Read Ahead of All Parting Online
Authors: Rainer Maria Rilke
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf—. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille—
und hört im Herzen auf zu sein.
His vision, from the constantly passing bars,
has grown so weary that it cannot hold
anything else. It seems to him there are
a thousand bars; and behind the bars, no world.
As he paces in cramped circles, over and over,
the movement of his powerful soft strides
is like a ritual dance around a center
in which a mighty will stands paralyzed.
Only at times, the curtain of the pupils
lifts, quietly—. An image enters in,
rushes down through the tensed, arrested muscles,
plunges into the heart and is gone.
Verzauberte: wie kann der Einklang zweier
erwählter Worte je den Reim erreichen,
der in dir kommt und geht, wie auf ein Zeichen.
Aus deiner Stirne steigen Laub und Leier,
und alles Deine geht schon im Vergleich
durch Liebeslieder, deren Worte, weich
wie Rosenblätter, dem, der nicht mehr liest,
sich auf die Augen legen, die er schließt:
um dich zu sehen: hingetragen, als
wäre mit Sprüngen jeder Lauf geladen
und schösse nur nicht ab, solang der Hals
das Haupt ins Horchen hält: wie wenn beim Baden
im Wald die Badende sich unterbricht:
den Waldsee im gewendeten Gesicht.
Enchanted thing: how can two chosen words
ever attain the harmony of pure rhyme
that pulses through you as your body stirs?
Out of your forehead branch and lyre climb,
and all your features pass in simile, through
the songs of love whose words, as light as rose-
petals, rest on the face of someone who
has put his book away and shut his eyes:
to see you: tensed, as if each leg were a gun
loaded with leaps, but not fired while your neck
holds your head still, listening: as when,
while swimming in some isolated place,
a girl hears leaves rustle, and turns to look:
the forest pool reflected in her face.
Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
schwer und wie gebunden hinzugehn,
gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.
Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
seinem ängstlichen Sich-Niederlassen—:
in die Wasser, die ihn sanft empfangen
und die sich, wie glücklich und vergangen,
unter ihm zurückziehn, Flut um Flut;
während er unendlich still und sicher
immer mündiger und königlicher
und gelassener zu ziehn geruht.
This laboring through what is still undone,
as though, legs bound, we hobbled along the way,
is like the awkward walking of the swan.
And dying—to let go, no longer feel
the solid ground we stand on every day—
is like his anxious letting himself fall
into the waters, which receive him gently
and which, as though with reverence and joy,
draw back past him in streams on either side;
while, infinitely silent and aware,
in his full majesty and ever more
indifferent, he condescends to glide.
Das alles stand auf ihr und war die Welt
und stand auf ihr mit allem, Angst und Gnade,
wie Bäume stehen, wachsend und gerade,
ganz Bild und bildlos wie die Bundeslade
und feierlich, wie auf ein Volk gestellt.
Und sie ertrug es; trug bis obenhin
das Fliegende, Entfliehende, Entfernte,
das Ungeheuere, noch Unerlernte
gelassen wie die Wasserträgerin
den vollen Krug. Bis mitten unterm Spiel,
verwandelnd und auf andres vorbereitend,
der erste weiße Schleier, leise gleitend,
über das aufgetane Antlitz fiel
fast undurchsichtig und sich nie mehr hebend
und irgendwie auf alle Fragen ihr
nur eine Antwort vage wiedergebend:
In dir, du Kindgewesene, in dir.
All this stood upon her and was the world
and stood upon her with all its fear and grace
as trees stand, growing straight up, imageless
yet wholly image, like the Ark of God,
and solemn, as if imposed upon a race.
And she endured it all: bore up under
the swift-as-flight, the fleeting, the far-gone,
the inconceivably vast, the still-to-learn,
serenely as a woman carrying water
moves with a full jug. Till in the midst of play,
transfiguring and preparing for the future,
the first white veil descended, gliding softly
over her opened face, almost opaque there,
never to be lifted off again, and somehow
giving to all her questions just one answer:
In you, who were a child once—in you.
Sie saß so wie die anderen beim Tee.
Mir war zuerst, als ob sie ihre Tasse
ein wenig anders als die andern fasse.
Sie lächelte einmal. Es tat fast weh.
Und als man schließlich sich erhob und sprach
und langsam und wie es der Zufall brachte
durch viele Zimmer ging (man sprach und lachte),
da sah ich sie. Sie ging den andern nach,
verhalten, so wie eine, welche gleich
wird singen müssen und vor vielen Leuten;
auf ihren hellen Augen die sich freuten
war Licht von außen wie auf einem Teich.
Sie folgte langsam und sie brauchte lang
als wäre etwas noch nicht überstiegen;
und doch: als ob, nach einem Übergang,
sie nicht mehr gehen würde, sondern fliegen.
She sat just like the others at the table.
But on second glance, she seemed to hold her cup
a little differently as she picked it up.
She smiled once. It was almost painful.
And when they finished and it was time to stand
and slowly, as chance selected them, they left
and moved through many rooms (they talked and laughed),
I saw her. She was moving far behind
the others, absorbed, like someone who will soon
have to sing before a large assembly;
upon her eyes, which were radiant with joy,
light played as on the surface of a pool.
She followed slowly, taking a long time,
as though there were some obstacle in the way;
and yet: as though, once it was overcome,
she would be beyond all walking, and would fly.
Auf einmal ist aus allem Grün im Park
man weiß nicht was, ein Etwas, fortgenommen;
man fühlt ihn näher an die Fenster kommen
und schweigsam sein. Inständig nur und stark
ertönt aus dem Gehölz der Regenpfeifer,
man denkt an einen Hieronymus:
so sehr steigt irgend Einsamkeit und Eifer
aus dieser einen Stimme, die der Guß
erhören wird. Des Saales Wände sind
mit ihren Bildern von uns fortgetreten,
als dürften sie nicht hören was wir sagen.
Es spiegeln die verblichenen Tapeten
das ungewisse Licht von Nachmittagen,
in denen man sich fürchtete als Kind.
Suddenly, from all the green around you,
something—you don’t know what—has disappeared;
you feel it creeping closer to the window,
in total silence. From the nearby wood
you hear the urgent whistling of a plover,
reminding you of someone’s
Saint Jerome:
so much solitude and passion come
from that one voice, whose fierce request the downpour
will grant. The walls, with their ancient portraits, glide
away from us, cautiously, as though
they weren’t supposed to hear what we are saying.
And reflected on the faded tapestries now:
the chill, uncertain sunlight of those long
childhood hours when you were so afraid.
Und Nacht und fernes Fahren; denn der Train
des ganzen Heeres zog am Park vorüber.
Er aber hob den Blick vom Clavecin
und spielte noch und sah zu ihr hinüber
beinah wie man in einen Spiegel schaut:
so sehr erfüllt von seinen jungen Zügen
und wissend, wie sie seine Trauer trügen,
schön und verführender bei jedem Laut.
Doch plötzlich wars, als ob sich das verwische:
sie stand wie mühsam in der Fensternische
und hielt des Herzens drängendes Geklopf.
Sein Spiel gab nach. Von draußen wehte Frische.
Und seltsam fremd stand auf dem Spiegeltische
der schwarze Tschako mit dem Totenkopf.
And night and distant rumbling; now the army’s
carrier-train was moving out, to war.
He looked up from the harpsichord, and as
he went on playing, he looked across at her
almost as one might gaze into a mirror:
so deeply was her every feature filled
with his young features, which bore his pain and were
more beautiful and seductive with each sound.
Then, suddenly, the image broke apart.
She stood, as though distracted, near the window
and felt the violent drum-beats of her heart.
His playing stopped. From outside, a fresh wind blew.
And strangely alien on the mirror-table
stood the black shako with its ivory skull.
Im Auge Traum. Die Stirn wie in Berührung
mit etwas Fernem. Um den Mund enorm
viel Jugend, ungelächelte Verführung,
und vor der vollen schmückenden Verschnürung
der schlanken adeligen Uniform
der Säbelkorb und beide Hände—, die
abwarten, ruhig, zu nichts hingedrängt.
Und nun fast nicht mehr sichtbar: als ob sie
zuerst, die Fernes greifenden, verschwänden.
Und alles andre mit sich selbst verhängt
und ausgelöscht als ob wirs nicht verständen
und tief aus seiner eignen Tiefe trüb—.
Du schnell vergehendes Daguerreotyp
in meinen langsamer vergehenden Händen.
In the eyes: dream. The brow as if it could feel
something far off. Around the lips, a great
freshness—seductive, though there is no smile.
Under the rows of ornamental braid
on the slim Imperial officer’s uniform:
the saber’s basket-hilt. Both hands stay
folded upon it, going nowhere, calm
and now almost invisible, as if they
were the first to grasp the distance and dissolve.
And all the rest so curtained with itself,
so cloudy, that I cannot understand
this figure as it fades into the background—.
Oh quickly disappearing photograph
in my more slowly disappearing hand.
Des alten lange adligen Geschlechtes
Feststehendes im Augenbogenbau.
Im Blicke noch der Kindheit Angst und Blau
und Demut da und dort, nicht eines Knechtes
doch eines Dienenden und einer Frau.
Der Mund als Mund gemacht, groß und genau,
nicht überredend, aber ein Gerechtes
Aussagendes. Die Stirne ohne Schlechtes
und gern im Schatten stiller Niederschau.
Das, als Zusammenhang, erst nur geahnt;
noch nie im Leiden oder im Gelingen
zusammgefaßt zu dauerndem Durchdringen,
doch so, als wäre mit zerstreuten Dingen
von fern ein Ernstes, Wirkliches geplant.
The stamina of an old, long-noble race
in the eyebrows’ heavy arches. In the mild
blue eyes, the solemn anguish of a child
and, here and there, humility—not a fool’s,
but feminine: the look of one who serves.
The mouth quite ordinary, large and straight,
composed, yet not unwilling to speak out
when necessary. The forehead still naive,
most comfortable in shadows, looking down.
This, as a whole, just hazily foreseen—
never, in any joy or suffering,
collected for a firm accomplishment;
and yet, as though, from far off, with scattered Things,
a serious, true work were being planned.
Wie in der Hand ein Schwefelzündholz, weiß,
eh es zur Flamme kommt, nach allen Seiten
zuckende Zungen streckt—: beginnt im Kreis
naher Beschauer hastig, hell und heiß
ihr runder Tanz sich zuckend auszubreiten.