Zodiac (46 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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»Ich habe da eine Akte über Starr, die Sie vielleicht gerne sehen würden. Es geht um seine akademische Laufbahn.«

»Starr war zum Zeitpunkt des ersten Zodiac-Mordes in Südkalifornien«, stellte Mulanax fest. »Er hat in Riverside studiert.«

»Bob Starr? Das ist interessant. Starr hat sogar schon einigen Leuten erzählt, dass er der Zodiac ist. Zurzeit arbeitet er in einem Geschäft in Santa Rosa.«

»Leider sehe ich weit und breit keine Beweise dafür. Aber damals war ich mir ziemlich sicher, dass er der Mann ist. Ich glaube, Bill und Dave Toschi haben das genauso gesehen.«

»Hatten Sie noch andere Verdächtige außer Starr?«

»Also, Starr war der Einzige, der mir wirklich interessant vorkam. Ich habe nicht gewusst, dass er noch hier in der Bay Area ist.«

»Ich gehe manchmal in den Laden und kaufe irgendwas bei ihm. Aber ich bekomme ihn einfach nicht dazu, etwas zu schreiben. Morrill hat schon einiges von seiner Handschrift gesehen - aber er meint, dass sie sich mit den Jahren ziemlich verändert hat.«

»Das gefällt mir gar nicht, dass dieser Starr noch hier ist«, sagte Mulanax besorgt.

»Angenommen, es ist nicht Starr - glauben Sie, dass Zodiac noch am Leben ist?«

»Man nimmt allgemein an, dass er entweder tot oder in einer Nervenklinik ist, vielleicht auch in Haft.«

»Aber das war Starr auch schon von 1975 bis 1978.«

»Das habe ich nicht gewusst«, räumte Mulanax ein.

»Was ich besonders interessant finde, ist, dass keine Zodiac-Briefe mehr kamen, nachdem Toschi und Armstrong mit Starr in seinem Wohnwagen gesprochen hatten«, fuhr ich fort. »Übrigens, wie sind Sie überhaupt auf Starr gekommen?«

»Über ein paar Leute, die ihn gekannt haben.«

»Ach, die Jäger - die beiden Jungs, die mit ihm auf der Jagd waren.«

»Ja.«

 

Mittwoch, 14. Januar 1981

 

Ich unterhielt mich mit Toschi bei einer Tasse Kaffee über Starr. »Dave, ich habe da etwas, von dem ich nicht weiß, ob Sie es wissen«, begann ich. »Starr hat 1966 am Riverside College studiert.«

Toschi schwieg eine Weile nachdenklich, ehe er antwortete. »Seine Familie hat uns gesagt, dass er Mitte oder Ende der Sechzigerjahre in der Gegend von Riverside war. Aber das ist nie bestätigt worden.«

»Ich war, gelinde gesagt, auch ziemlich überrascht. Bis jetzt habe ich immer angenommen, dass er erst Anfang der Siebzigerjahre dort war. Wenn Starr wirklich zur fraglichen Zeit am College war, dann könnte es ja sein, dass ihn am Tag nach dem Mord an Cheri Jo Bates jemand mit Kratzern im Gesicht gesehen hat. Er ist jedenfalls der erste Verdächtige, von dem ich weiß, dass er in Riverside studiert hat.«

»Wir haben gewusst, dass er in der Gegend war, aber nicht am College.«

»Das habe ich auch immer angenommen.«

»Als seine Familie zu uns kam«, teilte mir Toschi mit, »da haben wir den Kollegen in Vallejo von Starr erzählt. Sie hatten ihn schon einmal ganz flüchtig überprüft. Mulanax wären beinahe die Augen herausgefallen; er war überzeugt, dass wir den Zodiac hatten.«

»Das könnte ja auch sein. Starr hat einen Freund, von dem auch Husted weiß. Der hat offensichtlich Angst vor Starr, und seine Frau hat ihn angefleht, nicht mit der Polizei zu sprechen. Offenbar hat Starr eines Abends, als sie etwas tranken, ihm gegenüber angedeutet, dass er der Zodiac sei. Das ist der Mann, dem Starr geschrieben hat, als er in der Anstalt war. Es könnte ja sein, dass der Freund auch als Patient in Atascadero war, als Starr dort war.«

»Ich wünschte, wir hätten einen besseren Verdächtigen als Starr«, seufzte Toschi. »Wir haben unsere Möglichkeiten ziemlich ausgeschöpft. Nachdem wir seinen Wohnwagen durchsucht hatten, wussten wir einfach nicht mehr, was wir noch tun sollten.«

»Da Sie jetzt nicht mehr an dem Fall arbeiten - an wen müsste ich mich wenden, falls ich irgendwelche Beweise gegen Starr hätte? Könnten Sie sie nicht an Ihr Department weiterleiten?«

»Es wäre vielleicht besser, wenn Sie die Unterlagen den Kollegen in Vallejo geben. Starr ist außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs.«

»Okay. Ich habe bis jetzt sowieso alles an Husted übergeben.« Wir schwiegen einige Augenblicke, ehe ich fortfuhr: »Also, ein Kerl, der sich nur einbildet, der Zodiac zu sein, könnte wohl unmöglich auch 1966 in Riverside sein, nur um seinem Vorbild zu entsprechen. Der Mord in Riverside ist schließlich erst bekannt geworden, lange nachdem Starr als Verdächtiger infrage kam. Zodiac hat sich erst sehr spät zu dem Verbrechen bekannt, so als wäre ihm damals ein Fehler unterlaufen. Es spricht wirklich verdammt viel gegen den Kerl.«

»Wir haben alles versucht, um ihn zu schnappen«, beteuerte Toschi frustriert, »und wir haben alles, was wir hatten, an Vallejo weitergegeben. Aber jetzt wird mir langsam klar, dass die Jungs in Vallejo uns vieles vorenthalten haben, was sie in der Hand hatten. Das ist wirklich bedauerlich - es war eine Art Einbahnstraße.«

»Starr hat eine Zweiundzwanziger«, warf ich ein.

»Das wussten wir schon. Na ja, er hat sich viel in der Natur herumgetrieben, und er ist oft auf die Jagd gegangen - da ist es nichts Außergewöhnliches, wenn man Waffen besitzt. Alles in allem hat es aber nie ausgereicht, um noch einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen.«

»Ich frage mich nur, warum er dauernd die Autos wechseln sollte, wenn er nicht irgendwas im Schilde führen würde.«

 

Montag, 19. Januar 1981

 

Ich besuchte Jack Mulanax zu Hause in Vallejo, und er fuhr mit mir noch einmal zu den Tatorten. Der strömende Regen hatte aufgehört und war dichtem Nebel gewichen. Mulanax legte die beiden Pistolen, die er bei sich trug, unter den Vordersitz.

Wir sahen uns zuerst den Tatort in der Lake Herman Road an und fuhren dann nach Blue Rock Springs weiter. Er berichtete mir, dass die Polizei einmal als Lockvogel zwei Puppen in einem Wagen in der Nähe des Parkplatzes platziert hatte. Der Wagen, der zum Teil in den Wald hineinragte, wurde rund um die Uhr bewacht. Die Maßnahme war jedoch erfolglos geblieben.

»Ich war echt überrascht«, gestand Mulanax, »als Sie mir gesagt haben, dass Starr hier in der Gegend arbeitet. Lebt eigentlich seine Mutter noch?«

»Ja, sie reist viel.«

»Dann hat die Familie offensichtlich Geld.«

»Ja. Starr hat einen neuen Karmann Ghia und noch ein paar andere Autos.«

Mulanax sah in den Notizen nach, die er mitgebracht hatte. »Ich glaube nicht, dass das in unseren Berichten vorgekommen ist. Ich habe erst heute Morgen davon gelesen.«

Dennoch erfuhr ich an diesem Tag ein hochinteressantes Detail.

»Wir haben Zodiacs Stimme auf Band, nachdem er in der Nacht des Mordes mit Nancy Slover vom Police Department Vallejo gesprochen hat.«

Ich lief zu einer Telefonzelle in Vallejo und rief Toschi in San Francisco an.

»Dave, haben Sie gewusst, dass es ein Band von einem Telefongespräch des Mörders mit Nancy Slover in Vallejo gibt? Mulanax hat mir erzählt, dass Darlenes Schwester Linda das Band auch gehört hat.«

»Tatsächlich? Das ist mir neu«, sagte Toschi ernst. »Wirklich interessant. Sie behauptet also, dass sie eine solche Aufnahme gehört hat. Ich würde gern mehr darüber wissen. Vielleicht können Sie der Sache nachgehen.«

»Das könnte ziemlich wichtig sein, nicht wahr?«

»Und ob.«

»Ich wollte, dass Sie davon wissen. Ich werde die Sache überprüfen«, versprach ich ihm. Ich erzählte Toschi noch von dem Phantombild, das man mit Lindas Hilfe von dem Mann angefertigt hatte, den sie auf Darlenes Painting Party gesehen hatte, und fügte hinzu, dass diese Zeichnung große Ähnlichkeit mit dem bereits existierenden Zodiac-Phantombild hatte.

»Mit unserem Phantombild? Verdammt.«

»Linda und einige ihrer Freundinnen sprechen außerdem von einem Mann, der Darlene Geschenke aus Mexiko mitgebracht hätte. Alles, was sie wissen, ist, dass er sich Bob nannte. Nach ihrer Beschreibung war der Mann stämmig und kräftig und hatte einen Bürstenschnitt. Das klingt verdammt nach Starr. Sie wandte sich an die Polizei, nachdem sie erfahren hatte, dass vor allem Leute namens Bob überprüft wurden.«

Ich berichtete Toschi außerdem, dass Bobbie Ramos, als sie von der Polizei nach Darlenes engsten Freunden gefragt wurde, antwortete: »Sue Gilmore, Robbie und dieser Kerl namens Bob, der ihr Geschenke aus Mexiko mitgebracht hat.« Bei diesen Geschenken handelte es sich um eine Handtasche und einen Gürtel.

 

Donnerstag, 5. März 1981

 

Ich fuhr im strömenden Regen die 58 Kilometer nach Vallejo, um einer Ahnung nachzugehen, die mich in Bezug auf den Mord von Blue Rock Springs beschlichen hatte. Ich wollte noch einmal rekonstruieren, was in der Mordnacht geschehen war, und deshalb startete ich um 23.40 Uhr von Darlenes Haus (obwohl die Babysitterinnen mir versichert hatten, dass es schon etwas später war, als sie das Haus verlassen hatte) und fuhr auf der Georgia Street direkt zu Mikes Haus in der Beechwood Avenue, wo ich um 23.45 Uhr ankam. Dort wartete ich nur eine Minute, ehe ich nach Blue Rock Springs weiterfuhr, wo ich um 23.51 Uhr auf dem Parkplatz anhielt. Ich wartete die Zeit ab, die während des Verbrechens um Mitternacht verstrichen sein musste, und fuhr dann auf der Springs Road zu der Telefonzelle, von der Zodiac im Police Department von Vallejo angerufen hatte. Trotz des Regens und der schlechten Sicht kam ich um 0.09 Uhr bei der Telefonzelle an. Zodiacs Anruf erfolgte erst um 0.40 Uhr. Blieben also dreißig Minuten, für die ich keine Erklärung hatte.

Die Telefonzelle stand nicht einmal einen Block von Darlenes Haus entfernt, direkt vor dem Parkplatz des Sheriff-Büros. Über den großen offenen Parkplatz hinweg war Darlenes Haus gut zu sehen. Ich fragte mich, ob Zodiac wohl direkt vor dem Sheriff-Büro anhalten würde - mit einem Wagen, der möglicherweise gesehen worden war, als er den Tatort verlassen hatte. Und das noch eine halbe Stunde lang. War es nicht viel wahrscheinlicher, dass er in der Nähe des Polizeireviers und des Sheriff-Büros wohnte und nach dem Verbrechen nach Hause fuhr, um auf die Sirenen der Streifenwagen zu warten, die zum Tatort aufbrachen? Als jedoch nichts dergleichen passierte - konnte es nicht sein, dass er da zur Telefonzelle ging und den Mord meldete, um sich dieselbe Befriedigung zu gönnen wie später in Napa? Um 0.47 Uhr wusste die Polizei bereits, woher der Anruf gekommen war. Vom Sheriff-Büro aus hätte man ohne Probleme jeden sehen können, der in der beleuchteten Telefonzelle stand.

Nachdem Zodiac seinen Anruf bei der Polizei beendet hatte - im vollen Bewusstsein, dass man den Anruf zurückverfolgen würde, wurde er von einem unbekannten dunkelhäutigen Mann gesehen. Würde er es wagen, in eine andere Telefonzelle zu gehen, um in Darlenes Haus und bei Deans Verwandten anzurufen, was er gegen ein Uhr tat? Ich vermutete, dass er zumindest diesen einen weiteren Anruf von zu Hause aus gemacht hatte. Er verließ die Telefonzelle um 0.45 Uhr und ließ die beiden anderen Anrufe eine Viertelstunde später folgen.

Wenn Zodiac um 0.09 Uhr zu Hause angekommen war, hatte er wohl seinen Wagen in die Garage gestellt, die Pistole versteckt und auf das Heulen der Sirenen gewartet. Lynch ließ die Streifenwagen nicht sofort losfahren, als eine »Schießerei« gemeldet wurde, und daher verließ Zodiac das Haus um 0.25 Uhr wieder, ging zur Telefonzelle, wofür er etwa eine Viertelstunde brauchte, und rief bei der Polizei an. Danach spazierte er langsam nach Hause, um nicht aufzufallen. Möglicherweise konnte er der Verlockung nicht widerstehen, an Darlenes Haus vorbeizugehen und einen Blick in die dunklen Fenster zu werfen. Konnte es sein, dass Zodiacs Zuhause von der Telefonzelle aus gesehen in derselben Richtung lag wie Darlenes Haus?

Nur wenige Häuser in der Umgebung von Darlenes Haus waren mit einer Garage ausgestattet, und ich hatte den starken Verdacht, dass der Mörder eine Garage brauchte, um seinen Chevrolet zu verbergen. Starr hatte jedenfalls eine Garage. Nach den Zodiac-Briefen zu schlie ßen, hatte er auch einen Keller, was in dieser Gegend ebenfalls nicht oft vorkam. Das Haus, in dem er zu der Zeit gewohnt hatte, musste genau vierzehn bis fünfzehn Minuten zu Fuß von der Telefonzelle entfernt liegen.

Ich war außerdem überzeugt, dass der Mörder Darlene gekannt haben musste und dass sie wusste, wer er wirklich war. Zodiac kannte Darlenes Spitznamen, und er kannte ihre Telefonnummer im neuen Haus, die noch nicht im Telefonbuch stand. Und er wählte für sein Telefongespräch nach der Tat bezeichnenderweise eine Telefonzelle, die in der Nähe ihres Hauses stand.

Darlene war von einem Mann in einem weißen Chevrolet verfolgt worden, einem Mann, der vor ihrem Haus parkte und wartete, der ihr auf der Painting Party Angst machte und der in Terry’s Restaurant ständig nach ihr fragte.

Eine Viertelstunde vor den Morden in der Lake Herman Road war ein weißer Chevrolet an genau der Stelle gesehen worden, wo später der Wagen des Mörders stand. Wenn der Mörder von Faraday und Jensen ebenso einen weißen Chevrolet fuhr wie der Mann, der sich wiederholt nach Darlene erkundigt hatte, dann war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um ein und denselben Mann handelte - um Zodiac.

Zodiac konnte Darlenes Kleidung in allen Details beschreiben, obwohl er sie nur ganz kurz gesehen hatte. Er kannte sie gut genug, um vor dem Mord beim Haus ihres Freundes auf sie zu warten, von wo er sie dann bis zum Tatort verfolgte. Und wenn er sie gekannt hat, dann war er möglicherweise auch der Mann, der sie offenbar an jenem vierten Juli gesucht hat. Darlene wusste, dass demnächst »einiges passieren wird. Eine wirklich große Sache«. Außerdem war sie auch mit anderen Opfern befreundet. Ich wusste aus verschiedenen Quellen, dass sie Cecelia Ann Shepard gekannt hatte.

 

Samstag, 7. März 1981

 

Ich besuchte Detective Sergeant John Lynch in seinem Haus in Vallejo. Er war ein relativ kleiner, stämmiger älterer Herr mit einem durchdringenden Blick.

»Können Sie mir etwas mehr über Mike Mageau erzählen?«, fragte ich ihn.

»Der Kerl war irgendwie schwer zu durchschauen … Ich bin nie ganz dahinter gekommen, was bei ihm nicht stimmte. Um die Wahrheit zu sagen - ich habe ihn sogar eine Zeit lang verdächtigt.«

»Aber Dean ist Ihnen nie verdächtig erschienen?«

»Also, in der Nacht, als es passierte, dachten wir alle zuerst an ihn.«

»Ist Darlene mit vielen Männern ausgegangen?«

»O ja, mit allen möglichen Kerlen.«

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