutaten für Fleisch-und Innereien-Pasteten und delikates Blätterteiggebäck. Obwohl bald Essenszeit war und ihn langsam der Hunger überkam, wollte sich bei Parfitt kein Appetit auf Pasteten einstellen, während er so in der leeren Ladebucht wartete. Den am wenigsten widerwärtigen Geruch im Schlachthaus verströmte die Schlachterei. Sie roch nach frischem, soeben von den dampfenden Knochen, die es einst stützten, getrenntem Fleisch. Das Brummen eines Motors versetzte ihn in Alarmbereitschaft. Er schob seinen Kopf durch das Tor der Ladebucht und sah einen Lastwagen vom Milchhof her auf ihn zukommen. Wer immer ihn steuerte, ließ die Scheinwerfer zweimal aufblenden. Mit einer halbherzigen Geste hob er die Hand. Der LKW bremste außerhalb der Bucht und fuhr dann rückwärts an die Rampe. Der Motor ging aus, und die Tür öffnete sich. Torrance stieg aus der Fahrerkabine. Parfitt erkannte die beiden Männer wieder, die ihn begleiteten: Sie waren mit im Dinos gewesen.

»Also gut. Bringen wir's hinter uns und verschwinden dann nach Hause.«

Torrances Leute wussten offensichtlich genau, was sie zu tun hatten und zogen sich die Laderampe hinauf. Sie rannten ins Dunkel der Fabrik, und Parfitt hörte das Geräusch von Loren-Rädern, als sie zurückkehrten.

»Beweg deinen Arsch, Parfitt. Ich könnte eine komplette Rinderhälfte verschlingen. Wenn wir nicht bald nach Hause kommen, sehe ich mich gezwungen, meine Alte zu fressen.«

Torrance hatte sein humorloses Grinsen aufgesetzt und kletterte auf die Laderampe, als die beiden Männer herauskamen und jeder von ihnen eine Lore voller Fleisch schob.

»Sie sind nicht zu übersehen«, sagte einer von ihnen, »direkt am Ende der Produktionstraße.«

Sie waren in der Tat kaum zu verfehlen, selbst wenn man nicht nach ihnen suchte. Es waren zwanzig Loren, vielleicht sogar mehr. Sie waren mehr als nur voll: Die Fleischstücke stapelten sich bergeweise. Parfitt versuchte zu schätzen, wie viele Auserwählte es brauchte, um die Loren zu füllen. Als er nach der ersten Lore griff, realisierte er, dass das Fleisch nicht einfach nur wahllos zusammengerafft worden war. Es waren Koteletts, Braten und Steaks vom Allerfeinsten. Jeweils zweihundert bis dreihundert Stück pro Lore. Parfitt brauchte seine ganze Kraft, die Lore zu schieben. Als er den Laster erreichte, klinkten sich Schienen in Haken am Boden der Lore ein, so dass sie nach hinten kippte und sich in den LKW entleerte. Eine Fleischlawine stürzte auf die Ladefläche. Parfitt zog an der Deichsel der Lore, bis sie wieder gerade stand. Dann machte er sich auf den Weg, die nächste zu holen.

Zu dritt brauchten sie weniger als zehn Minuten, alle Loren zu entleeren. Torrance sah zu und rauchte. Parfitt hatte
das Gefühl, im Fokus seiner Aufmerksamkeit zu stehen. Obwohl er schuftete, beschlich ihn langsam Panik. Nur wenige Momente zuvor hatte er sich noch darüber amüsiert, wie wahnsinnig jemand sein müsste, um bei MFP einzubrechen ― aus welchem Grund auch immer. Und nun leistete er Torrance und seinen Handlangern Hilfestellung dabei, eine Lastwagenladung hochwertigen Fleisches zu stehlen. Kein Wunder, dass Torrance ihm »Überstunden, die sich lohnen« versprochen hatte. Würden sie erwischt, dürften sie den Auserwählten in den Sammelpferchen Gesellschaft leisten. So wie Greville Snipe es getan hatte. Und sie hatten mit ebenso wenig Mitleid zu rechnen.

Nachdem sie den Lkw fertig beladen hatten, quetschten sie sich zu viert auf die Sitzbank im Führerhaus. Torrance reichte Zigaretten herum. Parfitt griff zu, und seine Hände verrieten seinen Gemütszustand.

»Bist du nicht noch ein wenig jung für
Das Zittern,
Parfitt?«

Es war einfach zu offensichtlich.

»Ich bin nervös, Sir. Hätte nicht gedacht, dass ich jemals Fleisch klauen würde.«

Torrance legte den Gang ein und fuhr los. Seine Leute glucksten untereinander, und Parfitts Unbehagen wuchs. Ihm kam der Verdacht, dass er keineswegs ausgewählt worden war, weil Torrance ihn mochte oder ihm vertraute. Wenn diese Nachtschicht vorüber wäre, würde man ihm den Schwarzen Peter zuschieben.

Schließlich ließ Torrance ihn vom Haken, zumindest ein wenig.

»Wir klauen es nicht, Söhnchen.«

»Was tut ihr dann?«

»Das wirst du noch früh genug sehen.«

Als sie das Haupttor erreichten, war das Wachhäuschen
seltsamerweise leer. Statt nach links in Richtung Stadt zu fahren, bog Torrance nach rechts ab. Parfitt hatte noch nie einen Fuß auf diesen Weg gesetzt. Ja, er hatte noch nicht einmal in diese Richtung gesehen. Hinter der MFP-Fabrik gab es nur noch ein wenig karge Steppe, bevor die Ödnis begann.

Es begann zu dämmern. Scheinbar direkt in ihrem Rücken versank hinter Abyrne die Sonne im Boden. Vor ihnen verlor sich die Landschaft im Schatten, aber Torrance ließ das Licht des Lastwagens aus. Die Straße wurde rapide schlechter, und er drosselte die Geschwindigkeit, um den Schlaglöchern und Spurrillen besser ausweichen zu können. Dann endete die Straße und alles, was Parfitt noch sehen konnte, waren zwei Fahrspuren, die ins Dunkel führten.

Rechts von ihnen gab es weitere Reifenspuren. Torrance stoppte den Laster und setzte in diese Spuren zurück.

»Besser, du steigst aus und weist mich ein«, sagte er.

Parfitt wollte warten, dass einer der Männer, der wusste, was zu tun war, die Initiative ergriff, bevor er über Torrance hinweg zur Türe kletterte.

»Ich spreche mit dir, Parfitt. Komm verdammt nochmal in die Gänge. Ich möchte hier draußen nicht eine Sekunde länger als notwendig verbringen.«

Parfitt öffnete die Tür und sprang zu Boden. Er ging zum hinteren Ende des Lkws, wo weitere Spuren verliefen. Am Ende der Spur fiel das Gelände ab. Er stand an der hintersten Ecke der Fahrerseite und signalisierte Torrance, rückwärts einzuschlagen. Als der Wagen auf ihn zukam, schritt er ebenfalls vorsichtig rückwärts. Die Spuren hörten auf. Dahinter begann ein Abgrund, so tief, dass ein Lastwagen darin mit Leichtigkeit für immer verschwinden konnte.

Er hob beide Hände.

»Haaalt!«

Die Bremsen des Lasters quietschten, und er kam stotternd zum Stehen.

Torrance brüllte aus dem Fenster:

»Löse die Riegel und tritt zur Seite, Parfitt.«

Parfitt leistete der Anordnung Folge. Die hintere Klappe des Lastwagens, die an der Oberseite eingehängt war, ließ sich nun öffnen. Hydraulisches Zischen ertönte, und die Ladefläche begann, sich zu heben. Parfitt blickte in den kraterähnlichen Schlund unterhalb des Lkws, aber er wusste bereits, was er enthielt. Der Gestank, hundertfach intensiver als jeder Geruch im Schlachthof, erfüllte die Luft um ihn herum. In der Tiefe der Grube verrotteten die Überreste tausender geschlachteter Auserwählter.

Die Ladung, die sie im Schlachthaus aufgenommen hatten, glitt die steile Schräge herunter, um sich im Wirrwarr der Verwesung mit ihresgleichen zu vereinigen.

»Achte darauf, dass alles leer ist, Söhnchen.«

Parfitt beugte sich über die Ladefläche, um das Fleisch, das in den Ecken klebte oder sich an der Verkleidung verfangen hatte, zu lösen. Er kam nicht überall dran. Er ging wieder nach vorne zur Kabine, während Torrance die Ladefläche wieder in die Horizontale absenkte.

»Ich brauche einen ...«

Noch bevor er das Cockpit erreichte, wurde ein Besen herausgereicht. Er nahm ihn, sprang auf die Ladefläche und fegte die letzten verbliebenen Stücke herunter. Ungeduldig, endlich wegzukommen, ließ Torrance den Motor aufheulen. Schlagartig überwältigte Parfitt dasselbe Verlangen. Er rannte zur Beifahrertür und kletterte hinauf. Der Besen wurde hinter dem Sitz verstaut. Schweigend fuhren sie zurück zur Fabrik.

Torrance parkte den Laster ein.

»Zieht euch um. Ich nehme euch mit in die Stadt«, sagte

er.

Inzwischen war es dunkel, und der Weg war lang. Parfitt blieb kaum eine andere Wahl.

Er traf die anderen am Haupttor, diesmal fuhr Torrance einen kleineren Shuttle-Bus. Parfitt setzte sich nach hinten. Es überraschte ihn kaum, dass Torrance sie geradewegs zu Dinos kutschierte.

»Kurz den Gaumen reinigen«, sagte Torrance.

»Ich sollte besser zum Essen nach Hause gehen«, antwortete Parfitt.

»Erst wirst du was trinken, mein Sohn.«

 

Wochentags war es ruhiger im Dinos, aber es gab immer noch genug Fleischhauer, die hier ihre hohen Gehälter versoffen.

Torrance gab eine Runde aus. Der Barmann nickte Parfitt vertraulich zu, und die vier nahmen am selben Tisch Platz, an dem sie beim ersten Mal gesessen hatten.

»Parfitt, das sind Stonebank und Haynes.«

Sie schüttelten einander die Hände.

Torrance: »Auf das Fleisch der Auserwählten. Möge es die Stadt noch lange ernähren.«

Jeder erhob sein Glas und trank.

Es herrschte erwartungsvolle Stille. Parfitt war bewusst, dass sie auf seine Fragen warteten.

»Was haben wir gerade getan?«

»Wir haben zweierlei getan: Wir haben den Überschuss entsorgt, und wir haben Befehle befolgt.«

Parfitt konnte nicht glauben, was er da hörte. »Überschuss?«

»Sprich leiser«, fuhr Torrance ihn an. »Also: Du arbeitest für eine ausgesprochen effiziente Organisation. MFP ist so
gut in dem, was es tut«, er gestikulierte in die Runde,
»wir
sind so gut in dem, was wir tun, dass die Fortpflanzungsquote der Auserwählten absolute Spitzenwerte erreicht hat und die Produktionsrate die höchste aller Zeiten ist. Um zu verhindern, dass der Preis des Fleisches sinkt, müssen wir von Zeit zu Zeit etwas davon beseitigen.«

Parfitt versuchte es zu begreifen. Soweit er wusste, vegetierten viele Städter am Rande des Verhungerns dahin, weil das Fleisch so rar und teuer war. Torrance lag also falsch. Oder er log.

»Es herrscht Fleischmangel, Mr. Torrance. Wir kämpfen darum, die Versorgungslage zu verbessern.«

»Falsch«, sagte Torrance. »Völlig falsch. Wir reden hier von Ökonomie. Wir reden vom Geschäft. Die Leute sind vielleicht nicht in der Lage, sich Fleisch zu kaufen, aber nicht, weil wir es nicht liefern können. MFP floriert, und unsere Gehälter sind so hoch, weil der Fleischpreis so hoch ist.«

Haynes, der, wie Parfitt bewusst wurde, diese Konversation vermutlich zum hundertsten Mal hörte, verließ den Tisch, um eine weitere Runde zu ordern.

»Aber wenn Magnus den Preis senken würde und mehr Leute sich Fleisch leisten könnten, würde der Umsatz doch steigen.«

»Du bist ein cleveres Kerlchen, Parfitt. Auf gewisse Art hast du Recht. Das wäre womöglich das Ergebnis einer Preissenkung. Aber die gesamte Situation hängt von der Einstellung der Leute ab. Wenn die Leute Fleisch für wertvoll halten, respektieren sie es ― und ebenso diejenigen, die es sich leisten können. Wenn es für jedermann erschwinglich wäre, hätte es nicht den gleichen
ideellen
Wert. Selbst wenn Magnus immer noch den gleichen Profit erzielen würde. Verstehst du?«

BOOK: Meat
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