Hard Man (4 page)

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Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
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Okay. Die Baxters. Gut, es war ihnen ernst. Es bestand kein Zweifel, dass sie Angst vor Wallace hatten und ihn wirklich für fähig hielten, seine Frau so übel zuzurichten, dass sie und vor allem ihr ungeborenes Baby in ernster Gefahr waren.

Aber waren sie bloß verrückte Spinner, oder hatten sie reale Gründe, sich Sorgen zu machen?

Klar, man musste schon extrem gestört sein, um der eigenen Familie etwas anzutun. So was brachte nur ein absolutes Arschloch fertig. Allerdings war es gar nicht die Familie von Wallace. Der Kleine war nicht von ihm, doch May war seine Frau … Ach, Scheiße. Er hätte nicht anfangen sollen, darüber nachzudenken, was jemand seiner Familie antun konnte…

Pearce lehnte sich an die Hauswand eines Spielsalons. Er atmete rasch und flach und spürte kalten Schweiß im Nacken. Erinnerungen rannen in Tropfen aus seinem Kopf und brannten ihm Säurefurchen in Kehle und Lunge. Seine Mutter in den Armen zu halten, während aus einer Stichwunde in ihrem Hals das Blut spritzte - tja, darüber kam man nicht so leicht weg. Vielleicht würde er nie drüber wegkommen. Damit musste er rechnen.

Aber es war sinnlos, darüber nachzugrübeln. Was passiert war, konnte er nicht ändern. Er stieß sich von der Wand ab und ging weiter.

Nur einen Moment mal angenommen, May sei in Gefahr.

Na, man musste sich ihn doch nur mal anschauen. Er war in keinem Zustand, in dem er irgendjemanden beschützen konnte.

Wenigstens atmete er wieder normal.

Er schaute sich um, um sich zu vergewissern, dass Hilda noch da war. Der jagte gerade halbherzig hinter einem anderen Hund her. Wusste, dass er mit drei Beinen nicht die geringste Chance hatte, aber es machte Spaß, es zu versuchen.

Die Schuldgefühle waren mörderisch. Pearce hatte es nicht nur nicht geschafft, seine Mutter zu beschützen, er hatte auch noch ihre Wohnung verkauft. Das machte ihn so richtig fertig, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. In der Wohnung erinnerte ihn zu viel an sie. Klar, sie hatte
ihr
gehört. Er hatte nicht einfach neue Möbel kaufen, neue Bilder aufhängen, die Tapeten abreißen können. Jede Änderung wäre respektlos gewesen. Da war nichts zu machen. Es würde nie seine Wohnung sein.

Also hatte er sie verkauft. Und vielleicht würde seine Mum ihn deshalb ewig heimsuchen, aber er glaubte, dass sie ihn verstanden hätte. Sie würde ihn nicht heimsuchen. Um Himmels willen, was dachte er da überhaupt? Das war fast genauso verrückt wie die Geschichte der Baxters. Sogar noch schlimmer. Wallace war wenigstens am Leben. Aber Pearce sah seine Mum ständig. Immer nur ganz kurz. Und manchmal hörte er sie sprechen. Sie fragte ihn, wie es ihm gehe, und er sagte dann, es gehe ihm gut. Sie redeten über das Wetter. Ganz banal. Eine Weile hatte er sich Gedanken um seine geistige Gesundheit gemacht. Und dann hatte er gedacht, scheiß drauf. Er war so gesund wie jeder x-Beliebige. Es war ganz normal, dass man seine Mutter vermisste.

Er hatte sich in Aktionismus gestürzt. Ohne sich mit Renovieren aufzuhalten, die Wohnung auf den Markt geworfen, wie sie war. Wie nicht anders zu erwarten, bekam er nicht den besten Preis dafür, aber das, was er bekam, war bedeutend mehr, als er gedacht hatte. Die Immobilienpreise waren haarsträubend.

Er schaute sich nach einer eigenen Wohnung um. Etwas, was er nie gehabt hatte. Klar, in Barlinnie hatte er seine eigene Zelle gehabt. Allerdings nur für zwei Wochen, bis dann dieser Ire, Seamus, eingezogen war. Hatte die ganze Zeit gelesen, genau wie Pearce. Aber sie wurden nicht warm miteinander. Pearce lehnte ihn ab, weil er sein Alleinsein beendet hatte. Nicht die Schuld von Seamus. Wie dem auch sei, eine eigene Zelle in Barlinnie zählte nicht so richtig als eigene Wohnung.

Pearce wollte im Osten der Stadt bleiben. Hier waren seine alten Jagdgründe, und er wohnte lieber in einer Gegend, wo er sich auskannte. Andernfalls hätte er auch gleich nach England oder Amerika oder Australien ziehen können. Er hatte zwei Monate lang die Wohnungsangebote studiert und festgestellt, dass trotz der im Allgemeinen lachhaften Wohnungspreise in Edinburgh der Stadtteil Portobello eine Spur billiger zu sein schien als die zentraleren Viertel. Wie früher Musselburgh, ehe das alle gecheckt hatten. Und Porty war okay. Ein bisschen antiquiert, doch das machte nichts. Er war noch nicht dazu gekommen, sich ein Auto zu kaufen. Würde er wahrscheinlich auch nicht tun. Es gab keine Parkplätze. Und er war in letzter Zeit ohnehin nicht viel gefahren. Genau genommen, war er noch nie viel gefahren. Er hatte kein Auto gehabt, als er in den Knast gewandert war, und solange er eingesperrt war, hatte er, wenig verwunderlich, auch nicht viel Fahrpraxis bekommen. Ehrlich gesagt, fühlte er sich hinter dem Steuer nicht besonders sicher. Zum Glück war Portobello nur eine halbe Stunde mit dem Bus entfernt. Und die Nummer sechsundzwanzig fuhr alle fünf Minuten. Kein Auto nötig.

Portobello war Edinburghs Strand (wie an beiden Enden der Stadt ein Straßenschild behauptete), und früher mal, vor Einbruch der Pauschalreisen, kamen Leute in Scharen aus ganz Schottland nach Portobello, um Sonne zu tanken und die Zehen ins Meer zu strecken. Das musste ein Bild gewesen sein. Wie Südkalifornien, nur kälter. Und ohne Surfen. Oder die braun gebrannten Tussen. Es gab ein Freibad mit Wellenmaschine, wie er von seiner Nachbarin, Mrs. Hogg, gehört hatte. Das war auch ungeheuer beliebt gewesen.

Heute gab es nur noch Überreste des alten Seebades. Der Vergnügungspark, der Fish-and-Chips-Laden, die Eisverkäufer. Aber meistens sah es hier öde aus. Außer an den Wochenenden. An den Wochenenden kamen die Massen. Bleichhäutige Väter, schwangere Mütter mit rotgeäderten Beinen, schreiende Kinder. Die Kinder liebten es. Sand und Kinder. Wann hatte diese Kombination je versagt? Am Strand sitzen und Sandburgen bauen und Eis mit Sand essen, während sich der Nebel hereinwälzte.

Ansonsten gehörte der Strand den Hundebesitzern.

Pearce liebte Portobellos verblichenen Glanz. Genau der richtige Ort für ihn. Machte ihn wehmütig. Konnte man Wehmut gegenüber etwas empfinden, was man nie erlebt hatte? Und ob man das konnte, verdammt noch mal.

Und wisst ihr was? Mum hätte es hier gefallen.

Er hatte schließlich eines der seltenen Angebote mit Preisbindung am Ostrand der Stadt genommen. Eine Dreizimmerwohnung unterm Dach. Ein Zimmer war für den Hund, den er sich zulegen wollte, sobald er eingezogen wäre. Vor allem der Gesellschaft wegen. Nicht dass er dazu neigte, sich einsam zu fühlen, aber er war sich bewusst, dass es ein wenig seltsam war, mit seiner Mutter zu reden, und dagegen konnte helfen, wenn man jemand anderen hatte, mit dem man reden konnte. Natürlich hielten es manche Leute auch für seltsam, mit einem Hund zu reden. Pearce fand nicht, dass daran irgendetwas verkehrt war. Solange der Hund nicht tot war.

Er hatte gestaunt, wie viel Nebel es in der Gegend gab. Stimmungsvoll. Aus seinem Schlafzimmerfenster, nur zwei Tage nachdem er eingezogen war, hatte er ihn von Fife über den Forth kommen sehen. Zuerst hüllte er die kleine Insel mit dem Leuchtturm ein, dann bewegte er sich auf die Küste zu, rollte über den Strand und verschluckte allmählich die Bushaltestelle hinter seinem Haus.

Er hatte das Fenster geöffnet und ließ den Nebel hereinwallen. Man konnte ihn förmlich spüren. Wie dieses Zeug da, Ektoplasma. Es fühlte sich an wie aus dem Kühlschrank, eiskalt.

»Spürst du das, Mum?«, sagte er.

 

Aber heute war es nicht neblig. Pearce setzte sich auf eine Bank und blickte aufs Meer. Es war klar und warm. In der Feme ankerten zwei Tanker wie rote Spielzeugschiffe in einer großen Badewanne. Man konnte Kirkcaldy sehen. Schöne Ansicht. Die schönste, die man von Kirkcaldy überhaupt haben konnte, denn je näher man kam, desto schlimmer sah es aus.

Pack die Gedanken an deine Mutter schön wieder in deinen Kopf, und knall den Deckel zu.

Pearce konzentrierte sich besser darauf, ob er Baxters Angebot annehmen sollte oder nicht.

Auf der Promenade war nicht viel los. Die üblichen Verdächtigen: Mutter mit Kind. Eine Familie beim Grillen. Ein Junge, der einen Drachen steigen ließ. Ein Radfahrer. Ein paar Alte, die sich auf einer Bank drängten. Ein einsamer Tourist, der sich mit einem Rucksack abschleppte.

Pearce konnte nicht stillsitzen. Er stand auf und pfiff nach Hilda.

Er kam an zwei jugendlichen Pennern vorbei, die auf der Mauer saßen und
Buckfast
tranken, und einer der beiden fragte ihn, ob er Kleingeld übrig hätte.

»Was meinst du wohl?«, sagte Pearce.

Baxter. Bescheuerter Irrer oder treusorgender Vater?

Am Strand warf ein Typ Stöckchen für zwei Hunde: einen großen Lurcherartigen, ein geschmeidig wirkendes Tier mit dem Körper eines kleines Windhundes, und ein pummeliger kleiner Köter. Pearce blieb stehen und schaute eine Weile zu. Der Köter bekam den Stock jedes Mal als Erster. Entschlossenes kleines Vieh.

Pearce schaute sich nach Hilda um. Da drüben schnüffelte er an der Einkaufstasche eines alten Muttchens.

Okay, lass den Hund. Er musste einen Entschluss fassen: Sollte er Baxters Angebot annehmen? Er drehte sich um und ging die Promenade weiter.

Sich Hilda anzuschaffen war keine schwere Entscheidung gewesen, obwohl er wusste, dass ein Hund Verantwortung bedeutete. Man konnte nicht die ganze Nacht wegbleiben oder ins Ausland verreisen. Aber Pearce blieb nie die ganze Nacht aus, und er verreiste auch nicht ins Ausland. Und dann musste man mindestens zweimal am Tag mit den Viechern Gassi gehen. Aber er wusste, dass er sowieso mindestens einmal, wahrscheinlich eher zweimal am Tag draußen eine Runde drehte.

Dann hatte er sich Sorgen gemacht, der Hund würde genauso enden wie alle, die er je geliebt hatte. Wie seine Schwester. Wie seine Mum.

Wie Louis in Baxters Kofferraum.

Aber diesen Scheiß hatte er sich aus dem Kopf geschlagen, dem Himmel sei Dank.

Egal, zurück zu Baxter. Was sollte er mit ihm machen? Klar, die Kohle war zweifellos reizvoll. Pearce hatte zwar Mums Wohnung verkauft, aber für die neue am Ende bedeutend mehr bezahlt. Er konnte es immer noch nicht fassen, wie einfach man eine Hypothek bekam. Er hatte sich vorgestellt, seine kriminelle Vergangenheit würde gegen ihn sprechen. Andererseits hatte seine kriminelle Vergangenheit ja nichts mit Betrug zu tun, und vielleicht war deshalb alles so reibungslos gelaufen.

Er musste nicht mal einen Job erfinden, um die Hypothek zu ergattern. Im Endeffekt genügte seine Einlage von achtzig Riesen, damit man ihm die übrigen fünfundvierzig nur allzu gern bewilligte.

Jetzt lag es an ihm, wie er die monatlichen Raten aufbrachte.

Ein paar Riesen hatte er zurückgelegt, um sich über Wasser zu halten. Aber irgendwann musste er sich nach einem Job umsehen. Und das würde schwierig werden.

Welche Qualifikationen haben Sie für diese Arbeit, Mr. Pearce?

Hab ‘nem Drogendealer so oft ’nen Schraubenzieher reingerammt, dass ich nicht mehr mit Zählen mitkam. Er ist gestorben. Ich wanderte ins Gefängnis. Kam zehn Jahre später raus und sah zu, wie meine Mutter starb. Wurde zweimal angeschossen, als ich versucht habe, die Sau festzunageln, die sie umgebracht hatte. Qualifikationen? Die gehören zur richtigen Welt. Ich, fürchte ich, nicht. Tut mir leid, Ihre Zeit vergeudet zu haben.

Pearce brauchte das Geld. Scheiß drauf. Vielleicht sollte er sich lieber eine richtige Arbeit suchen. Das Einzige, was er gemacht hatte, seit er aus dem Gefängnis gekommen war, war Schuldeneintreiben. Und jetzt, wo Cooper im Knast saß, war das auch nicht mehr drin. Was konnte er sonst noch?

Okay. Wieso sollte er Baxter helfen? Er kannte das alte 40

Ekel doch überhaupt nicht. Und ganz offensichtlich übertrieb Baxter. Seine Tochter war nicht wirklich in Gefahr. Wollte Pearce ihm das Geld für nichts und wieder nichts abnehmen? Na schön, genau genommen wäre es ja nicht für nichts, denn er würde mit dem bescheuerten Spinner und seiner Familie einen Monat lang zusammenleben müssen. Dieser Gedanke behagte Pearce überhaupt nicht. Und was war mit dem Baby? War es wirklich in Gefahr? Okay, so wie es sich anhörte, war Wallace in der Tat irre. War Pearce dann verantwortlich? Konnte das nicht irgendein anderer übernehmen? Wallace hörte sich nach ‘nem gefährlichen Typen an.

Und da war noch was zu bedenken. Womöglich sollte man sich ja wirklich besser nicht mit Wallace anlegen - wenn tatsächlich
er
den Hund abgemurkst hatte. Andererseits war er ja vielleicht nur ein Idiot. Doch waren vier Riesen das Risiko wert? Ja, verdammte Scheiße. Der Typ konnte vielleicht Frauen und alte Männer und Jungs, die nicht kämpfen konnten, zusammenschlagen und blöde Viecher umbringen, aber zu all denen gehörte Pearce nicht.

Die vier Riesen
waren
verlockend. Es war traurig, dass er über das Ganze auch nur nachdachte, doch zweifellos konnte er von vier Riesen drei oder vier Monate lang ganz bequem leben. Möglicherweise konnte er sich sogar einen IKEA-Tisch kaufen oder Mums Sofa durch einen großen Zweisitzer ersetzen. Ja, ihre Wohnung hatte er verkauft, aber ein paar Möbel hatte er behalten. Es erschien ihm nicht richtig, sie wegzuwerfen. Wenn er sich auf dem Sofa zusammenrollte, war es manchmal, als säße sie neben ihm. Einmal war er darauf eingeschlafen, und er hätte schwören können, ihre Hand auf der Stirn gespürt zu haben.

Scheiße noch mal. Wieso verschwendete er überhaupt einen Gedanken an den Baxter-Job?

Was meinst du, Mum?

Du könntest wieder angeschossen werden,
sagte seine Mum.

Er musste nicht daran erinnert werden. Er war zweimal angeschossen worden. In die Schulter und in den Bauch.

 

Pearce nahm Hilda an die Leine, drehte um und verfolgte seine Spuren zurück. Er setzte sich auf die Kante einer Bank und holte sein Handy heraus. Dann fiel ihm ein, dass er Baxters Nummer nicht hatte. Verdammte Kackscheiße!

Die Hände in die Taschen gerammt, ging er nach Hause.

Hatte er sie nicht mehr alle? Oder was?

Es schien die richtige Entscheidung zu sein, aber was, wenn er falschlag?

Er hielt den Kopf gesenkt, sodass er nichts und niemanden sah, bis er an die Ecke am Ende seiner Straße kam. Er stieg den Hügel hinauf. Er hatte einen Entschluss gefasst.

 

In der Küche holte er sich eine Flasche
Highland Spring
aus dem Kühlschrank. Eigentlich für den nächsten Kater gedacht, aber das Bier war ihm ausgegangen, und er brauchte etwas Kaltes. Die Flasche zischte, als er sie öffnete. Er trank ein paar Schlucke und ließ es auf seiner Zunge prickeln. Noch einmal ging er die Gründe durch, die dafür und die dagegen sprachen, und kam zum gleichen Schluss.

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