| Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen
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| Probiert ein jeder, was er mag;
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| Drum schonet mir an diesem Tag
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| Prospekte nicht und nicht Maschinen.
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| Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht,
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| Die Sterne dürfet ihr verschwenden;
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| An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
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| An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
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| So schreitet in dem engen Bretterhaus
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| Den ganzen Kreis der Schöpfung aus
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| Und wandelt mit bedächt’ger Schnelle
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| Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.
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| Die Sonne tönt nach alter Weise
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| In Brudersphären Wettgesang,
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| Und ihre vorgeschriebne Reise
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| Vollendet sie mit Donnergang.
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| Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
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| Wenn keiner sie ergründen mag;
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| Die unbegreiflich hohen Werke
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| Sind herrlich wie am ersten Tag.
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| Und schnell und unbegreiflich schnelle
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| Dreht sich umher der Erde Pracht;
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| Es wechselt Paradieseshelle
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| Mit tiefer, schauervoller Nacht;
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| Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
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| Am tiefen Grund der Felsen auf,
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| Und Fels und Meer wird fortgerissen
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| In ewig schnellem Sphärenlauf.
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| Und Stürme brausen um die Wette,
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| Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
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| Und bilden wütend eine Kette
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| Der tiefsten Wirkung rings umher.
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| Da flammt ein blitzendes Verheeren
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| Dem Pfade vor des Donnerschlags;
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| Doch deine Boten, Herr, verehren
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| Das sanfte Wandeln deines Tags.
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| Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
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| Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
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| Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
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| So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
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| Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
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| Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
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| Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
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| Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
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| Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
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| Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
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| Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
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| Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
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| Ein wenig besser würd’ er leben,
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| Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
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| Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein,
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| Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
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| Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
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| Wie eine der langbeinigen Zikaden,
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| Die immer fliegt und fliegend springt
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| Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
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| Und läg’ er nur noch immer in dem Grase!
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| In jeden Quark begräbt er seine Nase.
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| Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
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| Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
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| Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
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| Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
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| Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
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| Und von der Erde jede höchste Lust,
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| Und alle Näh’ und alle Ferne
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| Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
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| Nun gut, es sei dir überlassen!
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| Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
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| Und führ’ ihn, kannst du ihn erfassen,
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| Auf deinem Wege mit herab,
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| Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
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| Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
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| Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
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| Du darfst auch da nur frei erscheinen;
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| Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
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| Von allen Geistern, die verneinen,
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| Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
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| Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
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| Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
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| Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu,
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| Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.—
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| Doch ihr, die echten Göttersöhne,
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| Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
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| Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
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| Umfass’ euch mit der Liebe holden Schranken,
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| Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
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| Befestiget mit dauernden Gedanken.
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| ( Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich .)
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| Habe nun, ach! Philosophie,
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| Juristerei und Medizin,
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| Und leider auch Theologie
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| Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
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| Da steh’ ich nun, ich armer Tor,
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| Und bin so klug als wie zuvor!
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| Heiße Magister, heiße Doktor gar,
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| Und ziehe schon an die zehen Jahr’
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| Herauf, herab und quer und krumm
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| Meine Schüler an der Nase herum—
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| Und sehe, daß wir nichts wissen können!
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| Das will mir schier das Herz verbrennen.
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| Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
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| Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
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| Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
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| Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel—
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| Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,
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| Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
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| Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
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| Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
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| Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
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| Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt;
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| Es möchte kein Hund so länger leben!
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| Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
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| Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
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| Nicht manch Geheimnis würde kund;
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| Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß
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| Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
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| Daß ich erkenne, was die Welt
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| Im Innersten zusammenhält,
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| Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
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| Und tu’ nicht mehr in Worten kramen.
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