Meat (30 page)

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Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

BOOK: Meat
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Wir müssen uns gegen Magnus und seine Männer erheben. Wir müssen sie in einer Form mit der Botschaft konfrontieren, die sie auch verstehen. Und diese Form wird nicht mehr aus bloßen Worten bestehen. Ich denke, ihr habt alle verstanden, was ich euch zu sagen versuche.

Durch Magnus und die Fürsorge herrscht das Böse in Abyrne. Das ist so sicher, wie menschliches Blut durch die Adern der Auserwählten fließt. Nichts, was wir sagen, kein Beispiel, das wir geben, wird jemals etwas an Magnus' Streben nach Macht ändern. Auch nicht am Streben der Fürsorge, mittels ihrer verdrehten Religion die Kontrolle wiederzugewinnen. Wir werden das tun müssen, auf das niemand jemals vorbereitet war.

Wir müssen gegen sie kämpfen.«

Collins blickte in ihre Gesichter und war voller Sorge, dass er immer weiter vom Schiff ihrer Gemeinschaft da
vontrieb, je länger er sprach. Keines der Gesichter ließ erahnen, was in ihnen vorging. Ihre neue Lebensweise ermöglichte ihnen, ihre Gefühle unter Kontrolle und ihren Geist klar zu halten. Also überdachten sie das Gehörte, wogen die Worte sorgsam ab. Und ― da war er sich sicher ― bereiteten sich darauf vor, sich von seiner Sache loszusagen. Er nickte stillschweigend. Sie waren frei, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Das hatte er ihnen gesagt, und so hatte er es gemeint. Wenn er zurückgehen und allein gegen Magnus kämpfen musste, würde er dies ohne ein Gefühl des Bedauerns gegenüber seinen Getreuen tun. Denn es stimmte: Dank ihnen, war Abyrne längst nicht mehr das, was es einst gewesen war.

Bis auf das Zischeln der Gaslampen herrschte Stille in der unterirdischen Kammer. Collins überkam das Gefühl, er hätte mehr sagen, weiter ins Detail gehen müssen, bevor er von ihnen verlangte, sich zu entscheiden. Dass er ihnen eine genauere Idee davon hätte vermitteln müssen, wie sein Plan aussah. Er wollte gerade zu sprechen beginnen, als Vigors aufstand.

»Ich werde kämpfen«, sagte sie.

Staith erhob sich beinahe im selben Augenblick.

»Ich werde kämpfen«, sagte er.

Einer nach dem anderen standen sie auf und wiederholten die einfachen Worte, und ehe das Echo verklungen war, saß keiner mehr.

 

Das kümmerliche Feuer knisterte im Kamin ― ein Luxus, den sich nur die wenigsten in der Stadt leisten konnten. Es war nicht viel Land übrig, auf dem Bäume wuchsen und dort, wo sie es taten, gediehen sie nicht. Nur die Fürsorge durfte bestimmen, wann ein Baum gefällt wurde. Städter, die man beim Beschädigen von Bäumen oder dem Dieb
stahl von Zweigen erwischte ― ganz gleich, ob Totholz oder nicht ―, sahen hohen Geldbußen oder sogar Zwangsarbeit entgegen. Ein Großteil des Feuerholzes stammte aus verlassenen Gebäuden, aber dieser Tage wurde es zunehmend schwieriger, überhaupt welches zu finden.

Das mickrige Feuer strahlte nur wenig Wärme oder Behaglichkeit aus, aber der Großbischof hatte noch nie Anstoß daran genommen.

»Du und ich, wir haben ein verdammt dickes Problem am Arsch, Bisch.«

Woran er Anstoß nahm, war das Benehmen seines Besuchers. Die Art, wie er redete und sich bewegte, die pure Anwesenheit des Mannes, bereitete ihm Verdruss. Unangenehm berührt rutschte der Großbischof in seinem Sessel hin und her.

»So wie ich das verstanden habe«, erwiderte er, »hat die gesamte Stadt ein >verdammt dickes Problem
am Arsch‹.«

Sein Besucher zuckte mit den Achseln und strich sich mit den Fingern der einen Hand durch seinen rotblonden Bart, während er mit der anderen auf einem Zigarillo herumknetete.

»Diese Stadt und ihre Bürger sind für mich ohne Bedeutung. Ausgenommen«, und hier zeigte Magnus mit seinen zwei schmutzigen gelben Raucherfingern auf den Großbischof, »jene, die Fleisch essen, sowie meine Leute und die Auserwählten. Die sind es, wegen denen die Welt sich dreht. Auch deine Welt, Bisch. Aber die meisten Städter sind so dumm wie das Fleisch, das sie essen. Würden sie mit ihren Groschen nicht meine Produkte kaufen, würde ich sie ohne mit der Wimper zu zucken zu billigen Pasteten verarbeiten lassen.«

»Mir ist klar, wie sehr du dich um jene sorgst, die dir nahestehen. Und nun bist du auch noch den weiten Weg hier
hergekommen, um diese Angelegenheit mit mir persönlich zu besprechen. Das ist höchst ungewöhnlich, besonders, wenn man in Betracht zieht, dass du mir deine >Anfragen< normalerweise per Laufburschen zukommen lässt.« Einen Augenblick lang schien der Großbischof nahezu amüsiert. »Himmel, es muss gut fünf Jahre her sein, dass ich dich das letzte Mal gesehen habe, Rory.«

Wissend, dass der Mann ihm kein Haar krümmen würde, beobachtete er, wie sich in Magnus die Wut anstaute. Sie würden einander auf die Nerven gehen, bis das Problem gelöst und ein Plan formuliert war. Es ginge rascher und es wäre einfacher zu kooperieren, aber so tickte Magnus nicht.

»Die Verkäufe sinken«, sagte Magnus.

Der Großbischof entschied sich, nicht zuzuhören. Stattdessen starrte er in frommer Kontemplation ins Feuer. »Hmmm?«

»Wir verklappen jede Woche tonnenweise Fleisch. Die Nachfrage geht in den Keller.«

Der Großbischof zog die Augenbrauen hoch, starrte aber weiter ins Feuer.

»In den Keller sagtest du? So, so.«

Aus den Augenwinkeln konnte er beobachten, wie Magnus auf seinem Stuhl vor angestauter Aggression derart anschwoll, dass dieser beinahe unter ihm verschwand. Der Mann war kaum noch in der Lage, seinen Hintern auf dem Sitz zu halten.

»Die Städter«, zischte Magnus durch zusammengebissene Zähne, »essen nicht mehr so viel Fleisch wie bisher.«

Gelangweilt und dezent verärgert schweifte der Blick des Großbischofs vom Feuer ab.

»Rory, das klingt für mich, als wäre es
dein
>verdammt dickes Problem< und nicht meins.«

Magnus stand auf und warf den Stuhl um.

»Dieser Spinner John Collins ergießt Blasphemien über alle, die ihm zuhören, Bisch. Er erzählt ihnen, dass niemand Fleisch essen müsste. Er erzählt ihnen ...« Der Großbischof bemerkte nun das Zittern, das Magnus' ganzen Körper erfasst hatte. Er lächelte still in sich hinein. Schon früher hatte er Magnus zornig gesehen ― Magnus regte sich eigentlich ständig über irgendetwas auf ―, aber er hatte noch nie beobachtet, dass er vor Wut schlotterte. Das war neu. Möglicherweise würde der Mann nicht mehr allzu lang ein solcher Quälgeist sein. »Er erzählt ihnen, sie bräuchten überhaupt nichts mehr zu essen. Und es gibt Leute, die ihm das glauben, Bisch. Der Mann ist eine Katastrophe.«

»Setz dich wieder hin, Rory.«

»Ich werde nichts dergleichen t...«

Beruhigend hob der Großbischof die Hand.

»Setz dich einfach hin und hör mir ein paar Sekunden zu. John Collins ist ein Irrer. So viel kannst du mir glauben. Aber was er herumposaunt, ist derartig haarsträubend, dass er sich selbst mit seiner eigenen Botschaft zerstören wird. Du wirst doch nicht glauben, was er den armen Leuten erzählt.«

»Scheiße noch mal, natürlich glaube ich das nicht.«

»Wie kommst du also darauf, dass sich durch sein Geschwätz irgendwas ändern wird? Wir müssen langfristig denken, Rory. Noch ist der Mann im Aufschwung, aber wenn die Leute feststellen, dass nichts mehr zu essen lediglich dazu führt, dass man schwach wird und stirbt, wird ihnen ihre Dummheit klarwerden. Und Collins ist dem Untergang geweiht.«

»Aber es hat sich bereits etwas geändert. Die Leute hören ihm zu und handeln nach dem, was er sagt. Ist es dir denn völlig gleich, dass er ein blasphemischer Ketzer ist?«

Der Großbischof suchte Magnus' Blick.

»Er wäre nicht der Erste, mit dem ich Geschäfte mache, Rory.«

Magnus setzte sich. Er wirkte eher erschöpft, als hätte er seine Fassung wiedergewonnen.

»Aber er macht die Fürsorge zum Gespött.«

»Wir werden es überleben. Und wenn sein Untergang kommt, werden wir Kapital daraus schlagen.«

Magnus ließ die Schultern hängen. Er nahm sich einen neuen Zigarillo aus dem Etui, zündete ihn mit dem vorhergehenden Stumpen an und schnippte diesen in Richtung des Feuers. Doch er verfehlte es. Seufzend erhob sich der Großbischof und drückte den Stummel mit dem Stiefel aus.

»Ich möchte, dass deine Pastoren meine Männer dabei unterstützen, ihn zu finden.«

»Warum sollte ich das autorisieren?«

»Ich denke mir das nicht aus, Bisch. Ich habe den Mann getroffen. Ich ... wir haben uns geschlagen.«

Diesmal hoben sich die Brauen des Großbischofs ― aus reiner Neugierde.

»Tatsächlich?«

»Ja. Tatsächlich. Er ist stark. Und nicht nur körperlich. Er hat einen starken Willen, Bisch. Du weißt, wovon ich rede. Er durchschaut Lügen. Er fürchtet nichts.«

Eine ganze Zeit lang sagte der Großbischof nichts. Er hatte lange darüber nachgedacht, wie er mit Collins umgehen sollte. Er hatte Ratschläge und Informationen von seinen, über die Stadt verteilten, Spähern und Spionen eingeholt. Er war sich im Klaren darüber, welche Bedrohung von dem Mann ausging. Aber er wollte sein Wissen nicht mit Magnus teilen. Erst recht nicht jetzt, wo Magnus so schwach wirkte.

»Es tut mir leid, Rory. Ich verstehe deine Bedenken wirklich. Und ich sehe ein, wie wichtig es ist, dass dein Geschäft
profitabel bleibt. Aber meine Aufgabe ist es, den Glauben und das spirituelle Wohlergehen dieser Stadt zu bewahren. Ich kann es mir nicht erlauben, eine offene Allianz mit MFP ...«

»Heilige Scheiße, Bisch, es wäre absolut konspirativ. Wir müssten es ja nicht an die große Glocke hängen.«

»Das wäre gar nicht nötig. So etwas spricht sich herum, Rory, das weißt du genau. Ich kann nicht zulassen, dass die Bürger denken, die Fürsorge würde John Collins als Bedrohung ansehen. Sie sollen vielmehr sehen, dass ich den Mann als jenen Scharlatan verlache, der er tatsächlich ist.«

»Ist das dein letztes Wort?«

»Das ist es.«

Magnus stand auf. Mit Schwierigkeiten, wie der Großbischof erfreut bemerkte.

»Pastoren, die gefährliche Gegenden der Stadt betreten, werden nicht länger mit meiner Unterstützung rechnen können, Bisch. Ich werde mich in naher Zukunft voraussichtlich auf Personalengpässe einstellen müssen, da ich mich um ein Problem zu kümmern habe, das Sache der Fürsorge wäre. Aber ich bin mir sicher, wenn sie deinem Beispiel folgen, werden deine Repräsentanten schon auf sich selbst aufpassen können, oder?«

Er wartete nicht auf eine Antwort.

Als sich die Tür geschlossen hatte, erlaubte sich der Großbischof ein Lächeln. Die Fürsorge hatte sich viel zu lange von MFP gängeln lassen. Jetzt war Magnus krank, und die Dinge in der Stadt würden sich ändern. Des Großbischofs fähigste Pastoren suchten bereits nach Collins. Ihre Berichte legten nahe, dass sie kurz davorstanden, ihn und seine Bande von Hungerleidern zu finden. Die ganze Stadt würde mitbekommen, wie die Fürsorge Collins aufstöberte. Und die Fürsorge würde der Stadt vor Augen führen,
was mit Leuten geschieht, die sich weigerten, das Fleisch der Auserwählten zu essen, so wie Gott es ihnen aufgetragen hatte. Und dann würde die Fürsorge die Kontrolle der Religion über die Fleischproduktion wiederherstellen. Und Harmonie und Frömmigkeit würden wieder Einzug in der Stadt halten.

 

Jeden Morgen vor Sonnenaufgang stiegen sie, wie von ei ner unsichtbaren Tide getragen, die Treppen und zerstörten Aufzugschächte hinauf zur Oberfläche. Sie bewegten sich in völliger Stille. In der Nacht nach ihrem Konzil, war diese Stille wie elektrisch geladen und knisterte vor Entschlossenheit.

Collins war überzeugt, dass sie sich tief genug im verlassenen Viertel verbargen, um die Fürsorge davon abzuhalten, hier nach ihnen zu suchen. Aber sicher konnte man nie sein. Und Magnus war zu allem bereit, um sie zu finden. Seine Spitzel und Kundschafter würden bereits die Stadt durchstöbern wie Kakerlaken menschliche Hinterlassenschaften.

Deshalb verhielten sie sich bei Sonnenaufgang so still und vorsichtig wie möglich. Um bei Kräften zu bleiben, hatten sie keine andere Wahl als präzise zu dieser Zeit des Tages heraufzukommen und die Riten und Übungen zu absolvieren, die Collins ihnen auferlegt hatte. Dies war der Moment, in dem sie am angreifbarsten waren.

Davon abgesehen, das wusste Collins, waren sie auf eine Art stark und empfindsam zugleich, die sie von den Städtern völlig unterschied. Ihre Intuition konnte sie vor vielen Dingen warnen, nicht nur vor Gefahr. So dunkel es auch war, als sie unter den monolithischen Umrissen der sie umgebenden Ruinen standen, er konnte seine Gefährten aufgrund der Aura, die ihre Körper ausstrahlte, dennoch deutlich »sehen«.

An diesem Morgen verspürte Collins ein Gefühl, das bereits seit geraumer Zeit in ihm gewachsen war. Er spürte keine Individuen und keinen Anführer mehr, sondern vielmehr, dass alle seine Getreuen miteinander verbunden waren. Es war körperlich, eine Sinnesempfindung, wie Magnetismus im Blut. Wenn sie zusammen gingen, spürte er ihre Bewegungen wie eine Kraft in seinen Eingeweiden ― kommen, ein kleiner Schub, gehen, ein leichtes Ziehen ―, und die Verbindung brach niemals ab. Je mehr sie gemeinsam Luft und Licht atmeten, desto stärker wurde diese Empfindung.

Es brachte ihn zu der Überzeugung, dass sie nicht bloß als Individuen stärker waren, sondern sich ihre Stärke in der Gruppe sogar exponentiell steigerte.

Sie blickten nach Osten, wo das staubige, graue Licht aufkeimte. Collins stand an ihrer Spitze. Gemeinsam nahmen sie die Morgendämmerung in sich auf, und als die Sonne den schmutzigen Horizont reinigte, waren sie erfüllt von Wärme. Als wären sie eins, konzentrierten sie das Licht in ihren Körpern.

Collins hatte sich nie als einen General betrachtet. Er
wollte
nicht kämpfen. Kampf brachte nichts als Tod und Blutvergießen. Es war nicht richtig, die Gewalt, die er meiden wollte, zu nutzen, um genau dieselbe Gewalt zu bekämpfen. Aber er wusste, es blieb ihnen keine andere Möglichkeit. In der Stille des Morgens luden sie sich auf.

Gleich nach Sonnenaufgang verschwanden sie wieder unter der Erde. Jeder mit einem Leib voll konzentrierten Sonnenlichts, die Muskeln und Sehnen durch die Übungen gestärkt und gefestigt.

Im Dunkel schmiedete John Collins seinen Plan, während jeder seiner Gefährten beständig stärker wurde.

 

17

 

Auch Richard Shantis Vater war schon Fleischhauer gewesen und hatte in jenen Tagen, bevor Magnus die Kontrolle über Fabrik und Auserwählte übernahm, an der Schlachtstraße gearbeitet. Damals hatte die Fürsorge noch mehr Kontrolle über die Fleischversorgung. Der Großbischof und die Pastoren hatten das Werk regelmäßig inspiziert. Aufzucht und Schlachtung der Auserwählten umgaben noch eine Aura von Heiligkeit. Heutzutage hatte Magnus die religiöse Doktrin so weit aus dem Arbeitsalltag verbannt, dass wenig mehr als Lippenbekenntnisse blieben, während die rituellen Praktiken zugunsten höherer Produktionsraten beschnitten wurden. Die spirituelle Handlung war zur Fließbandproduktion verkommen.

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